Tja, das geht: "Polizist versetzt sich in den Dienst"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.04.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht10|7606 Aufrufe

Der Nebenkläger (ein Polizist) war wohl privat unterwegs und sah einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Leider lässt sich nichts Genaueres zum Sachverhalt aus den Gründen des OLG entnehmen. Jedenfalls versetzte sich der Nebenkläger in den Dienst und wollte die spätere Angeklagte anhalten und die Personalien sichern. Dabei gab es wohl einen Widerstand. Derartige Sachverhalte sind natürlich unangenehm. Die Angeklagte wurde verurteilt wegen §§ 113, 114, 52 StGB. Das OLG fand das unproblematisch:

 

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers trägt die Angeklagte (§§ 473 Abs. 1, 472 Abs. 1, 472a Abs. 1 StPO).

 

Zusatz:

Der Senat merkt über die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft hinaus Folgendes an:

1. Der Nebenkläger, der in seiner Freizeit unterwegs war, konnte sich als Polizeibeamter in den Dienst versetzen (vgl. OLG Hamburg NJW 1976, 2174). Dies hat er auch wirksam getan, da er zum Zwecke der Strafverfolgung (§ 163 StPO) eingeschritten ist und die Diensthandlung in seinem sachlich und örtlich zuständigen Bereich vorgenommen hat (vgl. hierzu: VG Würzburg, Urteil v. 03.03.2015 – W 1 K 13.366).

2. Die vom Nebenkläger vorgenommene Diensthandlung war auch rechtmäßig im Sinne von § 113 Abs. 3 StGB. Nach dem strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 113 Rdnr. 11 m.w.N.) kommt es nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, auf die formelle Rechtmäßigkeit der Diensthandlung an. Diese ist vorliegend gegeben. Der Nebenkläger war sachlich und örtlich bei Vorliegen eines Anfangsverdachts (§ 163 StPO) einer Straftat (§ 17 TierSchG)  zuständig. Zudem hat er der Angeklagten eröffnet, welcher Straftat er sie beschuldigt und sie entsprechend belehrt. Die ergriffenen Maßnahmen zur Feststellung der Personalien der Angeklagten waren nach § 163 b StPO zulässig, geboten und nicht unverhältnismäßig, da eine mildere Maßnahme, wie etwa das Notieren des Kfz-Kennzeichens, nicht die erforderliche Sicherheit zur Feststellung der Identität der Angeklagten bot. Zudem hätte die Angeklagte das Festhalten durch den Nebenkläger unschwer abwenden können, da sie ihren Personalausweis bei sich trug.

3. Der Senat geht im Einklang mit dem Landgericht davon aus, dass zwischen § 113 StGB und § 114 StGB Tateinheit besteht (so auch LG Nürnberg-Fürth NStZ-RR 2020, 39).

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 12.11.2020 - 4 RVs 123/20

 

Möglicherwese deutet sich in der Begründung an, dass die matrielle Rechtmäßigkeit des Handelns des Polizisten fraglich war. Ich bin ja bekanntermaßen dafür, diesen strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff zugunsten einer vollen und rechtsstaatlichen Überprüfbarkeit des Handelns der Polizei aufzugeben; mir leuchtet das Fehlen einer echten Kontrolle nicht ein. Das OLG hat natürlich wenig überraschend die ständige Rechtsprechung der h.M. fortgesetzt...

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10 Kommentare

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Hat er sich als Polizeibeamter selbst vorgestelt und ggf  auf Nachfrage  Dienstausweis vorgelegt? 

Tja, sehr geehrter Herr Krumm, wenn ich recht sehe, wurde da wegen Vorsatztaten verurteilt. Wissen (und Wollen). Zum Wissen gehört Kenntnis des TB-Merkmals "AMtsträger", oder?

zu dem Vorfall kann ich ganz konkret sagen, dass der Beamte nicht in Uniform war, auch KEINEN Dienstausweis mit sich führte und von daher als Polizeibeamter nicht erkennbar war.

Keins der angerufenen Gerichte hat sich zu fer Frage geäußert, wie ein Polizist als solcher erkennbar sein soll, wenn er sich nicht ausweisen kann.

Ob der Polizist sich in den Dienst versetzen durfte oder konnte war gar nicht die Frage, die war völlig irrelevant.

Die erforderliche Mitteilung des "Beamten" an das Veterinäramt wurde unterlassen, wohl wissend, das eine Tierqäulerei überhaupt nicht vorlag.

Diese Behauptung diente dem Polizisten nur als Schutzbehauptung um seine eigene Gewalt zu verschleiern.

Das Urteil ist ein Skandal und eines Rechtsstaates nicht würdig.

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Festhalten von Personen darf jede Person. Ein Verstoß wurde festgestellt und der Tatbestand somit erfüllt. Sobald die Identifikation des Betroffenen gestgestellt wird, muss losgelassen werden. Es sei den es besteht Gefahr für das eigene Leben und anderen. Alles muss somit verhältnismäßig sein. Der Betroffene hat den Polizeibeamten bestimmt nicht nach seinem dienstausweis verlangt und sonst kam es auch nicht dazu. Nur bei verlangen ist ein Beamter dazu verpflichtet dieses vorzuzeigen.

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Unterstellt, dass der Mangel an Ausweis/Nachweis der Beamteneigenschaft in der Revisionsbegründung vorgetragen war, auch die Überzeugung der Angeklagten, es nicht mit einem Polizeibeamten zu tun zu haben, so wäre das Urteil ein krasses Fehlurteil. Auif den Tierschutzfirlefanz kommt es mE nicht an. Noch gestern in Aktenzeichen XY wurde dringend davor gewarnt, irgendwelchen Leuten zu glauben,  die behaupten, Polizeibeamte zu sein. Wenn aber erkennbar Polizeibeamter, so ist seiner Weisung zu folgen. Ob berechtigt, ist dafür völlig unerheblich.

Die Diskussion hier geht weit am Fall vorbei. Der Polizist hat sich nach den Feststellungen des Landgerichts namentlich vorgestellt, erklärt, dass er sich jetzt in den Dienst veretzt, seine Dienststelle genannt & dass er nunmehr wegen des Verdachts auf Tierquälerei dienstlich tätig wird. Die Täterin hier war zuvor auch wegen Tierquälerei angeklagt worden. Das Amtsgericht sprach sie frei, nachdem ein Sachverständiger ausgesagt hatte, dass das normale Bellen und Jaulen eines Jagdhundes auf der Jagd für Laien wie den Polizeibeamten hier so klinge könne, als werde der Hund gefoltert.  

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reCht  05-18    08:26  - "sich vorgestellt", "Dienststelle genannt" -  ich glaube , so sind die Schilderungen über Kriminelle, die sich als Polizisten ausgeben.

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