Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen? – LG Hamburg, 18.01.2021 (Az.: 608 Qs 18/20)

von Markus Meißner, veröffentlicht am 05.02.2021
Rechtsgebiete: StrafrechtCorona|3409 Aufrufe

Im Rahmen der ersten „Corona-Welle“ im Frühjahr 2020 haben sowohl der Bund als auch die einzelnen Länder milliardenschwere Corona-Hilfspakte für kleine Unternehmen und Soloselbständige aufgesetzt. Erklärtes Ziel war es, unbürokratisch existenzielle Liquiditätsengpässe abzufedern. Die Maßnahmen waren „schnell gestrickt“, die Folge waren zum Teil erhebliche Verunsicherungen hinsichtlich der Anspruchsberechtigung und sich innerhalb zum Teil nur kurzer Zeit mehrfach ändernde Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Frage, ob Privatvermögen im Rahmen der unternehmenrischen "Liquiditätsbetrachtung" mit einzubeziehen ist oder nicht.[1] Aktuell, knapp 1 Jahr später, ist die Strafjustiz nunmehr mit einer Reihe von Verfahren befasst, in denen dem Antragsteller vorgeworfen wird, seinerzeit entweder gar nicht anspruchsberechtigt gewesen zu sein oder aber die materiellen Anspruchsvoraussetzungen ("Liquiditätsengpass") nicht erfüllt zu haben.

In strafrechtlicher Hinsicht stellt sich hierbei die Frage, ob ein solches Verhalten den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) oder abern den Tatbestand des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) als lex specialis erfüllt. Hierzu hat sich nunmehr das Landgericht Hamburg in einer aktuellen Entscheidung vom 18.01.2021 (608 Qs 18/20) geäußert.[2]

Zentrale Vorschrift ist § 264 Abs. 9 StGB, die folgenden Wortlaut hat:

Subventionserheblich im Sinne des Absatzes 1 sind Tatsachen,

  1. die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder
  2. von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist.

Zum Sachverhalt:

A. stellt – per Online-Formular – bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank im April 2020 einen Antrag auf Corona-Soforthilfen, die bereits wenige Tage später in einer Gesamthöhe von 11.500,00 € auch bewillig und auf das Konto des A. ausgezahlt werden.

Die Staatsanwaltschaft in Hamburg legt dem A. nunmehr zur Last, die o.g. Festsetzung und Auszahlung zu Unrecht erwirkt zu haben, da er in dem Antrag falsche Angaben u.a. zur Anspruchsvoraussetzung eines „Liquiditätsengpasses“ gemacht hätte. Sie erhebt Anklage wegen Betrugs (§ 263 StGB) bei dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg. Ein Subventionsbetrug (§ 264 StGB) würde nach staatsanwaltschaftlicher Auffassung nicht vorliegen, da es – entgegen der gesetzlichen Voraussetzungen in § 264 Abs. 9 StGB – an einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen in dem online-Formular gefehlt hätte. Dort sei nämlich lediglich am Ende des Antrags auf verschiedene Ziffern in dem Antrag verwiesen worden, bei denen es sich um subventionserhebliche Tatsachen handeln solle. Bei einer der in Bezug genommenen Ziffern sei jedoch lediglich die Bankverbindung des Antragstellers abgefragt worden – eine, worauf die Staatsanwaltschaft hinweist, „offenkundig nicht subventionserhebliche Tatsache“. Eine derartige „pauschale und ungenaue“ Formulierung würde der geforderten hinreichend konkreten Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen nicht gerecht werden.

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg teilt diese Rechtsauffassung nicht und erklärt sich per Beschluss für örtlich unzuständig, da aufgrund des im Raum stehenden Subventionsbetrugs eine Sonderzuständigkeit beim Amtsgericht Hamburg gegeben sei. Die Staatsanwaltschaft legt gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde ein, über die nunmehr das Landgericht Hamburg zu entscheiden hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Landegericht Hamburg verwirft die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet, da ein hinreichender Tatverdacht des Subventionsbetrugs zu bejahen sei und das Amtsgericht Hamburg-St. Georgen sich daher zu Recht für örtlich unzuständig erklärt habe. Die  bewilligten und ausgezahlten Corona-Soforthilfen würden eine Subvention i.S.d. § 264 Abs. 8 StGB darstellen. Die subventionserheblichen Tatsachen seien gem. § 264 Abs. 9 Nr. 1 2. Alt. StGB „aufgrund eines Gesetzes durch den Subventionsgeber“ wirksam bestimmt worden.

