EuGH: Gebot der Entgeltgleichheit gilt auch für "gleichwertige Arbeit"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.06.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|10225 Aufrufe

Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer gehört zu den zentralen Grundregeln der Europäischen Sozialpolitik (Art. 157 AEUV). Schon seit über 40 Jahren ist anerkannt, dass die Regel unmittelbare Wirkung entfaltet, benachteiligte Arbeitnehmer - faktisch fast immer: Arbeitnehmerinnen - sich also gegenüber ihrem Arbeitgeber unmittelbar auf Art. 157 AEUV berufen können (grundlegend EuGH, Urt. vom 8.4.1976 - 43/75, Slg. 1976, 455 = NJW 1976, 2068 - Defrenne II). Weithin ungeklärt ist bislang allerdings die Reichweite des Gebots, nicht nur gleiche, sondern auch gleichwertige Arbeit gleich zu vergüten. Hier hat der EuGH in Sachen Tesco Stores nun gleich drei wesentliche Aussagen getroffen:

  1. Arbeitnehmer können sich auf die Verletzung des Entgeltgleichheitsgrundsatzes nicht nur hinsichtlich gleicher, sondern auch (bloß) gleichwertiger Arbeit berufen.
  2. Voraussetzung ist aber, dass die Ungleichbehandlung aus einer "einheitlichen Quelle" resultiert, also beispielsweise vom Arbeitgeber selbst durch entsprechende Vergütungsregeln zu verantworten ist. Das bedeutet umgekehrt: Das Gebot beinhaltet nicht, dass unterschiedliche Arbeitgeber gleichwertige Arbeit gleich bezahlen müssen (in diesem Sinne bereits EuGH, Urt. vom 13.1.2004 - C-256/01, ECLI:EU:C:2004:18 = NZA 2004, 101 - Allonby), es verlangt auch von den Tarifvertragsparteien keinen "Quervergleich" mit möglicherweise gleichwertigen Tätigkeiten in anderen Branchen.
  3. Welche Tätigkeiten "gleichwertig" sind, obliegt der Tatsachenwürdigung durch die nationalen Gerichte.

EuGH, Urt. vom 3.6.2021 - C-624/19, ECLI:EU:C:2021:429 = BeckRS 2021, 12864

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