KITA / SCHULE „Du darfst hier nicht rein“

von Sibylle Schwarz, veröffentlicht am 25.03.2021
Rechtsgebiete: BildungsrechtCorona2|4965 Aufrufe

Besprochene Gerichtentscheidungen (hier nach Erscheinungsdatum):

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 -, Rn. 1-17

Die Beschwerdeführer (Eltern und einjährige Kinder) wenden sich mit ihren mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerden gegen die Regelung, die unter anderem vorsieht, „dass Kinder, die in einer Kindertagesstätte oder in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 IfSG), sofern sie nicht aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG). Ferner muss vor Beginn ihrer Betreuung ein entsprechender Nachweis vorgelegt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG).“

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Januar 2021, 1 Bs 237/20

Die Antragsteller wenden sich gegen die Verpflichtung des Antragstellers zu 1 (12. Klasse), im Schulunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, und das damit verbundene Verbot, ohne Maske das Schulgelände zu betreten.

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21

Die Antragstellerinnen (zu 1 besucht Förderschule und zu 2 besucht siebte Klasse einer Oberschule) verfolgen mit ihrem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO das Ziel,

„§ 5a (5) Ab dem 15. März 2021 ist Personen, mit Ausnahme von Schülerinnen und Schülern der Primarstufe, der Zutritt zum Gelände von Schulen untersagt, wenn sie nicht durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen Test auf das Coronavirus SARSCoV-2 mit negativem Testergebnis nachweisen, dass keine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht. …“

der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARSCoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSch-VO) vom 5. März 2021 (SächsGVBl. S. 287) einstweilen außer Vollzug zu setzen.

 

„Du darfst hier nur rein, wenn …“

Nur Kinder, die einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen, dürfen in einer Kita betreut werden.

Nur wer eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, darf das Schulgelände / die Schule betreten.

Nur wer durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen Test auf das Coronavirus SARSCoV-2 mit negativem Testergebnis nachweisen kann, dass keine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht, darf das Schulgelände / die Schule betreten.

 

 

Im Folgenden werden die tragenden Erwägungen der Gerichte dargestellt:

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Januar 2021, 1 Bs 237/20

Was geschah:

„…der Antragsteller zu 1 dürfe ohne ärztliches Attest das Schulgelände nicht ohne Maske betreten.

Mit Schreiben an die Schulleiterin vom 23. Oktober 2020 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragsteller gegen das am 22. Oktober 2020 ausgesprochene „unbefristete Verbot“, die Schule ohne Maske zu betreten. Der „unbefristete Ausschluss vom Unterricht“ sei rechtswidrig.

Am 28. Oktober 2020 erschien der Antragsteller zu 1 mit einer Maske in der Schule, nahm diese jedoch im Unterricht ab und weigerte sich, die Maske während des Unterrichts zu tragen. Daraufhin verwies ihn der Abteilungsleiter der Sekundarstufe II des Unterrichts und wies ihn darauf hin, dass die Fehlzeit unentschuldigt sei. …“

 

Verfahrensgang:

„Am 2. November 2020 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Hamburg um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Die Antragsteller haben beantragt, [unter anderem] die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Oktober 2020 gegen die Verfügung der Stadtteilschule festzustellen, hilfsweise wiederherzustellen oder anzuordnen, …

Mit Beschluss vom 27. November 2020 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. …

Die Antragsteller haben am 14. Dezember Beschwerde erhoben, die sie am 30. Dezember 2020 begründet haben. …“

 

Entscheidung des OVG:

„Die – auf die Ablehnung der im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträge zu 1 und 2 beschränkte – Beschwerde hat Erfolg.

Die Antragsteller haben mit ihrem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung das Beschwerdegericht zunächst grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), den Beschluss des Verwaltungsgerichts in seiner tragenden Erwägung erschüttert, die Frage der Rechtmäßigkeit des Hausverbots sei offen, so dass eine Folgenabwägung vorzunehmen sei. … Es erscheine „fraglich, ob es hierfür nicht jedenfalls einer rechtlichen Regelung im Rahmen einer Rechtsverordnung bedarf“. Diese Frage beantwortet das Verwaltungsgericht jedoch nicht, sondern leitet sodann ohne weiteres in eine Folgenabwägung über. …

