BGH zu erfolglosem Schmuggelversuch in eine JVA unter Mitwirkung eines JVA-Bediensteten

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 13.02.2021

Der BGH hat diese Woche eine interessante Entscheidung zu einem erfolglosen Schmuggelversuch in eine JVA unter Mitwirkung eines JVA-Bediensteten veröffentlicht (BGH, Urt. v. 18.11.2020 – 2 StR 317/19, BeckRS 2020, 41115).

Was war geschehen: Der Angeklagte H. war als Mitarbeiter eines einer Justizvollzugsanstalt angegliederten Bildungswerks in dieser Justizvollzugsanstalt tätig (ich nenne ihn zum besseren Verständnis "JVA-Mitarbeiter"), unter anderem als Ausbilder des dort inhaftierten Y (ihn nenne ich den "Inhaftierten"). Der JVA-Mitarbeiter hatte im Hinblick auf seine Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt eine besondere Verpflichtungserklärung für den öffentlichen Dienst abgegeben.

Der Inhaftierte vereinbarte mit dem Anklagten B. (nennen wir ihn "Schmuggler 1"), ihm drei Handys, elektronisches Zubehör und Dopingmittel über den JVA-Mitarbeiter in die Haftanstalt einzuschmuggeln. Hierzu verpackte Schmuggler 1 diese Sachen in einem präparierten Buch, welche der Angeklagte K. (= "Schmuggler 2") auf dem Parkplatz eines Baumarktes an den JVA-Mitarbeiter übergab. Schmuggler 2 hatte noch einen Beutel mit 34,52 g des synthetischen Cannabinoids MDMB-CHMICA sowie 26,62 g Haschisch beigelegt. Als Gegenleistung erhielt der JVA-Mitarbeiter von Schmuggler 2 einen „Botenlohn“ i.H.v. 50 Euro (ursprünglich waren 200 Euro vereinbart). Weiter kam die Sache nicht, denn die Übergabe wurde polizeilich observiert.

Urteil des Landgerichts: Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den JVA-Mitarbeiter wegen Vorteilsannahme zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung; es hat die Entgegennahme der 50 € Bargeld als Vorteilsannahme bzw. deren Hingabe als Gegenleistung für das Einbringen der für den Inhaftierten bestimmten Gegenstände in die Justizvollzugsanstalt als gemeinschaftlich begangene Vorteilsgewährung gewertet,

- den Inhaftierten wegen gemeinschaftlich begangener Vorteilsgewährung sowie den Schmuggler 1 u.a. wegen gemeinschaftlich begangener Vorteilsgewährung in Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und fünf Monaten,

- den Schmuggler 2 u.a. wegen gemeinschaftlich begangener Vorteilsgewährung in Tateinheit mit „unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln im besonders schweren Fall“ und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.

Reaktion der Staatsanwaltschaft: Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen das Urteil ein und begehrte eine Verurteilung der Angeklagten nicht nur wegen Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme, sondern wegen Bestechung/Bestechlichkeit.

Entscheidung des BGH: Der BGH hob das Urteil auf. Zum einen sei die Verurteilung wegen Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung rechtsfehlerhaft, da der JVA-Mitarbeiter wegen Bestechlichkeit und die übrigen Angeklagten wegen Bestechung hätten verurteilt werden müssen. Zum anderen liege keine vollendete Abgabe von Betäubungsmitteln vor, da diese nicht vollendet worden sei:

Der BGH zur Bestechung/Bestechlichkeit:

„Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht die Angeklagten nicht wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) bzw. wegen Bestechung (§§ 334, 25 Abs. 2 StGB) verurteilt hat.

1. Der Angeklagte H. (Anm.: der JVA-Mitarbeiter) war möglicher Täter einer Bestechung. Als Ausbilder von Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt war er für eine Stelle tätig, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Wenn er als Mitarbeiter eines „der Justizvollzugsanstalt T. angegliederten Bildungswerks“, zu dem das Landgericht keinen näheren Feststellungen getroffen hat, nicht schon Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB war, so war er doch ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Das Landgericht hat sich auf tragfähiger Grundlage davon überzeugt, dass die nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974, BGBl. I, S. 469, 547; VerpflG) vom Zeugen Be. am 20. Februar 2006 mündlich vorgenommene Verpflichtung des Angeklagten H. auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten - unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen eines Pflichtverstoßes, § 1 Abs. 2 VerpflG -, über die auch eine von diesem unterzeichnete und entgegengenommene Niederschrift gefertigt wurde (vgl. § 1 Abs. 3 VerpflG), nicht unwirksam war.

