Bewährung: Wie konkret muss die Therapieweisung sein?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.06.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|12126 Aufrufe

Das OLG Hamm musste sich mit einem Weisungsverstoß befassen. Wie üblich, hatte das AG mit Zustimmung des Verurteilung aufgegeben, „die Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Einrichtung A e.V. Bstraße fortzuführen und diese nicht ohne Einwilligung des Therapeuten aufzugeben“. Später kam es zu einer disziplinarischen Entlassung. Das OLG hat anlässlich einer Beschwerde noch einmal kurz zusammenfassend festgestellt, wie die Weisung (insbesondere zur Therapie selbst) abgefasst werden muss. Und: Es hat die vorstehende Weisung jedenfalls zum Aufenthaltsgebot ausreichen lassen - leider reichten dem OLG die sonstigen Feststellungen/Aufklärungsmaßnahmen trotzdem nicht...

 

I.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 11.08.2015 verhängte das Amtsgericht Ahaus (3 Ls 240 Js 1005/14 - 68/14) gegen den langjährig betäubungsmittelabhängigen und vielfach vorbestraften Verurteilten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Wochen, die mit Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 01.07.2016 aufgelöst und aus deren Einzelstrafen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 26.11.2014 eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat gebildet wurde. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27.01.2017 (3 Ls 240 Js 593/16 – 57/16) verhängte das Amtsgericht Ahaus gegen den Verurteilten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

Nach Durchführung einer Therapie nach § 35 BtMG setzte das Amtsgericht mit rechtskräftigen Beschlüssen vom 10.06.2020 in beiden Verfahren die Reststrafen zur Bewährung aus und erteilte dem Verurteilten (u. a.) die Weisung, „die Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Einrichtung A e.V. Bstraße fortzuführen und diese nicht ohne Einwilligung des Therapeuten aufzugeben“.

Hintergrund dieser Weisung ist Folgender: Nachdem der - weiterhin anwaltlich verteidigte - Verurteilte die Therapiemaßnahme i.S.d. § 35 BtMG durchgeführt hatte, sollte und wollte er ab Dezember 2019 (vgl. Bl. 104 VH 240 Js 593/16 BtM-Sonderheft) eine Adaptionsmaßahme in der Einrichtung C in D durchführen. Dorthin begab er sich jedoch nicht. Daraufhin hörte das Amtsgericht ihn am 06.01.2020 schriftlich im Rahmen der Prüfung, ob die Restfreiheitsstrafe in dem Verfahren 240 Js 593/16 zur Bewährung ausgesetzt werden soll, an. Mit Schreiben vom 08.01.2020 hörte es den Verurteilten schriftlich dazu an, dass beabsichtigt sei, ihm im Falle der Reststrafenaussetzung zur Bewährung aufzugeben, die o. g. Adaptionsmaßnahme durchzuführen und nicht ohne Einwilligung des Therapeuten zu verlassen. In dem Verfahren 240 Js 1005/14 hörte das Amtsgericht ihn mit Schreiben vom 16.11.2020 zur beabsichtigten Reststrafenaussetzung an, ohne allerdings diese Weisung zu thematisieren. Mit Schreiben vom 30.04.2020 hörte das Amtsgericht den Verurteilten erneut schriftlich an und wies darauf hin, dass eine Reststrafenaussetzung wegen des Nichtantritts der Adaptionsmaßnahme ausscheiden könne. Ein entsprechender Hinweis erfolgte auch in dem Verfahren 240 Js 593/16.

Der Verurteilte teilte daraufhin am 26.05.2020 telefonisch mit, dass er sich bei der A Bstraße beworben habe, was sich wegen Corona verzögert habe und legte eine entsprechende Bestätigung vor.

In einem Vermerk des Amtsgerichts vom 10.06.2020 ist festgehalten, dass der Verurteilte eine Kostenzusage für sechs Monate, verlängerbar auf 18 Monate, für den Aufenthalt in der Einrichtung A erhalten habe und dort seit dem 08.06.2020 wohne. Er befinde sich „derzeit“ aber in einer stationären Entgiftung. Bei der Einrichtung A handele es sich um eine stationäre Maßnahme zur Wiedereingliederung von Wohnungslosen. Diese würden dort engmaschig betreut und müssten auch an Einzel- und Gruppensitzungen teilnehmen. Deswegen solle die Vollstreckung der beiden Restfreiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden.

