Bundeskabinett beschließt Regierungsentwurf zu neuen gesetzlichen Vorgaben für den Frauenanteil in Führungspositionen (FüPoG II)

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 08.01.2021

Der vom Bundeskabinett am 6. Januar 2021 beschlossene Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ sieht u. a. eine Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in Vorständen von großen Unternehmen vor. Der Entwurf setzt die politische Einigung der Koalition vom 20. November 2020 um (hierzu mein Beitrag vom 28. November 2020); die Inhalte des im Februar 2020 bekannt gewordenen Referentenentwurfs (hierzu mein Beitrag vom 24. Februar 2020) wurden nur teilweise übernommen.

Die wichtigsten geplanten Änderungen für Unternehmen der Privatwirtschaft:

  • Mindestbeteiligung im AG- und SE-Vorstand: In Gesellschaften, die (i) über mehr als drei Vorstandsmitglieder verfügen und (ii) sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind, muss zukünftig mindestens eine Frau und ein Mann als Vorstandsmitglied bestellt werden (§ 76 Abs. 3a AktG-E, § 16 Abs. 2 SEAG-E).
  • Mindestbeteiligung in der monistischen SE: In Gesellschaften, die (i) über mehr als drei geschäftsführende Direktoren verfügen und (ii) sowohl börsennotiert als auch im Verwaltungsrat paritätisch mitbestimmt sind, muss mindestens eine Frau und ein Mann als geschäftsführender Direktor bestellt werden (§ 40 Abs. 1a SEAG-E).
  • Vorgaben für AG und SE mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes: Die bestehende Quote von jeweils mindestens 30% Männern und Frauen im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat von AG und SE (§ 96 Abs. 2 AktG, § 17 Abs. 2, § 24 Abs. 3 SEAG) sowie die neue Mindestbeteiligung im Vorstand bzw. unter den geschäftsführenden Direktoren sollen – unabhängig von Börsennotierung und Mitbestimmung – auf Gesellschaften in AG- und SE-Rechtsform erweitert werden,
    • deren Anteile mehrheitlich ​vom Bund gehalten werden oder
    • (a) deren Anteile mehrheitlich von Gesellschaften gehalten werden, deren Anteile ihrerseits zur Mehrheit vom Bund gehalten werden, und (b) die große Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB sind, oder
    • (a) deren Anteile mittelbar oder unmittelbar mehrheitlich vom Bund gehalten werden und (b) die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer haben (§ 393a AktG-E, § 52a SEAG-E).
  • Vorgaben für GmbH mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes: Eine GmbH, die die vorstehenden Beteiligungs- bzw. Größenkriterien erfüllt, soll ebenfalls der Quote von jeweils mindestens 30% Männern und Frauen im Aufsichtsrat unterliegen (§ 77a Abs. 3 GmbHG-E). Sind in einer solchen GmbH mehr als zwei Geschäftsführer bestellt, so muss sich darunter künftig mindestens eine Frau und mindestens ein Mann befinden (§ 77a Abs. 2 GmbHG-E).
  • Erweiterte Pflichten bei selbst gesetzten Zielgrößen: Die Zielgrößen, die schon aktuell z. B. für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Vorstand, in der GmbH-Geschäftsführung und in den beiden nachgeordneten Führungsebenen festzusetzen sind, sollen künftig nicht nur als Prozentzahl, sondern auch in Form einer absoluten Anzahl von Frauen angegeben werden. Soweit eine Zielgröße Null gewählt wird, soll dies zu begründen sein (§ 76 Abs. 4, § 111 Abs. 5 AktG-E, §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG-E). Hierfür sollen nach der Entwurfsbegründung im Regelfall 100-150 Wörter ausreichen.
  • Erweiterte Publikationspflichten und Sanktionen: Im Gleichschritt mit den neuen Mindestanteilen und -quoten und der Zielgröße-Null-Begründungspflicht werden die einschlägigen Teile der Erklärung zur Unternehmensführung ausgebaut (insb. § 289f Abs. 2, 4 HGB-E). Durch parallele Änderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht sollen Verletzungen vor allem bei der Publikation zu Zielgrößen wirksamer sanktioniert werden (insb. § 334 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a, S. 2, 3 HGB-E).

Die neuen Quoten und Mindestanteile sollen ab dem ersten Tag des achten Monats nach Verkündung des Gesetzes zu beachten sein. Bestehende Mandate sollen bis zum Ende wahrgenommen werden können. Die Pflicht, bei Zielgrößen-Festsetzungen auch die absolute Anzahl von Frauen anzugeben und ggf. eine Zielgröße Null zu begründen, soll für alle Festsetzungen nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes gelten. Die erweiterten Publikationspflichten sollen erstmals für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr gelten.

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3 Kommentare

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Eingriffe in das Grundrecht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb können zum Schutz höherrangiger Grundrechte gerechtfertigt sein.

Bloße politische Wunschvorstellungen und Ideologien sowie Vorstellungen von Gleichmacherei oder Proporzdenken und Quotendenken dürften meiner Einshätzung nach für die Rechtfertigung derartiger Grundrechte nicht ausreichen.

Viele Politiker möchten gerne die Welt so gestalten, wie sie ihnen gefallen würde, aber dazu sind Politiker, jedenfalls wenn sie in Grundrechte eingreifen, grundsätzlich nicht befugt.

Viele Politiker überschätzen ihre Befugnisse, oder interessieren sich nicht genug für die Grenzen ihrer Befugnisse.#

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Eingriffe in das Grundrecht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb können gerechtfertigt werden durch den Schutz höherrangiger Grundrechte.

Bloße in politischen Parteien verbreitete Idealvorstellungen oder politische Wünsche reichen zur Rechtfertigung jedoch nicht.

Manche Politiker möchten die Welt nach ihren eigenen Wunschvorstellungen umgestalten.

Dazu sind sie jedoch, wenn sie in Grundrechte eingreifen, nicht etwa kraft ihres Amtes automatisch befugt.

Leider interessieren sich manche Politiker zu wenig für die Grenzen ihrer Befugnisse.

So kommt es oft zu Mißverständnissen.

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Nun, für gesetzliche Quotierung gibt es ja Vorbilder , etwa Gesetz 25. April 1933, RGBl 1933 I 225; die Quote, damals "Anteilszahl" genannt, wurde am selben Tag in der DVO festgesetzt, ebda. S. 226. 

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