1. Der Antrag zu 1. ist als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 27. Oktober 2020 zulässig. … ergibt sich nach objektivem Empfängerhorizont, dass die Schulleiterin dem Antragsteller zu 1 bis auf Weiteres das Betreten des Schulgeländes und die Teilnahme am Unterricht untersagt hat, wenn er dabei keine Maske trägt. …

2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO ist auch begründet. …

Zwar hat der beschließende Senat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Maskenpflicht an den Schulen während der Schulzeit (hierzu unten a). Es ist jedoch (derzeit) keine Rechtsgrundlage ersichtlich, welche die Schulleiterin oder den Schulleiter zu einem auf unbestimmte Zeit ausgesprochenen Unterrichtsausschluss berechtigt, solange sich ein Schüler weigert, der Maskenpflicht im Unterricht nachzukommen (hierzu unten b).

a) …

 

b) Derzeit fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Grundlage für den auf unbestimmte Zeit andauernden Unterrichtsausschluss einer Schülerin oder eines Schülers, die oder der sich wie der Antragsteller zu 1 weigert, der Maskenpflicht nachzukommen. …

Der Ausschluss einer Schülerin oder eines Schülers vom Unterricht ist ein belastender Verwaltungsakt, der in deren bzw. dessen Recht auf Bildung eingreift. Er betrifft nicht lediglich die interne Ordnung in der Schule (sog. „Betriebsverhältnis“), sondern trifft eine Regelung, die nach ihrer Zielrichtung und Intensität das Verhältnis des Schülers zu seiner Schule in rechtlich relevanter Weise inhaltlich gestaltet … Nach dem Vorbehalt des Gesetzes bedarf er deshalb einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage …

 

aa) Der Unterrichtsausschluss des Antragstellers zu 1 kann nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden. Denn weder die Behörde für Schule und Berufsbildung noch die Schulleiterinnen und Schulleiter der Schulen sind zuständige Behörden im Sinne dieser Vorschrift. … grundsätzliche Zuständigkeit der Bezirksämter für die Durchführung des IfSG vor.

bb) Auch die Hamburgische Sars-Cov-2-Eindämmungsverordnung sieht keine Rechtsgrundlage für einen auf die Verletzung der Maskenpflicht gestützten Unterrichtsausschluss vor: …

cc) Unabhängig davon, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 EindämmungsVO die Behörde für Schule und Berufsbildung bzw. die Schulen nicht zu einem Unterrichtsausschluss wegen Verletzung einer Maskenpflicht ermächtigt, enthält der geltende Muster-Corona-Hygieneplan auch keine entsprechende Regelung. …

dd) Das Schulgesetz regelt Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in § 49 HmbSG. Auch auf § 49 HmbSG lässt sich ein für die (unbestimmte) Dauer eines Verstoßes gegen die Maskenpflicht angeordneter Unterrichtsausschluss jedoch nicht stützen. …

Nach § 49 Abs. 4 Nr. 2 HmbSG kann in den Sekundarstufen I und II zur Sicherung der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule oder zum Schutz beteiligter Personen die Ordnungsmaßnahme des Ausschlusses vom Unterricht für einen bis höchstens zehn Unterrichtstage getroffen werden. Diese Vorschrift ermächtigt demnach bereits in der Rechtsfolge nicht zu einem zeitlich unbefristeten Ausschluss eines Schülers vom Unterricht. Außerdem ermächtigt sie grundsätzlich nicht die Schulleiterin oder den Schulleiter zum Erlass einer solchen Maßnahme: Zuständig ist vielmehr nach § 49 Abs. 6 Satz 1 HmbSG die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleiterin oder des Schulleiters. …

ee) Schließlich kann der Unterrichtsausschluss des Antragstellers zu 1 auch nicht auf § 89 Abs. 2 Satz 6 HmbSG gestützt werden.