Am 22.06.2020 wurde der Verurteilte aus der Einrichtung disziplinarisch entlassen, weil er – so die Mitteilung vom 06.11.2020 (Bl. 29 BewH) – „massiv gegen die Hausregeln“ verstoßen habe, „mehrfach rückfällig mit Drogen“ geworden sei und sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Mitbewohnern „nicht akzeptabel“ gewesen sei. In einem ergänzenden Schreiben der Einrichtung vom 04.02.2021 wird u. a. ausgeführt: „In unseren geführten Gesprächsvermerken habe ich deutliche Anzeichen für einen Drogenkonsum gefunden, sodass aus unserer fachlichen Sicht keine Urinkontrolle nötig war, um Konsum nachzuweisen“.

Unter dem 03.11.2020 wurde gegen den Verurteilten Anklage wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Tatdatum: 24.09.2020) erhoben.

In seiner mündlichen Anhörung vor der zwischenzeitlich wegen der Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe in anderer Sache zuständig gewordenen Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Münster vom 18.01.2021 hatte der Verurteilte zuvor u.a. ausgeführt, dass er im A aufgenommen worden sei, vorher habe entgiften müssen und auf Methadon (8 ml) eingestellt worden sei. Er habe eine Urinkontrolle angeboten, welche negativ gewesen sei. Ein schriftliches Ergebnis habe er nicht. Das Protokoll der Anhörung übersandte die Strafvollstreckungskammer der Adaptionseinrichtung, welche daraufhin die o. g. Stellungnahme vom 04.02.2021 verfasste.

Ohne eine erneute Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Restfreiheitsstrafen zur Bewährung nach „§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB“ widerrufen, weil der Verurteilte der Weisung, die Wiedereingliederungsmaßnahme in der Einrichtung A e.V. fortzuführen und nicht ohne Einwilligung des Therapeuten zu beenden, nicht befolgt habe. Er habe durch seine mehrfache Drogenrückfälligkeit und sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Mitbewohnern die Beendigung der Maßnahme erzwungen. Die Strafvollstreckungskammer führt u. a. zur Begründung aus:

„Diese Überzeugung ergibt sich aus den Berichten des A vom 06.11.2020 und 04.02.2021. Die Kammer verkennt nicht, dass der Verurteilte seine Rückfälligkeit bestritten hat. Diesem Bestreiten schenkt die Kammer jedoch keinen Glauben, weil für sie nicht ersichtlich ist, weshalb sich die Einrichtung eine wiederholte Rückfälligkeit und ein inakzeptables Verhalten des Verurteilten hätte ausdenken sollen, um einen Abbruch der Maßnahme herbeizuführen. Die Darstellung der Einrichtung passt auch stimmig zu dem Bericht des Bewährungshelfers vom 04.01.2021, wonach die E in F wegen der manifesten Suchterkrankung des Verurteilten eine ambulante Therapie abgelehnt habe, was auch nachvollziehbar sei.

Soweit der Verurteilte behauptet hat, es gebe eine negative Urinkontrolle, die zeige, dass er tatsächlich nicht rückfällig geworden sei, sondern die Anzeichen von der Substitution mit Methadon herrührten, so vermag das die Überzeugung der Kammer schon deshalb nicht zu erschüttern, weil der Verurteilte das Ergebnis der von ihm behaupteten Urinkontrolle nicht vorliegen konnte, was auch stimmig zu der Angabe des A im Schreiben vom 04.02.2021, wonach gar keine Urinkontrolle durchgeführt worden sei, passt. Zudem haben das A und der Verurteilte übereinstimmend angegeben, dass die den Verurteilten seinerzeit untersuchenden Ärzte die damaligen Symptome wegen ihrer starken Ausprägung eindeutig auf einen Rückfall zurückgeführt haben. Gesichtspunkte, die diese Einschätzung ernsthaft in Zweifel ziehen könnten, hat auch der Verurteilte nicht genannt.“

Gegen den Beschluss hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, dass er sich in einer Entgiftung befinde und er sich anschließend einer Suchttherapie unterziehen wolle. Wegen der Pandemielage sei ein Termin vor Juli 2021 allerdings nicht möglich.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Der Widerruf sei auf eine einwilligungsbedürftige Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB gestützt worden, obwohl eine entsprechende Einwilligung des Verurteilten zu dieser Weisung nicht vorgelegen habe und er über die Konsequenzen eines Weisungsverstoßes nicht belehrt worden sei.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1.

Allerdings ist der angefochtene Beschluss nicht schon deswegen aufzuheben, weil sich der Widerruf auf eine unzulässige Weisung stützt, was im Widerrufsverfahren zu beachten wäre (vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 18.07.2017 – III-3 Ws 301/17 – juris m.w.N.).

