OLG Karlsruhe: Verschmelzungsbeschluss in virtueller Versammlung?

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 27.05.2021

Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 26. März 2021 (1 W 4/21 (Wx); BeckRS 2021, 9260) entschieden, dass eine Genossenschaft (auch) auf Basis des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (COVMG) keinen Verschmelzungsbeschluss in einer präsenzlosen Vertreterversammlung fassen kann. Gleichzeitig hat der Senat zu Parallelregeln für andere Rechtsformen Stellung genommen.

Verschmelzung ist „in einer Versammlung“ zu beschließen

Die betroffene Genossenschaft hatte ihre Verschmelzung in einer präsenzlosen „virtuellen ordentlichen Vertreterversammlung“ beschlossen. Die Eintragung der Verschmelzung lehnte das Registergericht ab. Der Verschmelzungsbeschluss sei nicht „in einer Versammlung“ gefasst worden, wie es gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG zwingend vorgeschrieben sei. Dem schließt sich der Senat in seiner Entscheidung an.

Keine Satzungsregel für elektronische Beschlussfassung

Keinesfalls Grundlage für die gewählte Form der Beschlussfassung sei hier die Satzung. Denn eine Bestimmung gemäß § 43 Abs. 7 S. 1 GenG – wonach die Satzung Mitgliederbeschlüsse in schriftlicher oder elektronischer Form zulassen kann – sei dort nicht enthalten.

Keine virtuelle „Versammlung“ nach COVMG möglich

Auch § 3 Abs. 1 S. 1 COVMG helfe nicht weiter. Nach der Vorschrift können Mitglieder einer Genossenschaft abweichend von § 43 Abs. 7 S. 1 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch Beschluss fassen, wenn es die Satzung nicht zulässt. Die Erleichterung, so der Senat, sei nicht so zu verstehen, dass eine präsenzlose Versammlung erlaubt werde. Sie enthalte lediglich eine Sonderregelung zu § 43 Abs. 7 GenG. Dort habe der Gesetzgeber gerade nicht die Möglichkeit einer präsenzlosen Versammlung geschaffen, sondern lediglich ermöglicht, vom Regelfall, dass Beschlüsse in einer Versammlung zu fassen sind, abzuweichen. Eine solche Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung sei wegen des Versammlungszwangs gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG für einen Verschmelzungsbeschluss ausgeschlossen.

Virtuelle Versammlung nur für AG, SE und KGaA – nicht für eG und GmbH

Dass § 3 Abs. 1 S. 1 COVMG nicht zu einer virtuellen Versammlung ermächtige, zeige auch ein Vergleich mit den Parallelregelungen für andere Gesellschaftsformen. Für die AG, SE und KGaA etwa differenziere das COVMG ausdrücklich zwischen einer virtuellen Versammlung (§ 1 Abs. 2) und der bloßen Teilnahme und Stimmabgabe per elektronischer Kommunikation (§ 1 Abs. 1). Eine entsprechende Möglichkeit, rein virtuelle Versammlungen durchzuführen, sei für die Genossenschaft und auch für die GmbH (§ 2) nicht geschaffen worden.

Ob und inwieweit § 43 Abs. 7 S. 1 GenG und das COVMG Beschlussfassungen ermöglichen, die dem Versammlungsbegriff gerecht werden, war bislang umstritten. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist – soweit ersichtlich – die erste gerichtliche Stellungnahme hierzu.

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Eine ausführliche Einordnung der Entscheidung findet sich hier:  NZG 2021, Seite 696 (Anmerkung zum Beschluss von Jan Holthaus)

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