Nach § 89 Abs. 2 Satz 6 HmbSG übt die Schulleiterin oder der Schulleiter das Hausrecht aus. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht der Schulleiterin oder des Schulleiters dient der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des sicheren und geordneten Schulbetriebs als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Zur Wahrnehmung des Hausrechts gehört auch der Erlass eines Hausverbots. Dieses dient entsprechend dem Zweck des Hausrechts dazu, Störungen des Schulbetriebs zu verhindern, um eine geordnete Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Schule zu gewährleisten …  Der Verordnungsgeber hat sie in § 23 Abs. 1 EindämmungsVO zwar zur Anordnung einer Maskenpflicht in Schulen ermächtigt; zu weiteren Maßnahmen des Infektionsschutzes, namentlich zum Erlass eines Hausverbots gegenüber Schülerinnen und Schülern, die der Maskenpflicht nicht nachkommen, hat er sie aber nicht ermächtigt. …

ff) Der Unterrichtsausschluss lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht auf die polizeiliche Generalklausel des § 3 Abs. 1 SOG stützen. … weil die von dem Antragsteller zu 1 verletzte Maskenpflicht weder durch ein formelles noch durch ein materielles Gesetz angeordnet wurde, sondern durch den Hygieneplan einer Behörde …“

 

 

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21

Was geschah:

Die Antragstellerinnen (zu 1 besucht als 20-Jähige die Förderschule und zu 2 besucht siebte Klasse einer Oberschule) verfolgen mit ihrem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO das Ziel,

„§ 5a (5) Ab dem 15. März 2021 ist Personen, mit Ausnahme von Schülerinnen und Schülern der Primarstufe, der Zutritt zum Gelände von Schulen untersagt, wenn sie nicht durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen Test auf das Coronavirus SARSCoV-2 mit negativem Testergebnis nachweisen, dass keine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht. …“

der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARSCoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSch-VO) vom 5. März 2021 (SächsGVBl. S. 287) einstweilen außer Vollzug zu setzen.

 

Entscheidung des OVG:

„… Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der Verordnung des Antragsgegners vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut der Vorschrift an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze … heranzuziehen. …

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung von § 5a Abs. 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO keinen Erfolg, da die angegriffene Vorschrift im Normenkontrollverfahren voraussichtlich standhalten wird. Auch eine Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerinnen aus. …

 

2. Die Voraussetzungen der § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 28a Abs. 1Nr. 16, Abs. 3 und Abs. 6 IfSG für den Erlass der angegriffenen Regelung dürften erfüllt sein. …

… § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG i. V. m. § 33 Nr. 3 IfSG sieht hierbei die Schließung von Schulen oder die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs als mögliche notwendige Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ausdrücklich vor. Bei den in § 5a Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehenen Zutrittsverbot in Abhängigkeit von der Durchführung eines Corona-Tests handelt es sich um eine Auflage im vorgenannten Sinne. …

 

3. Die angegriffene Regelung dürfte auch im Übrigen mit höherrangigem Recht vereinbar sein. …

… 3.1 § 5a Abs. 5 IfSG verstößt voraussichtlich nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art 20 Abs. 3 GG. …

… 3.2 … Die in Rede stehende Norm, soweit diese eine Verpflichtung zu einem Test auf das Coronavirus enthält, berührt den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht. Denn der Nachweis, nicht vom Virus infiziert zu sein, kann auch mit einem sogenannten Selbsttest erbracht werden, der aller Voraussicht nach nicht mit Beeinträchtigungen verbunden ist, die in ihren Wirkungen körperliche Schmerzen hervorrufen. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob Spuk-, Lollytests oder solche Tests Anwendung finden, bei denen ein Abstrich im vorderen Nasenbereich erfolgt …

 

… 3.3 … Der gerügte Verstoß gegen das Recht auf Bildung liegt voraussichtlich nicht vor. … ist im Freistaat Sachsen hier „das Recht auf Bildung“ als Staatsziel ausgestaltet, das subjektive Rechte nicht vermittelt. Im Übrigen ist das Grundrecht auf chancengleiche Schulbildung aus Art. 102 Abs. 1 SächsVerf i. V. m. Art. 29 Abs. 2 SächsVerf nicht verletzt. Soweit in diesem Zusammenhang auch das Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der Schule und damit der Anspruch der Schüler auf eine Entfaltung ihrer Anlagen und Befähigungen im Rahmen schulischer Ausbildung und Erziehung nach Art. 2 Abs. 1 GG … angesprochen ist, bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Norm unwirksam sein könnte. Das angesprochene Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler besteht eben nur „im Rahmen“ der vorgesehenen Ausbildung, wonach bei dem geschilderten Infektionsgeschehen Schüler vom Präsenzunterricht ausgeschlossen werden können, die sich nicht auf das Corona-Virus testen lassen wollen. …