Die o. g. Weisung enthält letztlich zwei Komponenten: Zum einen bedingt die Teilnahme an der „Wiedereingliederungsmaßnahme“ die Aufenthaltnahme in der Einrichtung A. Insoweit handelt es sich um eine Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB. Dementsprechend bedurfte es jedenfalls insoweit seiner Einwilligung. Darüber hinaus enthält sie aber auch die Anweisung, an einem nicht näher bestimmten aber ausweislich des Vermerks des Amtsgerichts Ahaus vom 10.06.2020 vorhandenen, therapeutischen Angebot teilzunehmen. Insoweit handelt es sich um eine nicht einwilligungsbedürfte unbenannte Weisung i.S.v. § 56c Abs. 1 StGB.

Jedenfalls bzgl. des Aufenthaltsnahmegebots handelt es sich um eine zulässige Weisung.

Die Einwilligung in die Aufenthaltsweisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 2 StGB hat der Verurteilte jedenfalls konkludent erteilt. Die konkludente Erteilung einer Einwilligung ist möglich (Sch/Sch/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 56c Rdn. 20). § 56c Abs. 3 StGB schreibt für die Einwilligungserklärung keine bestimmte Form vor. Es muss daher genügen, sofern für das Gericht hinreichend deutlich wird, dass der Verurteilte in dem Bewusstsein, eine Einwilligung zu einer entsprechenden Weisung zu erteilen, das als Einwilligung gewertete Verhalten an den Tag legt. Das ist hier der Fall: Angesichts der vielfältigen Korrespondenz seitens des Amtsgerichts Ahaus war für den Verurteilten klar, dass er eine Reststrafenaussetzung nur werde erreichen können, wenn er sich in eine entsprechende Adaptionseinrichtung begibt und dass ihm eine entsprechende Weisung erteilt werden solle. Als Reaktion hierauf erklärte er im Mai 2020 schließlich, er habe sich bei der Einrichtung A beworben. Dies zeigt, dass er die Sachlage überblickt und in eine entsprechende Weisung eingewilligt hat, zumal er sich im Juni 2020 zunächst in die Einrichtung begeben hat. Auch im Rahmen seiner Anhörung hat der Verurteilte eine vermeintlich fehlende Einwilligung zu der Weisung nicht thematisiert.

Die Weisung ist hinsichtlich des Aufenthaltsgebots hinreichend bestimmt, da sie die Einrichtung genau benennt. Auch in zeitlicher Hinsicht ist sie hinreichend klar, denn mangels anderer Angaben kann sie nur so verstanden werden, dass sie für die gesamte Bewährungszeit vom Gericht bestimmt wurde. Zu Gunsten des Verurteilten wurde lediglich die Möglichkeit aufgenommen, dass der Therapeut die vorzeitige Beendigung gestatten kann. Das ändert aber nichts daran, dass die Weisung zunächst einmal für die gesamte Bewährungszeit gilt.

Soweit die Weisung auch die Wahrnehmung eines therapeutischen Angebots festlegt, ist sie hingegen zu unbestimmt und ein etwaiger Weisungsverstoß keine taugliche Widerrufsgrundlage. Das Gericht hat die Vorgaben so bestimmt zu formulieren, dass Verstöße einwandfrei festgestellt werden können und der Verurteilte unmissverständlich weiß, wann er einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB zu erwarten hat (vgl. nur: BVerfG, Beschl. v. 24.09.2011 – 2 BvR 1165/11 –juris; OLG Hamm a.a.O.). Eine Therapieweisung muss regelmäßig Angaben zur Art und zur stationären oder ambulanten Durchführung der Behandlung, zur Therapieeinrichtung oder zum Therapeuten, zur Dauer der Therapie und zur Art und Häufigkeit der Termine enthalten (KG Berlin, Beschl. v. 30.10.2020 – 5 Ws 198 - 199/20 – juris). Hier fehlt es jedenfalls an der Angabe zur Art der Therapie (geht es um eine Drogentherapie oder allgemeine Hilfestellungen im Leben, Vermeidung von Obdachlosigkeit, Wiederherstellung der Arbeitsmarktfähigkeit etc.?) und zu Art und Häufigkeit von Terminen.

Die Weisung bzgl. des Aufenthaltsgebots ist nicht unverhältnismäßig. Sie ist insbesondere angesichts der mit ihm verbundenen engmaschigen Beobachtung des Verurteilten (vgl. Vermerk des Amtsgerichts vom 10.06.2020) geeignet, weitere Straftaten zu verhindern und angesichts der erheblichen Vordelinquenz und der von dem Verurteilten drohenden zukünftigen Delinquenz auch ansonsten nicht unangemessen.

2.

Der angefochtene Beschluss unterliegt aber wegen eines durchgreifenden Verfahrensfehlers der Aufhebung. Die Strafvollstreckungskammer hat den Anspruch des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und – damit zusammenhängend – das Gebot zureichender Sachverhaltsaufklärung verletzt.

