Corona und Cannabis-Konsum

von Markus Meißner, veröffentlicht am 30.03.2021
Rechtsgebiete: BetäubungsmittelrechtJugendstrafrechtCorona2|3099 Aufrufe

Heute soll es einmal nicht um die im weitesten Sinne „wirtschaftlichen“ Folgen der Corona-Pandemie gehen, sondern um deren psychosoziale Auswirkungen auf Jugendliche. Gegenstand einer Untersuchung des Centre for Drug Research an der Frankfurter Goethe-Universität war in diesem Zusammenhang konkret die Frage, wie sich die aktuelle Situation mit Kontaktbeschränkungen, Homeschooling und einer zunehmenden Perspektivlosigkeit auf den Cannabis-Konsum von Jugendlichen auswirkt. Erkenntnisse hierzu gibt es aus der ersten Welle im Frühjahr vergangenen Jahres:[1]

„Nach dem ersten Lockdown 2020 gab in einer Onlinebefragung rund ein Drittel der regelmäßig konsumierenden an, dass sie mehr konsumiert hätten als zuvor. Nur ein Sechstel sagt, sie hätten in dieser Zeit weniger gekifft. „Mit zunehmender Dauer der Beschränkungen stieg auch der Anteil jener, die angaben, mehr zu konsumieren“, heißt es zusammenfassend in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Suchttherapie“. Die Experten hatten 1146 vollständig ausgefüllte Online-Fragebögen ausgewertet.“

Möglicherweise nicht mehr, aber intensiver?

Man darf gespannt sein, ob und wie sich diese Zahlen während der zweiten Welle entwickelt haben. Die Veröffentlichung der MoSyD-Studie[2] für das Jahr 2020, im Rahmen derer jährlich über 1500 Schülerinnen und Schüler aller Schulformen befragt werden, steht kurz bevor.

Betrachtet man die Gründe, die die befragten Jugendlichen in den früheren Jahren für ihren Konsum  angegeben haben, deutet einiges auf eine Intensivierung des Konsums bei denjenigen hin, die bereits zuvor konsumiert haben. So wird an erster Stelle stets die "Neugier" genannt, gefolgt von „den Alltag vergessen“ und „etwas Neues und Aufregendes erleben“. Es liegt auf der Hand, dass ein Entfliehen aus dem Alltag für den ein oder anderen in der aktuellen Situation als besonders reizvoll angesehen werden könnnte. Wie als Jugendlicher umgehen mit einer umsichgreifenden Orientierungslosigkeit, die nicht nur in der Politik und im Elternhaus, sondern auch in weiten Teilen der Gesellschaft vorzuherrschen scheint? Wie mit den ganz konkreten Herausforderungen und Rückschlägen im Alltag zurechtkommen, etwa den Umstand, dass es mit Blick auf die einzuhaltenden Corona-Hygienemaßnahmen zu wenig Praktikumspätze für Schulpraktika gibt oder die Durchführung des lange geplanten Auslandsjahress in den USA in den Sternen steht? Wie als Auszubildender im Gastronomiebereich eine Perspektive und Vorfreude auf die zukünftige berufliche Tätigkeit entwickeln, wenn die Stimmung in der Branche - verständlicherweise - einen Tiefpunkt erreicht hat? Wie umgehen mit den Unzulänglichkeiten des überwiegend digitalen Lernens in den Schulen, bei welchem die Möglichkeit eines Ausgleichs durch Begegnungen mit den Klassenkameraden fehlt, der Leistungsdruck angesichts des zu erreichenden Klassenziels jedoch unverändert fortbesteht? Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Polizei registriert keine Zunahme

Keine generelle Zunahme des Konsums von Cannabis hat bislang die Polizei registriert. So würde es aufgrund des geringeren Personenaufkommens in der Öffentlichkeit zu weniger Kontrollen kommen, mithin würden auch weniger Verstöße festgestellt.[3] Letzteres verblüfft doch ein wenig, wo doch aktuell bereits das Antreffen im öffentlichen Raum oder gar das Zusammenstehen in Gruppen geeignet ist, eine Polizeikontrolle zu rechtfertigen. Möglicherweise mag daher auch eine Rolle spielen, dass wenn bereits das Treffen im öffentlichen Raum als solches als Ordnungswidrigkeit gilt, eine Durchsuchung von Personen auf Drogen gar nicht mehr nötig ist, um der Aufgabe eines Ordnungswächters zu genügen. Umgekehrt wird sich ein Jugendlicher hüten, sich mit seinen Betäubungsmitteln auf der Straße aufzuhalten, wenn bei einem Treffen im öffentlichen Raum jederzeit mit einer Polizeikontrolle zu rechnen ist.

 

 

 

[1] https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/gesundheit/Nach-dem-er...

[2] Monitoring System Drogentrends“ (MoSyD)

[3] https://www.n-tv.de/wissen/Wird-in-der-Pandemie-mehr-gekifft-article2244....

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2 Kommentare

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Dass diesel "Krise" inklusive aller Begleitumstände zu einer Steigerung von Alkohol - und Drogenkonsum führt, wie auch der Zahl der Suizide und psychischer Auffälligkeiten aller Art, das ist nicht im geringsten verwunderlich.

Eher überraschend war, dass in Amerika, welches gerade von einer "grünen Welle" überrollt wird, heißt einer rapide steigenden Anzahl von Staaten, die Cannabis legalisiert haben oder es gerade tun, der Konsum dieser Droge zu sinken scheint.

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Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag.
Ich denke, dadurch, dass die Legalisierung von Cannabis bereits für bestimmte Zwecke erfolgt ist und dies auch in Zukunft ausgeweitet werden soll, erschient uns das Thema als präsenter. Steiende Konsumzahlen lassen allerdings keine Aussage darüber treffen, dass der Drogenkonsum zunimmt. Medizinisches Cannabis ist legal und darf durch den Arzt verschrieben werden. Auch wenn es sich dabei an sich um eine Droge handelt, fällt dies nicht unter den sogenannten illegalen Drogenmissbrauch. Solche Erkenntnisse sollten also immer hinterfragt und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.

Viele Grüße David

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