2. Dem Angeklagten H. (Anm.: JVA-Mitarbeiter) wurde nach den Feststellungen ein von diesem angenommener Vorteil (50 €) als Gegenleistung dafür gewährt, dass er eine Diensthandlung vornehmen und dadurch seine Dienstpflichten verletzen werde.

a) Eine Diensthandlung im Sinne der §§ 332, 334 StGB ist ein konkretes Verhalten im Rahmen der Dienstausübung (vgl. MüKo-StGB/Korte, 3. Aufl., § 332 Rn. 7). Demgegenüber ist unter Dienstausübung (im Sinne der §§ 331, 333 StGB) die Gesamtheit der Tätigkeiten zu verstehen, die ein Amtsträger oder besonders Verpflichteter zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben entfaltet, mithin die Diensthandlungen im Allgemeinen (MüKo-StGB/Korte, aaO, § 331 Rn. 106). Die Begriffe der Dienstausübung und der Diensthandlung unterscheiden sich lediglich durch den Grad ihrer Konkretisierung. …

b) Dienstlich ist jede Tätigkeit, die nicht nur „bei Gelegenheit“ der Dienstausübung begangen wird und nicht allein privaten Zwecken dient, sondern die zum allgemeinen Aufgabenbereich gehört oder damit in unmittelbarem Zusammenhang steht, nach objektiven Gesichtspunkten äußerlich als Diensthandlung erscheint und von dem Willen getragen ist, dienstliche Aufgaben zu erfüllen (BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - 2 StR 371/02, BGHSt 48, 213). Eine Diensthandlung liegt jedenfalls dann vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2018 - 5 StR 566/17, NJW 2018, 1767 Rn. 9 mwN). Auch das Unterlassen einer nach den dienstlichen Verpflichtungen gebotenen Handlung kann eine Diensthandlung darstellen (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 267/97, NStZ 1998, 194). Eine pflichtwidrige Diensthandlung im Sinne des § 332 StGB begeht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darüber hinaus nicht nur derjenige, der eine Tätigkeit vornimmt, die an sich in den Kreis seiner Amtspflichten fällt, sondern auch, wer seine amtliche Stellung dazu missbraucht, eine durch die Dienstvorschriften verbotene Handlung vorzunehmen, die ihm gerade seine amtliche Stellung ermöglicht. Ein solcher Missbrauch ist keine Privattätigkeit, sondern eine pflichtwidrige Amtshandlung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1986 - 5 StR 244/86, NStZ 1987, 326, 327; MüKo-StGB/Korte, aaO, § 332 Rn. 11 jeweils mwN).

 c) Gemessen hieran erweist sich die Annahme des Landgerichts, der gewährte und angenommene Vorteil (50 €) sei keine Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung, als rechtsfehlerhaft. Der Angeklagte H. betrat die Justizvollzugsanstalt nicht als Privatmann oder allein zu privaten Zwecken, sondern als der sodann in der Justizvollzugsanstalt tätige Ausbilder; Betreten der und Ausbilden in der Justizvollzugsanstalt stehen in einem untrennbaren räumlichen und sachlichen Zusammenhang. Gerade diesen Umstand wollten sich die Angeklagten für das Einbringen der für den dort in Strafhaft befindlichen Angeklagten Y. bestimmten Gegenstände zunutze machen. Dass er hierbei auch gegen seine Verpflichtungen verstieß, keine Gegenstände für Strafgefangene in die Justizvollzugsanstalt zu schmuggeln, liegt auf der Hand. Überdies hat das Landgericht die Belehrung des Angeklagten H. hierüber rechtsfehlerfrei festgestellt. …“ (es folgen Ausführungen zum Vorsatz)

Der BGH zur Abgabe von Betäubungsmitteln:

„Hinsichtlich des Angeklagten K. (Anm.: Schmuggler 2) belegen die Feststellungen lediglich den Versuch der Abgabe von Betäubungsmitteln. Die Tat war nicht bereits mit deren Übergabe an den Angeklagten H. (Anm.: JVA-Mitarbeiter) vollendet.

a) Abgabe im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 1998 - 4 StR 403/98, NStZ-RR 1999, 89; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 866; Weber, BtMG, 5. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1113 jeweils mwN). Vollendet ist die Abgabe mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt; die Vollendung setzt damit - wie die Veräußerung und das Inverkehrbringen - einen Besitzwechsel voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 124/13 [zu § 95 Abs. 1 Nr. 5 AMG]; Weber, aaO, Rn. 1123). Bei der Einschaltung eines Boten zur Übergabe von Betäubungsmitteln ist die Tat regelmäßig erst vollendet, wenn der Empfänger diese erhält. Der Bote übt lediglich für den Übergebenden oder für den Empfänger die tatsächliche Gewalt aus, er hat als solcher keine eigene Verfügungsmacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2002 - 3 StR 469/01; vom 17. Oktober 2006 - 3 StR 381/06; OLG München, StV 2015, 644; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, aaO, Rn. 888; BeckOK-BtMG/Barrot, 9. Ed., BtMG § 29 Rn. 315).

b) Ausgehend hiervon wird die Annahme einer bereits vollendeten Abgabe von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Denn nach ihnen war der Angeklagte H. lediglich als Bote des Angeklagten Y. eingesetzt, der dazu angehalten war, die Betäubungsmittel dem Empfänger in der Haftanstalt zu übergeben. Zu einer Übergabe an den inhaftierten Angeklagten Y. kam es wegen der zuvor erfolgten Festnahme des Angeklagten H. nicht. Die Übergabe der Drogen an den Angeklagten H. führte auch nicht zu einer grundsätzlich möglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 StR 136/18 mwN) Besitzvermittlung für den Angeklagten Y., da dieser als Insasse der Justizvollzugsanstalt keine tatsächliche Gewalt ausüben konnte (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., BtMG § 29 Teil 8 Rn. 14 mwN).

c) Belegt ist indes der mit der Festnahme des Angeklagten H. fehlgeschlagene Versuch einer Abgabe (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BtMG), zu dem der Angeklagte K. mit Übergabe der Drogen unmittelbar ansetzte.“

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