Der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG in Verbindung mit Art. 104 GG ist durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe gerichtlicher Entscheidungen Rechnung zu tragen. Eine tragfähig begründete Entscheidung über einen Bewährungswiderruf setzt daher eine auf zureichender Sachaufklärung beruhende, in sich schlüssige und nachvollziehbare Feststellung der Widerrufsvoraussetzungen voraus (BVerfG, Beschl. v. 16.01.2020 – 2 BvR 252/19 – juris m.w.N.).

a) Hätte der Verurteilte in dem Wissen, dass dies seine disziplinarische Entlassung aus der Einrichtung bedeutet, mehrfach Drogen konsumiert oder ein sonst zur Entlassung führendes Verhalten gezeigt, so wäre zwar von einem gröblichen Verstoß gegen die Aufenthaltsweisung i.S.v. § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB auszugehen. Gröblich ist ein Verstoß, wenn er objektiv und subjektiv schwer wiegt, wobei für die subjektive Erheblichkeit Fahrlässigkeit ausreicht (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2004, 364; Sch/Sch/Kinzig, a.a.O., § 56f Rdn. 13). Angesichts des Scheiterns des Antritts der ursprünglich angedachten Adaptionsmaßnahme in D und angesichts der dem Verurteilten bekannten Bedeutung der Durchführung der Adaptionsmaßnahme für die Erlangung der Reststrafenaussetzung zur Bewährung wäre in dem zur disziplinarischen Entlassung führenden Verhalten des Verurteilten, wenn es dieses so gegeben hat, ein gröblicher Verstoß zu sehen. Es versteht sich von selbst, dass nicht nur ein eigenmächtiges Verlassen der Einrichtung einen Weisungsverstoß darstellt, sondern jedes Verhalten, das dazu führt, dass der Verurteilte die Einrichtung verlassen muss. In diesem Fall bedient sich der Verurteilte letztlich nur der Einrichtung und ihrer Regeln, um sein Verlassen zu erreichen. Dass der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gem. §§ 453a, 268a Abs. 3 StPO belehrt worden war, ist unschädlich. Die Belehrung ist keine materiellrechtliche Voraussetzung des Widerrufs. Eine fehlende Belehrung gebietet lediglich eine besonders sorgfältige Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen (vgl. BVerfG NJW 1992, 2877; OLG Celle NJW 1958, 1009; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.10.1995 – 3 Ws 604/95 – juris LS). Auch ohne Belehrung ist angesichts der dargestellten Vorgeschichte und der langjährigen Erfahrung des Verurteilten mit der Strafjustiz ein gröblicher Weisungsverstoß naheliegend.

Dass der Weisungsverstoß zudem die Besorgnis der Begehung neuer Straftaten birgt, zeigt sich an dem Vorliegen einer neuen Anklage wegen einer nach Verlassen der Einrichtung begangenen Tat.

b) Die entsprechenden Feststellungen eines solchen Verhaltens sind jedoch vorliegend unter Verletzung des Gebots einer zureichenden Sachverhaltsaufklärung und unter Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen. Zu der Stellungnahme der Einrichtung vom 04.02.2021, aus der sich nach Wertung der Strafvollstreckungskammer ergeben soll, dass überhaupt keine Urinkontrolle durchgeführt wurde, ist der Verurteilte, der eine solche Kontrolle in der Anhörung behauptet hatte, nicht mehr gehört worden. Damit wurde ihm zu einem wesentlichen entscheidungserheblichen Umstand kein rechtliches Gehör gewährt. Das Gebot zureichender Sachverhaltsaufklärung hätte zudem erfordert, näher aufzuklären, welche „Anzeichen“ für einen Drogenkonsum festgestellt worden sind, ob diese nicht auch auf einer Methadonsubstitution haben beruhen können, welches „nicht akzeptable Verhalten“ der Verurteilte ansonsten an den Tag gelegt und gegen welche „Hausregeln“ er ansonsten verstoßen hat und ob er über letztere und darüber, dass ein entsprechender Verstoß seine disziplinarische Entlassung zur Folge hat, aufgeklärt worden ist. Weiter wäre ggf. erforderlich gewesen, in unmittelbarer Gegenüberstellung des Verurteilten mit dem entsprechenden Mitarbeiter der Einrichtung aufzuklären, ob der Verurteilte ein Drogenscreening vorgelegt hat und dies lediglich von der Einrichtung nicht mehr für erforderlich erachtet wurde oder es ein solches gar nicht gegeben hat.

c) Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache – angesichts des vorliegenden Verfahrensverstoßes – zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Münster zurückzugeben.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 6.5.2021 - 4 Ws 77 - 78/21

 

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