Immer wieder Gesamtstrafenbildung!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.02.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3895 Aufrufe

Übersehene Gesamtstrafenfähigkeit von Voreintragungen ist ein Revisionsklassiker. Hier etwa hatte der BGH einen solchen Fall vorliegen. Das LG hatte eine Voreintragung in die Gesamtstrafenbildung einfließen lassen, hinsichtlich einer anderen aber wohl nicht ausreichend geprüft:

 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. Juli 2020 im Ausspruch über die
Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; die Feststellungen bleiben
bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des
Amtsgerichts Leer vom 2. April 2020 festgesetzten Einzelstrafen nach Auflösung
der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
und vier Monaten verurteilt. Es hat des Weiteren die Einziehung des Wertes von
Taterträgen angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechs gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Die Überprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge hat mit Ausnahme der Gesamtstrafenbildung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
Diese erweist sich als rechtsfehlerhaft, denn aus den bisherigen Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob die Voraussetzungen
des § 55 Abs. 1 StGB vorgelegen haben.
Der Angeklagte hat die hier abgeurteilte Tat zwischen zwei möglicherweise ihrerseits untereinander gesamtstrafenfähigen Vorverurteilungen begangen. Eine Gesamtstrafenfähigkeit der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Leer
vom 22. Januar 2020 festgesetzten Geldstrafe und der durch das Landgericht
einbezogenen Strafen aus dem Erkenntnis vom 2. April 2020 käme dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der letztgenannten Verurteilung der Strafbefehl vom
22. Januar 2020 bereits rechtskräftig und noch nicht vollstreckt gewesen wäre.
Hierzu hat das Landgericht bislang keine Feststellungen getroffen.

Sollten die beiden Vorverurteilungen gesamtstrafenfähig sein, wäre eine
nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit der hier abgeurteilten Tat nicht möglich.
Insoweit gilt: Wurde zwar die eine neue Strafe nach sich ziehende Tat vor einer
rechtskräftigen Vorverurteilung begangen, lag dieser aber eine Tat zugrunde, die
wiederum vor einer (nicht erledigten) vorausgegangenen Vorverurteilung begangen wurde, hat die zeitlich erste Entscheidung ihrerseits Zäsurwirkung, nicht hingegen die zweite. Das spätere Erkenntnis hat gesamtstrafenrechtlich keine
eigenständige Bedeutung; denn es wäre nicht ergangen, wenn mit dem früheren
Erkenntnis die Taten aus beiden Entscheidungen geahndet worden wären (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. November 2020 - 3 StR 360/20, juris Rn. 17 mwN).

Durch die vom Landgericht vorgenommene nachträgliche Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe ist der Angeklagte beschwert, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Geldstrafen aus den Verurteilungen vom 22. Januar 2020 und
2. April 2020 zu einer Gesamtgeldstrafe zusammengeführt werden.
Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Ergänzende Feststellungen sind möglich, dürfen den bisherigen jedoch nicht widersprechen.

 

BGH, Beschl. v. 13.1.2021 - 3 StR 444/20

 

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