OWi-Klassiker: Urteil ohne Gründe => erfolgloser Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.06.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|37161 Aufrufe

Zwei- oder dreimal im Jahr gibt es veröffentlichte OLG-Entscheidungen zu fehlenden Urteilsgründen. Ein OWi-Klassiker also. Im Rahmen der Rechtsbeschwerde führen fehlenden Gründe allein durch die nicht weiter zu begründende Sachrüge zur Urteilsaufhebung. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist dagegen meist erfolglos. Wie hier:

 

  

Der auf die Sachrüge zu beachtende Umstand, dass das Amtsgericht das Urteil nicht mit Entscheidungsgründen versehen hat, obwohl kein Anwendungsfall des § 77b OWiG gegeben ist, führt allein nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (BGHSt 42, 187; Senat, Beschluss vom 17. Juli 2020 - 3 Ws (B) 146/20 -, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 - (1Z) 53 Ss-OWi 518/20 (303/20) -, juris m.w.N.; OLG Celle, Beschluss vom 2. November 2017 - 3 Ss (OWi) 231/17 -, BeckRS 2017, 131691; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. August 2009 - 5 Ss 1249/09 -, juris).

 Dass vorliegend ein mit Gründen versehenes Urteil innerhalb von fünf Wochen zu den Akten zu bringen war, folgt bereits aus der gesetzlichen Regelung gemäß den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1, 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO und betrifft insoweit keine Rechtsfrage, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig ist (vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 17. September 2020 - 3 Ws (B) 189/20 -, juris).

 Die bei nicht vorhandenen Urteilsgründen lediglich nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten sein kann, ersetzt nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 OWiG (vgl. BGHSt 42, 187; Senat, Beschluss vom 17. Juli 2020 a.a.O. und OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 a.a.O.). Dies heißt indes nicht, dass das Fehlen von Urteilsgründen im Einzelfall nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrages führen kann. Erforderlich ist in einem solchen Fall die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 80 Abs. 1 OWiG anhand des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages und sonstigen Umständen, wie zum Beispiel nachgeschobenen Gründen oder dienstlichen Äußerungen (vgl. BGHSt 42, 187; Senat, Beschluss vom 17. Juli 2020 a.a.O. und OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 a.a.O.). Denn auf die erhobene Sachrüge können die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde häufig ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden (BGHSt 42, 187). Dies gilt insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufzeigen und bei denen nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 OWiG vorliegen (vgl. BGHSt 42, 187; Senat, Beschluss vom 17. Juli 2020 a.a.O. und OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 a.a.O.). All dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Vorschaltverfahren handelt (vgl. Hadamitzky a.a.O. § 80 Rn. 5), bei dem ermittelt wird, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen ist (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 a.a.O.).

 Kann jedoch bei tatsächlich und rechtlich schwierigen Ordnungswidrigkeiten ohne Kenntnis der Urteilsgründe nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, und können solche Zweifel auch nicht unter Heranziehung der oben genannten Erkenntnismöglichkeiten ausgeräumt werden, so führt in einem solchen Einzelfall das Fehlen von Urteilsgründen zur Begründetheit des Zulassungsantrages (vgl. BGHSt 42, 187; Senat, Beschluss vom 17. Juli 2020 a.a.O. und OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. November 2020 a.a.O.).

 Konkrete Anhaltspunkte, aus denen sich in dem hier einfach gelagerten Bußgeldverfahren ergeben könnte, dass bei einer ordnungsgemäßen Begründung des Urteils möglicherweise ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben wäre, sind aus den Gesamtumständen nicht ersichtlich. Wie sich aus dem Urteilstenor, dem Hauptverhandlungsprotokoll, dem Bußgeldbescheid vom 25. September 2020, dem Eichschein und dem Zulassungsantrag ergibt, ist die Betroffene wegen eines am 16. Juli 2020 begangenen fahrlässigen (einfachen) Rotlichtverstoßes, der mittels eines geeichten Gerätes in einem standardisierten Messverfahren festgestellt worden ist, zu einer Geldbuße von 90 Euro verurteilt worden. Dem Bußgeldbescheid ist zu entnehmen, dass die Betroffene durch ein Lichtbild als Fahrzeugführerin identifiziert worden ist. Zweifel an der Betroffenen als Fahrzeugführerin ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht, zumal die Betroffene ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden wurde.

KG Beschl. v. 3.6.2021 – 3 Ws (B) 148/21 - 122 Ss 65/21, BeckRS 2021, 12946 

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