 

… 3.4 Soweit § 5a Abs. 5 CoronaSchVO in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit oder in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG eingreift, sind die Eingriffe jedenfalls verhältnismäßig. …

… 3.5 Weitere Gesichtspunkte, die auf die Unwirksamkeit der angegriffenen Regelung schließen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. …

 

4. Überdies wäre der Antrag auch dann unbegründet, wenn die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags bei summarischer Prüfung als offen anzusehen wären. Die von den Antragstellerinnen angegriffene Norm bewirkt schon keinen gravierenden Eingriff in die in Rede stehenden Grundrechte. Keinesfalls können ihre Belange die gegenläufigen Interessen in Bezug auf die Verwirklichung des Staatsziels aus Art. 7 SächsVerf und auf den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) überwiegen, welche angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens in überaus hohem Maße gefährdet sind …“

 

 

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 -, Rn. 1-17

Was geschah:

„I. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerden gegen § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 und 6, Abs. 12 Satz 1 und 3 und Abs. 13 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl I S. 148), in Kraft getreten am 1. März 2020. …

Ohne Nachweis einer Masernschutzimpfung trete kraft Gesetzes ein Verbot ein, die Beschwerdeführer zu 3 [Einjährige] in einer Kindertagesstätte oder einer Kindetagespflege nach § 43 SGB VIII zu betreuen und aufzunehmen. Um dies zu vermeiden, müssten die Eltern, in Ausübung ihrer Gesundheitssorge für ihre Kinder, die Impfungen herbeiführen. …“

 

Entscheidung des BVerfG:

„II. Der zulässige Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

 

… 2. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

… Ein Gesetz darf deshalb nur dann vorläufig am Inkrafttreten gehindert werden, wenn die Nachteile, die mit seinem Inkrafttreten nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, in Ausmaß und Schwere die Nachteile deutlich überwiegen, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. …). Bei dieser Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur Folgen, die sich für die Beschwerdeführer ergeben …

 

… 3. Ausgehend davon kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist zumindest nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist.

b) Die danach gebotene Folgenabwägung geht zum Nachteil der Beschwerdeführer aus.

… bb) Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätten die Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg, wären durch die beantragte einstweilige Außervollzugsetzung von § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 und 6, Abs. 12 Satz 1 und 3 und Abs. 13 Satz 1 IfSG grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen. …

… Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen sollen nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, wenn mit Hilfe der Maßnahmen erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist. Auf diese Weise könnten auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen. Ziel des Masernschutzgesetzes ist namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angehalten ist …

cc) Bei Gegenüberstellung der danach jeweils zu erwartenden Folgen muss das Interesse der Antragsteller, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen beziehungswiese selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten. …“

 

 

 

Fazit:

Eine Schulleiterin untersagt einem Schüler bis auf Weiteres das Betreten des Schulgeländes und die Teilnahme am Unterricht, wenn er dabei keine Maske trägt. Die Eltern erheben Widerspruch dagegen und wollen gerichtlich die aufschiebende Wirkung anordnen bzw. wiederherstellen lassen. Das dann befasste Oberverwaltungsgericht sucht in seinen Ausführungen aa) bis ff) nach einer Rechtsgrundlage …

 

Eine Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bestimmt: „§ 5a (5) Ab dem 15. März 2021 ist Personen, mit Ausnahme von Schülerinnen und Schülern der Primarstufe, der Zutritt zum Gelände von Schulen untersagt, wenn sie nicht durch eine ärztliche Bescheinigung oder durch einen Test auf das Coronavirus SARSCoV-2 mit negativem Testergebnis nachweisen, dass keine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht. …“

Das dann befasste Oberverwaltungsgericht hat die Rechtsgrundlage schnell parat: § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG i. V. m. § 33 Nr. 3 IfSG sieht die Schließung von Schulen oder die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs als mögliche notwendige Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ausdrücklich vor. Und fasst die angegriffene Regelung als Auflage im vorgenannten Sinne.

