Nachtrunk-Problematik im Verkehrsverwaltungsrecht

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.12.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2336 Aufrufe

Tja - der Antragssteller war besoffen gefahren. 1,04 Promille. Und er hat einen Unfall gebaut. Und: Er war zuvor schon wegen Alkohol im Straßenverkehr auffällig gewesen. Er sollte daraufhin eine erfolgreiche MPU vorlegen. Das tat er natürlich nicht, so dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Zu recht. Da half auch eine Behauptung eines Nachtrunk nicht weiter:

 

Der Annahme einer Trunkenheitsfahrt am 1. September 2017 steht die Behauptung des Klägers nicht entgegen, er habe erst nach dem Unfall aufgrund eines unfallbedingten Schocks Alkohol zu sich genommen. Wird der Fahrer eines Fahrzeuges bei einer Unfallaufnahme unter Alkoholeinfluss angetroffen, spricht eine lebensnahe Betrachtung dafür, dass die Alkoholaufnahme vor Antritt der Fahrt erfolgt ist. Macht der Fahrerlaubnisinhaber hiervon abweichend einen sog. Nachtrunk geltend, obliegt es zunächst ihm, die näheren Umstände dieses eher ungewöhnlichen Ablaufs zeitnah durch konkrete Angaben glaubhaft darzulegen. Mangelt es insoweit an substantiierten und schlüssigen Darlegungen, ist der geltend gemachte Nachtrunk als unglaubhafte Schutzbehauptung anzusehen, ohne dass es auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung und Beweiserhebung ankommt. Auch bedarf es keines Gegenbeweises des Beklagten. So liegen die Dinge hier.

 Für überprüfbare Darlegungen eines Nachtrunks wären substantiierte und schlüssige Angaben schon bei der Unfallaufnahme, insbesondere zur Art und Menge des nach dem Unfall angeblich getrunkenen Alkohols sowie zu den sonstigen Umständen, erforderlich gewesen. Solche ergeben sich nicht aus der Mitteilung der Polizeiinspektion N… an den Beklagten vom 2. September 2017. Dass diese Mitteilung insoweit unvollständig ist, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auch im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im gerichtlichen Eil- und Hauptsacheverfahren hat er keine konkreten Angaben zu den Einzelheiten des angeblichen schockbedingten Nachtrunks gemacht, sondern diesen lediglich pauschal behauptet. Für substantiierte und schlüssige Angaben bestand im vorliegenden Fall besonderer Anlass, weil dem Kläger aufgrund der früheren Trunkenheitsfahrten hinlänglich bekannt war, welche Konsequenzen das Führen von Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss haben kann. Außerdem haben das Verwaltungsgericht und der erkennende Senat bereits in den Eilentscheidungen deutliche Zweifel an der Behauptung eines Nachtrunks geäußert. Deshalb ist der erstmals im Widerspruchssowie gerichtlichen Eilverfahren und danach auch im Hauptsacheverfahren nur pauschal geltend gemachte Nachtrunk als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Umstand, dass die Durchführung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen den Kläger nicht festgestellt werden kann. An beides ist der Beklagte nicht gebunden, da es sich hierbei nicht um Entscheidungen im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG handelt (vgl. zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO: Dauer, a.a.O., § 3 Rn. 53). Auch der Hinweis darauf, dass nur gegen die Unfallgegnerin ein Bußgeld festgesetzt wurde und deren Haftpflichtversicherung den Schaden des Klägers umfassend reguliert hat, sagt nichts darüber aus, dass der geltend gemachte Nachtrunk tatsächlich erfolgt ist.

OVG Koblenz Urt. v. 9.12.2020 – 10 A 11032/20.OVG, BeckRS 2020, 35587

 

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