Anklage wegen § 316 StGB - Urteil nur wegen § 24a StVG > Kosten trägt die Staatskasse, wenn OWi-Bußgeldbescheid akzeptiert worden wäre

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.01.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4934 Aufrufe

Da war das LG Berlin nett: Der Beschwerdeführer war wegen Trunkenheit im Straßenverkehr angeklagt. Am Ende kam nur eine OWi-Verurteilung raus. Der Beschwerdeführer hätte einen entsprechenden Bußgeldbescheid akzeptiert. Trotzdem sollte er nicht nur die Kosten des Verfahrens tragen, sondern auch seine notwendigen Auslagen. "Falsch", meinte das LG Berlin:

 

1. Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 02. März 2020 - (324 Ds) 3024 Js 9442/19 (48/19) - wird diese insoweit abgeändert, dass die Verurteilte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat und ihre notwendigen Auslagen im gerichtlichen Verfahren der Landeskasse auferlegt werden.

 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Verurteilten fallen der Landeskasse zur Last.

 Gründe: 

 I.

 Die Verurteilte, welche wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB angeklagt worden war, wurde mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 02. März 2020 wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gem. § 24a Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt. Ihr wurden ein Fahrverbot erteilt und die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen auferlegt. Für eine Billigkeitsentscheidung nach § 465 Abs. 2 StPO hat das Amtsgericht keinen Raum gesehen, da die Verurteilte aufgrund der selben objektiven Tatumstände, wie diese in der Anklageschrift beschrieben worden sind, verurteilt wurde; dass es nur zu einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit kam, liege allein an einer anderen rechtlichen Würdigung.

 Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Berufung ein, nahm diese jedoch in der Berufungshauptverhandlung am 26. Oktober 2020 zurück.

 Gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Amtsgerichts vom 02. März 2020 wendet sich die Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde vom 03. März 2020 und beantragt, ihre notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass sie nicht wegen der angeklagten Tat - § 316 StGB -, sondern nur wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG verurteilt wurde, wobei sie sich gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid nicht gewehrt hätte, so dass aus Billigkeitsgründen die notwendigen Auslagen gem. § 465 Abs. 2 StPO der Staatskasse aufzuerlegen seien.

 II.

 Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Der Zuständigkeit der Kammer steht § 464 Abs. 3 S. 3 StPO nicht entgegen, da nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 2 StR 431/16, BeckRS 2017, 103572). Auch die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nach § 311 Abs. 2 StPO wurde gewahrt.

 Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der Staatskasse sind billigerweise die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin für das gerichtliche Verfahren aufzuerlegen, § 465 Abs. 2 S. 1, 3 StPO. Im Einzelfall können die gesamten Auslagen „besondere“ sein, wenn nämlich bei anfänglicher Begrenzung des Schuldvorwurfs auf den sich später als begründet erwiesenen Teil Auslagen überhaupt nicht entstanden wären, etwa weil der wegen eines Vergehens Angeklagte, der nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt wird, einen Bußgeldbescheid widerspruchslos hingenommen hätte (BGH, Beschluss vom 24. Januar 1973 - 3 StR 21/72, NJW 1973, 665, 667 = BGHSt 25, 109; m.w.Nw. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019 Rn. 5, StPO § 465 Rn. 5; BeckOK StPO/Niesler, 37. Ed. 01. Juli 2020, § 465 Rn. 8). Es ist davon auszugehen, dass - sofern die Sachlage noch vorgerichtlich im Sinne der Verurteilung gewürdigt worden wäre - ein Bußgeldbescheid ergangen wäre, gegen den sich die Verurteilte nicht gewendet hätte. Dass die Verurteilte in dieser Konstellation kein gerichtliches Verfahren veranlasst hätte, wird dadurch bestätigt, dass sie gegen das amtsgerichtliche Urteil keine Rechtsmittel eingelegt hat. Billigerweise ist sie damit nicht als Verursacherin ihrer notwendigen Auslagen, soweit diese das gerichtliche Verfahren betreffen, anzusehen und die Staatskasse ist insoweit zu belasten.

 III.

 Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschwerdeführerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 3 und Abs. 4 StPO.

LG Berlin Beschl. v. 13.11.2020 – 502 Qs 91/20, BeckRS 2020, 33069

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