 

Ein Blick in das Infektionsschutzgesetz lässt Fragen aufkommen, nämlich wegen der Formulierung „so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen“:

IfSG § 28 Schutzmaßnahmen

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. …

IfSG § 32 Erlass von Rechtsverordnungen

Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. …

 

Zuständige Behörde im Sinne des Infektionsschutzgesetz sind nicht die Schulen, auch nicht Schulleiterinnen und Schulleiter der Schulen, sondern (überwiegend) Gesundheitsämter.
Ein Gesundheitsamt als zuständige Behörde im Sinne des Infektionsschutzgesetz aufgrund Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG kann insbesondere Personen verpflichten, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Hier in Sachsen aber hat das Ministerium per Verordnung das Zutrittsverbot bei fehlendem negativem Test ausgesprochen.

 

Eine Auflage würde sich zudem an die Einrichtung selbst richten und nicht an die Teilnehmenden / Besucher dieser Einrichtung.

Eine Entscheidung aus Sachsen, 28 Seiten Umfang, die aber nicht restlos überzeugt oder schlicht an entscheidender Stelle zu kurz ausgefallen ist.

 

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. April 2021, 20 NE 21.926

 

„I. … Die Antragstellerin, die die 4. Grundschulklasse in Bayern besucht, beantragt, § 18 Abs. 4 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 261), die mit Ablauf des 26. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. …

Wortlaut:

(4) 1Die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Notbetreuung und Mittagsbetreuung ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie sich zwei Mal wöchentlich, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 mindestens zwei Mal wöchentlich, nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARSCoV-2 unterziehen.

2Hierfür haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben.

3Die dem Testergebnis zu Grunde liegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest dürfen höchstens 48 Stunden, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 höchstens 24 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden sein.

4Soweit Tests in der Schule vorgenommen werden, verarbeitet die Schuledas Testergebnis ausschließlich für den schulischen Zweck der Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts; eine Übermittlung an Dritte findet vorbehaltlich von Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz nicht statt.

5Das Testergebnis wird höchstens 14 Tage aufbewahrt.

6Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann das Staatsministerium für Unterricht und Kultus Ausnahmen bekanntmachen. 7Für die Lehrkräfte und das Schulverwaltungspersonal gelten hinsichtlich ihrer Tätigkeit in den Schulräumen die Sätze 1 bis 5 mit der Maßgabe entsprechend, dass ein Selbsttest auch außerhalb der Schule und ohne Aufsicht vorgenommen werden kann, wenn die Person versichert, dass das Testergebnis negativ ausgefallen ist.

 

II. A. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. … Ein in der Hauptsache zu erhebender Normenkontrollantrag gegen § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keinen Erfolg (2). Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.). …

 

2. a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Maßnahme nach § 18 Abs. 1 und 4 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1,§ 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461). …

 

b) Die Regelung in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie sich bei summarischer Prüfung an die Vorgaben in § 28a IfSG hält. Durch die streitgegenständliche Regelung wird keine Testpflicht im Rechtssinne statuiert, weil die Erfüllung der Testung nicht vom Antragsgegner erzwungen werden kann. Vielmehr trifft durch § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV Schülerinnen und Schüler die Obliegenheit, ein entsprechendes negatives Testergebnis vorzuweisen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können. Erfüllen Schülerinnen und Schüler diese Testobliegenheit nicht, findet für sie Distanzunterricht und Distanzlernen statt. So verstanden, ist § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV in rechtlicher Sicht voraussichtlich nicht zu beanstanden. ….

 

… Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose ist auch für die Regelung des § 18 12. BayIfSMV gegenwärtig nicht zu beanstanden. ….

 

cc) …. Denn nach §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG kann der Verordnungsgeber einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausnehmen, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Hierzu hat der Antragsgegner in der Begründung zur Verordnung (BayMBl. 2021 Nr. 262) ausgeführt:

„Die Bestimmung stellt eine geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme i. S. des § 28a Abs. 1 Nr. 16 i. V. mit § 33 Nr. 3 IfSG dar. Schulschließungen können zu schwerwiegenden Einschränkungen und Belastungen betroffener Kinder und ihrer Familien führen sowie Bildungsungerechtigkeit verstärken.

