Nochmals: Mehrfachbegründungen bei der WEG-Anfechtungsklage nach § 44 I 1 WEG

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 24.04.2021
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-RechtZivilverfahrensrecht|1933 Aufrufe

Wie hier dargestellt, sind Jacoby und Lehmann-Richter der Ansicht, jeder Beschlussmangel, der nach dem Vortrag des Klägers für sich genommen die Aufhebung des Beschlusses rechtfertigen solle, sei ein eigenständiger Lebenssachverhalt.

Folgt man dieser Sichtweise, liegt bei mehreren in einer Klage genannten Beschlussmängeln eine objektive Klagehäufung vor. Die klagende Partei muss dann dem Gericht eine Prüfungsreihenfolge vorgeben (Elzer FD-ZVR 2019, 413126) – was sie allerdings nach einem Hinweis auch nachholen können soll (Elzer FD-ZVR 2014, 355754). Wohl noch nicht entschieden ist, ob – was nahe liegt – im Berufungsrechtszug für den Kläger als Berufungsbeklagten eine Nachholung nur binnen der Frist des § 524  II 2 ZPO zur Einlegung der Anschlussberufung möglich wäre, da in der „Klarstellung“ der Sache nach eine nicht nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung im Berufungsrechtszug liegt, die der Kläger als Berufungsbeklagter aber nur während des Laufs zur Einlegung der Anschlussberufung vornehmen kann (Elzer GRUR-Prax 2014, 117; s. a. Lehmann-Richter/Jacoby ZMR 2021, 273 (277)). Es wäre allerdings nicht mehr möglich, dem Gericht ohne nähere Erläuterung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mehrere Beschlussmängel darzulegen. Verführe der Kläger so, wäre die Klage unzulässig (Lehmann-Richter/Jacoby ZMR 2021, 273 (275); s. a. Elzer FD-ZVR 2018, 402802).

Die Ansicht, jeder Beschlussmangel sei ein eigenständiger Lebenssachverhalt, hat iÜ nach § 39 I GKG auch Auswirkungen auf den Gebührenstreitwert (hier sollte man allerdings wirtschaftliche Identität annehmen; näher Toussaint/Elzer GKG § 39 Rn. 17) u. die Kostengrundentscheidung: wegen der Mängel, die die Rechtsbehauptung nicht tragen, müsste die Klage „iÜ“ abgewiesen u. müssten der klagenden Partei die Kosten auferlegt werden (Lehmann-Richter/Jacoby ZMR 2021, 273 (274)). Im Rahmen des § 92 I ZPO könnte sich der Prozesserfolg u. -verlust dabei nach dem Verhältnis der Anzahl der erfolgreichen oder erfolglosen Streitgegenstände zum Gesamtgebührenstreitwert ausrichten (s. a. BGH GRUR 2016, 1300 Rn. 73).

Der Kläger könnte das Gericht bis zu einer obergerichtlichen Klärung um einen Hinweis bitten, wie es selbst die Rechtslage beurteilt.

Für den Fall, dass das Gericht jeden Beschlussmangel als Lebenssachverhalt ansieht, bittet die klagende Partei um einen Hinweis nach § 139 ZPO (BGH GRUR 2011, 521 Rn. 13). Sie wird dann die Beschlussmängel in ein Verhältnis zueinander setzen.

Alternativ könnte die klagende Partei die Beschlussmängel als eigenständige Haupt- u. Hilfsanträge in den Rechtsstreit einführen. Dazu wären die Beschlussmängel vorab danach zu bewerten, mit welcher Sicherheit sie das Klageziel – die Erklärung der Ungültigkeit – tragen. Als Hauptantrag sollte der Beschlussmangel gewählt werden, der nach Ansicht der klagenden Partei die größte Aussicht auf Erfolg hat.

Der Beschluss der Versammlung vom . . . . . . zum Tagesordnungspunkt . . . . . . – Nr. . . . . . der Beschluss-Sammlung der . . . . . ., mit dem die Wohnungseigentümer . . . . . . beschlossen haben, wird wegen folgenden Beschlussmangels . . . . . . für ungültig erklärt.

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Beschlussmangel als nicht durchgreifend erachtet:

Der Beschluss der Versammlung vom . . . . . . zum Tagesordnungspunkt . . . . . . – Nr. . . . . . der Beschluss-Sammlung der . . . . . ., mit dem die Wohnungseigentümer . . . . . . beschlossen haben, wird wegen folgenden Beschlussmangels . . . . . . für ungültig erklärt.

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht auch diesen Beschlussmangel als nicht durchgreifend erachtet:

Der Beschluss der Versammlung vom . . . . . . zum Tagesordnungspunkt . . . . . . – Nr. . . . . . der Beschluss-Sammlung der . . . . . ., mit dem die Wohnungseigentümer . . . . . . beschlossen haben, wird wegen folgenden Beschlussmangels . . . . . . für ungültig erklärt.

 

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