Zweifel an der Zulässigkeit an der geplanten europäischen Mindestlohnregelung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.02.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|2106 Aufrufe

Die Kommission hat bekanntlich im Herbst vergangenen Jahres den Vorschlag einer EU-Richtlinie vorgelegt, mit der nach eigenen Worten sichergestellt werden soll, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Union durch angemessene Mindestlöhne geschützt werden, die ihnen am Ort ihrer Arbeit einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen. Der Vorschlag wird auf Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) über Arbeitsbedingungen gestützt. Er folgt einer zweistufigen Konsultation der Sozialpartner gemäß Artikel 154 AEUV und wird im nächsten Schritt dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Billigung vorgelegt. Mittlerweile ist die Diskussion über den Vorschlag in Gang gekommen. Vielen geht er nicht weit genug, verzichtet er doch auf einen alle Mitgliedstaaten verpflichtenden Mindestlohn. Vielmehr beschränkt sich der Vorschlag auf Kriterien für die Festlegung solcher Mindestlöhne. Allerdings begegnet er auch in dieser abgeschwächten Form erheblichen Bedenken, die vor allem die rechtliche Grundlage in Zweifel ziehen. Nach einem Bericht der FAZ kommt ein von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten des Münchner Arbeitsrechtsprofessor Martin Franzen zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie – sollte sie in der derzeitigen Gestalt – beschlossen werden, nicht von Art. 153 AEUV gedeckt wäre. Dessen Abs. 5 lautet: „Dieser Artikel gilt nicht für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht.“ Die Richtlinie enthalte nämlich, so das Gutachten, Regelungen zum Arbeitsentgelt. Dafür genüge es, dass die Kommission den Mitgliedstaaten Vorgaben mache, wann der Mindestlohn angemessen sei. Auch die von der Richtlinie bezweckte Förderung von Tarifvertragsverhandlungen sei auf der gewählten Rechtsgrundlage nicht möglich. Die BDA sieht sich damit in der Kritik an diesem Vorhaben bestätigt. „Brüssel marschiert in die Mindestlohnsackgasse“ twittert der Hauptgeschäftsführer, Steffan Kampeter. „Statt einer Stärkung der Tarifautonomie wird es Rechtsunsicherheit, Klagen und Frust geben.“ Man darf gespannt sein, wie der Rechtssetzungsprozess auf europäischer Ebene weiter verläuft und ob der EuGH sich schlussendlich zur Vertragsrechtskonformität äußern wird.

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