Hierzu führte das Landgericht u.a. aus, dass

  • die Verweisung auf bestimmte Ziffern des Antrags ausreichend klar und konkret gewesen sei, um dem Antragsteller deutlich vor Augen zu führen, welcher Punkt als subventionserheblich bezeichnet wird und welche Risiken er mit den unrichtigen oder unvollständigen Angaben eingeht
  • es unschädlich sei, wenn in der Erklärung zur Subventionserheblichkeit auch nicht subventionserhebliche Tatsachen ((hier: die angegebene Bankverbindung des Antragstellers) angeführt werden.
  • der hinreichend konkreten Bestimmung der subventionserheblichen Tatsachen insbesondere nicht entgegensteht, wenn im Falle eines knapp gehaltenen Antragsformulars, welches sich auf die Abfrage der wesentlichen Informationen beschränkt, in einem Verweis zur Subventionserheblichkeit auf nahezu alle Punkte des Antrags Bezug genommen wird.

Zusammengefasst heißt es in der Entscheidung (a.a.O.):

§ 264 StGB verlagert die Strafbarkeit im Bereich der Subventionskriminalität erheblich vor, da bereits die Täuschungshandlung allein pönalisiert ist, ohne dass es zu einem Schaden kommen muss (vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 4, 6). Der potentielle Täter darf deshalb nicht lediglich generell darauf hingewiesen werden, dass die Behörde an seinen Angaben interessiert ist. Sein Augenmerk soll vielmehr gerade auf bestimmte Tatsachen gelenkt werden, deren richtige und vollständige Beurteilung die zweckentsprechende Verwendung öffentlicher Mittel sicherstellen. Erforderlich sind deshalb klare und unmissverständliche, auf den konkreten Fall bezogene Angaben. Dass sich die Subventionserheblichkeit lediglich aus dem Zusammenhang ergibt, genügt nicht. Ebenso reichen pauschale oder formelhafte Bezeichnungen nicht aus (BGH, Urteil vom 11.11.1998, 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gerade keine pauschale Bezeichnung (wie bspw. in dem Antragsformular des Landes Niedersachsen: „Mir ist bekannt, dass alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärungen) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich … sind“, vgl. dazu Schmuck/Hecken/Tümmler, aaO, 676) erfolgte, sondern auf einzelne Punkte des online-Antrags konkret verwiesen wurde. Dem entsprechend wird bspw. für den ähnlich konzipierten Antrag der Investitionsbank Schleswig-Holstein (dort heißt es: „Mir ist bekannt, dass es sich bei den Angaben zu Ziffer 1., 4., 5. und 6. um subventionserhebliche Tatsachen … handelt“) auch eine hinreichend konkrete Benennung der subventionserheblichen Tatsachen angenommen (Rau/Sleimann, aaO, 375 vgl. zum Ganzen auch Burgert, aaO, 185, Schmuck/Hecken/Tümmler, aaO, 673, 677 zum Antragsformular in Sachsen-Anhalt).

Auch nach dem Sinn und Zweck, welcher mit der Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erreicht werden soll, erscheint die vorliegend erfolgte Bezeichnung noch ausreichend. Der Beschuldigte wurde nicht lediglich generell darauf hingewiesen, dass die Behörde an seinen Angaben interessiert ist. Sein Augenmerk wurde vielmehr gerade auf bestimmte (sich in dem online-Antrag unter den bezeichneten Nummern befindenden) Tatsachen gelenkt. 

 

[1] vgl. https://www.sueddeutsche.de/bayern/coronavirus-bayern-soforthilfe-untern... https://www.br.de/nachrichten/bayern/corona-unsicherheit-wegen-soforthil...

[2] https://openjur.de/u/2316824.html

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