Durch die Einführung von Zugangsbeschränkungen als gegenüber einer Schließung milderes Mittel soll erreicht werden, den Schülerinnen und Schülern möglichst weitgehend ein Bildungsangebot in Präsenzform zu ermöglichen, zugleich aber alle betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie an der Schule tätiges Personal (Lehrkräfte und Schulverwaltungspersonal) unter den gegebenen Umständen bestmöglich vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. …“

 

… Die häusliche Testung – bei jüngeren Kindern durch Anleitung der Eltern – dürfte schon deshalb kein gleich effektives, milderes Mittel darstellen, weil sie nicht wirksam zu kontrollieren ist. …

… Der mit der Testung ggf. verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der betroffenen Schüler und Lehrkräfte (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist demgegenüber nach den dem Senat gegenwärtig vorliegenden Erkenntnissen als gering einzustufen. …

… Zusätzlich könnten falsch-negative Testergebnisse möglicherweise auch erhöhtes Risikoverhalten infolge vermeintlicher Sicherheit hervorrufen und damit kontraproduktiv wirken (vgl. …). Insoweit erfordert die Testung in Schulen eine ständige Begleitung und Evaluation, welche die bestehenden Vor- und Nachteile der eingeschlagenen Teststrategie bewertet. …

 

… Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Maßnahme ist entscheidend, dass gerade im Hinblick auf den Schutz besonders sensibler Gesundheitsdaten (Art. 9 DSGVO) die Teilnahme an den Testungen nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV ausschließlich freiwilliger Natur ist. … Dies bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler, welche einen Test nicht durchführen wollen oder können, nicht vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen werden dürfen, sondern am Distanzunterricht und am Distanzlernen teilnehmen können. …

… Denn entfiele eine Beschulung insgesamt, könnte nicht mehr von einer freien Wahl der Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Erziehungsberechtigten ausgegangen werden. Es bestünde die Gefahr, dass die Einwilligung gerade nicht aufgrund eines freien Entschlusses erfolgt, sondern nur unter dem „Druck“, ansonsten vom Schulunterricht gänzlich ausgeschlossen zu werden und damit womöglich Bildungsnachteile zu erfahren.

Der Senat geht im Übrigen selbstverständlich davon aus, dass bei den Testungen nur solche Antigen-Tests zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) zum von SARS-CoV-2 zur Anwendung kommen, bei denen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Sonderzulassungen nach § 11 Abs. 1 Medizinproduktegesetz (MPG) erteilt hat und die auch für die Altersgruppen der Anwender, insbesondere die Grundschulklassen, zur Selbstanwendung freigegeben sind. …“

 

 

 

 

UPDATE zu KITA

Auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 -, Rn. 1-17, nahmen in der Folge weitere befasste Gerichte Bezug.

 

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, 10. Senat, Beschluss vom 9.Oktober 2020, 10 ME 207/20, entschied:

„Denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da er keinen Anspruch auf Zugang zu der von ihm gewünschten Kindertagesstätte hat, in der ihm auch bereits ein Kindergartenplatz zugewiesen worden ist,

ohne den gemäß § 20 Abs. 8 und 9 Infektionsschutzgesetz erforderlichen Nachweis eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern, einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation gegen die Masern-Schutzimpfung, für den nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Infektionsschutzgesetz eine Impfdokumentation oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern (Nr. 1) oder ein ärztliches Zeugnis über das Vorhandensein einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation gegen diese Impfung (Nr. 2) oder die Bestätigung einer staatlichen Stelle, dass ein entsprechender Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat (Nr. 3), vorzulegen ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, dass die Vorlage der genannten Unterlagen gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist und das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen des Infektionsschutzgesetzes in seinem Beschluss vom 11. Mai 2020 (- 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20 -, juris) nicht festgestellt hat, weil es im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerden eine Folgenabwägung zulasten der Beschwerdeführer vorgenommen hat.“

 

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen teilt in einer Pressemitteilung zum Aktenzeichen: 12 B 1277/21 (I. Instanz VG Aachen 2 L 400/21), Beschluss vom 29. Oktober 2021, mit:

„Einem dreijährigen Kind kann der Zugang zu einer Kindertageseinrichtung verwehrt werden, wenn die nach dem Infektionsschutzgesetz für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen erforderliche Masernschutzimpfung oder eine entsprechende Kontraindikation nicht hinreichend nachgewiesen ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit Eilbeschluss vom 29. Oktober 2021 entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt. … Aus einer nachfolgenden ärztlichen Bescheinigung ergibt sich, dass der Feststellung der Impfunverträglichkeit keine medizinisch anerkannte Testung bzw. Diagnostik zugrunde lag, sondern sie lediglich auf den Angaben der Eltern beruhte.“

 

 

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