Wer trägt die notwendigen Auslagen nach Einstellung wegen Verjährung?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.03.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4436 Aufrufe

Wird wegen Verjährung eingestelltso will die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten/Betroffenen eigentlich nie tragen. Meist stht in den entsprechenden Beschlüssen drin, die notwendigen Auslagen seien nicht von der Staatskasse zu tragen, weil ja der Betroffene/Angeklagte ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre. Das ist natürlich eine bestechend einfache, oft aber auch falsche Argumentation. Geregelt ist das alles in § 467 StPO. Der sieht erst einmal in § 467 Abs. 1  StPO grundsätzlich eine Übernahme durch die Staatskasse vor. Die (zu begründende) Ausnahme hiervon ist dann in Abs. 3 geregelt.

 

§ 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung (1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last. (2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt. (3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er   1. die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder 2. wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. (4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen. (5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.
     

Nun hatte das LG Köln einen Fall aus diesem Bereich und hat die Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Beschlusses kassiert, in dem (wie üblich) das Regel/Ausnahme-Verhältnis verdreht worden war:

 

 

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 27.01.2021 hinsichtlich der Kostenentscheidung, in welcher davon abgesehen wurde, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Staatskasse trägt auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen die getroffene Kostenentscheidung ist gemäß §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 206a Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG zulässig und in der Sache begründet.

Zwar kann grundsätzlich gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Diese Voraussetzung ist angesichts der Angaben des Betroffenen im Anhörungsbogen vom 16.06.2020 (BI. 6 d. Bußgeldakte) erfüllt. Allerdings handelt es sich bei § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO um eine zu begründende Ermessensentscheidung, wobei erkennbar sein muss, dass sich das Gericht des Ausnahmecharakters der Norm bewusst ist (Meyer-Goßner, 63. Aufl. 2020, § 467 Rz. 16a-18 m. w. N.). Dass das Amtsgericht diesen Anforderungen nachgekommen ist, ist aus dem angegriffenen Beschluss nicht ersichtlich. Die Kammer hat jedoch davon abgesehen den Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Denn weitere ungeschriebene Voraussetzung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO ist, dass weitere Gründe hinzutreten müssen, die eine Überbürdung der Kosten auf die Staatskasse als unbillig erscheinen lassen, wie z. B. die Herbeiführung des Verfahrenshindernisses durch den Betroffenen etc. Bei Beachtung dieser Grundsätze ist § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur in seltenen Ausnahmefällen anwendbar, was dem Willen des Gesetzgebers entspricht (Meyer-Goßner, a. a. 0.). Solche weiteren Gründe ergeben sich hier nicht aus dem Akteninhalt, so dass das Amtsgericht bei einer Zurückverweisung auch zu keiner anderen Entscheidung kommen könnte. Das Entstehen des Verfahrenshindernisses (Verfolgungsverjährung) beruhte hier allein darauf, dass die Akten nicht innerhalb der Frist des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG beim Amtsgericht eingegangen waren.

 

LG Köln, Beschluss vom 19.02.2021 - 120 Qs 16/21, BeckRS 2021, 3087

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