Änderungskündigung und Homeoffice als Alternative

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.02.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|2603 Aufrufe

Eine neuere Entscheidung des ArbG Berlin (10.08.2020 – 19 Ca 13189/19, BeckRS 2020, 38153) befasst sich mit der Frage, ob die Möglichkeit, die geschuldete Arbeit im Homeoffice zu erbringen, einer auf die Änderung des Arbeitsorts zielenden Änderungskündigung entgegensteht. In diesem Fall ging es um eine geplante Schließung einer Filiale des Unternehmens in Berlin, in der die klagende Vertriebsassistentin bislang tätig war. Im Herbst 2019 kündigte die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgemäß und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Arbeitsort in W. an. Das ArbG Berlin gab der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage statt. In den Entscheidungsgründen hierzu heißt es: „Die Beklagte musste sich aber bei der Änderung der Arbeitsbedingungen auf das Maß beschränken, dass für die Durchsetzung der unternehmerischen Entscheidung unabdingbar ist. Vorliegend hätte die Änderung der Arbeitsbedingungen auch darin bestehen können, dass die Klägerin ihre Tätigkeit von zu Hause erbringt. Zwar besteht kein grundsätzlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf einen solchen häuslichen Arbeitsplatz. Maßgeblich sind immer sämtliche Umstände des Einzelfalls. Vorliegend ist zu beachten, dass die Beklagte auch auf den gerichtlichen Hinweis … nicht dargelegt hat, warum eine physische Präsenz der Klägerin am Standort W. zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben notwendig ist. Vielmehr hat die Klägerin substantiiert dargelegt, dass ihre Tätigkeit insoweit digitalisiert ist, dass sie sie auch von zu Hause aus erbringen könnte. Die hierfür notwendige technische Infrastruktur ist im Hause der Klägerin ganz offensichtlich auch vorhanden, da ihr Ehemann bereits mit dieser arbeitet. … Seitens der Beklagten kam daraufhin nur der Hinweis, dass es nicht der unternehmerischen Entscheidung entspräche. Diese unternehmerische Entscheidung kann jedoch nicht der gerichtlichen Entscheidung ungeprüft zu Grunde gelegt werden. Die unternehmerische Entscheidung besteht darin, den Standort B. zu schließen. Welches die konkreten Folgerungen daraus sind, ist vom Gericht zu überprüfen. Dabei hat sich die Beklagte auf das mildeste Mittel zu beschränken. Dies besteht vorliegend darin, die Klägerin von zu Hause arbeiten zu lassen. Dass dies der Beklagten nicht fremd ist, zeigt, dass es bereits eine kollektivrechtliche Vereinbarung hierzu gibt. … Angesichts der nunmehr deutlich stärker erfolgten Verbreitung elektronischen Arbeitens von zu Hause aus durch die Corona-Krise erscheint das Verhalten der Beklagten als aus der Zeit gefallen und letztlich willkürlich.“

 

 

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