AG Bremen: Covid19-Pauschale nach Unfall?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.05.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1372 Aufrufe

Die letzten Monate treibt die Rechtsprechung die Frage um, wie es um die Ersatzfähigkeit der Desinfektionskosten ("Covid19-Pauschale") im Rahmen einer Autorparatur nach Unfall steht. "Nicht so ohne weiteres", lässt sich die AG-Bremen-Entscheidung vielleicht am besten zusammenfassen:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 Tatbestand: 

 Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

 Entscheidungsgründe: 

 Die zulässige Klage ist unbegründet. Es besteht kein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 34,80 € zzgl. Nebenforderung gemäß §§ 7, StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 01.10.2020, Industrie straße Bremen, welcher vom Versicherungsnehmer der Beklagten zu Lasten des Zedenten N… verursacht wurde.

 Ob die Klägerin als ausführender Reparaturbetrieb auf Basis der Abtretungsvereinbarung vom 01.10.2020 aktivlegitimiert ist, kann dahinstehen.

 Denn der Klägerin stünde aus abgetretenem Recht des Geschädigten - über den in Höhe von 2.429,64 € bereits bezahlten Reparaturschaden hinaus - bezüglich der abgerechneten Kosten für Desinfektionsmaßnahmen (Abwischen des Lenkrads, der Türgriffe, etc.) kein Erstattungsanspruch zu.

 Die Klägerin trug nicht vor, dass sie diese Kostenposition bei Beauftragung der Reparatur mit dem Geschädigten/Zedenten explizit vereinbart hätte. In der Abrechnung heißt es: „Covid19-Desinfektionspauschale 30,00 €“ netto). Zu aushängenden oder in einem schriftlichen Auftrag enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen trug die Klägerin nicht vor.

 Grundsätzlich erfolgten etwaige Desinfektionsmaßnahmen im alleinigen Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin und nicht auch im Interesse des (zum Reparaturzeitpunkt ohnehin ortsabwesenden) Kunden. Denn die Klägerin wollte sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter bei Auftragsausführung möglichst wenig gefährdet würden. Gleichwohl stellt sich die Frage, wieso der Innenraum des Fahrzeugs bei Reparatur eines äußeren Lackschadens betreten werden musste und ob das Ansteckungsrisiko durch Reinigungsmaßnahmen, die den Reinigenden mit ggf. kontaminierten Bauteilen in unmittelbaren Kontakt bringt, ggf. sogar erhöht wird. Schließlich könnten die Handwerker bei Ausführung der Reparaturarbeiten schlicht Handschuhe tragen. Dass die Kostenpauschale üblich und angemessen im Sinne des § 632 BGB wäre, kann nicht festgestellt werden, zumal die Covid19-Pandemie in Deutschland erst im Oktober 2020 wieder massiv aufgetreten ist und überhaupt erst seit Februar 2020 existiert.

 Zwar stehen in Pandemiezeiten in den (noch offenen) Geschäftsbereichen allerorten Desinfektionsspender. Kein Geschäftsinhaber berechnet dem Käufer einer Ware aber einen Zuschlag wegen dieser Hygienemaßnahme, die in den dortigen Fällen den Kunden sogar unmittelbar zugutekommt.

 Da der Zedent seinen Schaden konkret abgerechnet hat (Rechnung vom 30.10.2020), kommt es auf den Ansatz von 30 € netto Desinfektionsmaßnahmen im Schadensgutachten der DEKRA vom 02.10.2020 nicht an. Vielmehr hätte die Klägerin zum Inhalt des Werkvertrags und zum tatsächlichen Arbeitsaufwand vortragen müssen. Das feuchte Abwischen von einigen Bauteilen dürfte zudem einen Zeitaufwand von wenigen Minuten bedeuten; die Materialkosten (Sterilium) mögen im Cent-Bereich liegen.

 Von dem Kunden hat die Klägerin offenbar keine Kostenerstattung verlangt.

AG Bremen Urt. v. 22.4.2021 – 9 C 41/21, BeckRS 2021, 8347 

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