BVerwG: Rechtswidrige Bewilligung von Sonntagsarbeit bei Amazon

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.01.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|4290 Aufrufe

Der Internet- und Versandhandel hat in der Coronazeit einen gewaltigen Aufschwung zu verzeichnen. Von Januar bis November 2020 erzielte er fast ein Viertel mehr Umsatz als im Vorjahreszeitraum. Doch was ist, wenn die Versandhändler mit der Bestellflut nicht hinterherkommen? Darf in den Logistikzentren dann auch sonntags gearbeitet werden? Nicht so ohne Weiteres, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27. Januar 2021 - 8 C 3.20, PM 8/21) jetzt entschieden.

Die Beigeladene dieses Verfahrens ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Online-Versandhändlers Amazon. Innerhalb des Konzerns ist sie mit der Ausführung der auf dessen Webseite eingehenden Bestellungen betraut. Auf ihren Antrag hin erteilte die Bezirksregierung Düsseldorf ihr eine Bewilligung zur Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern am 3. und 4. Adventssonntag 2015, weil besondere Verhältnisse dies zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erforderten. Andernfalls drohe ein Überhang von ungefähr 500 000 unbearbeiteten Bestellungen bis Weihnachten. Die Klägerin, die Gewerkschaft Verdi hält die Bewilligung für rechtswidrig. Das BVerwG hat ihr jetzt in letzter Instanz recht gegeben. Nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b ArbZG könne die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erforderten. Besondere Verhältnisse seien vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürften also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Auf solche innerbetrieblichen Umstände sei aber der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zurückzuführen. Ursächlich sei nicht schon der saisonbedingt erhöhte Auftragseingang gewesen. Die Lieferengpässe seien vielmehr maßgeblich durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2015 eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt worden. Deshalb sei nicht zu entscheiden, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstellt, die die Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen könne.

Das Echo auf diese Entscheidung ist – wie zu erwarten war – kontrovers: „Den Kunden einfach Versprechungen zu machen, die nur durch illegale Sonntagsarbeit eingehalten werden können – das ist schon oberdreist“, sagte das für den Handel zuständige Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger dem Handelsblatt. Amazon habe offenbar seine Profitinteressen über das Grundgesetz stellen wollen, das den Sonntag als arbeitsfreien Tag schütze. Kritik kam vom Bundesverband Onlinehandel: „Wir brauchen in Deutschland dringend eine höhere Flexibilität in den Öffnungs- und Arbeitszeiten im Handel“, sagte Verbandspräsident Oliver Prothmann dem Handelsblatt. Der Verbraucher müsse entscheiden dürfen, wann eingekauft werde, und nicht die Gewerkschaften.

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