Deutsche Medienregulierung für Anbieter in Irland - Die EU-Kommission wird schärfer im Ton

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 28.06.2021
Rechtsgebiete: Medienrecht1|2759 Aufrufe

Egal ob Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), Medienstaatsvertrag (MStV) oder Jugendschutzgesetz (JuSchG) - regelmäßig kritisiert die KOM die deutschen Entwürfe zur nationalen Medienregulierung in den Notifizierungsverfahren. Immer wieder wird die Missachtung unionsrechtlicher Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie und der AVMD-Richtlinie moniert.  Jetzt wird die KOM anlässlich der Notifizierung einer "Satzung der Landesmedienanstalten zur Regulierung von Medienintermediären gemäß § 96 Medienstaatsvertrag“ deutlicher und weist im Falle der Missachtung seiner Einwände auf die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens hin.

Das Dilemma der deutschen Medienpolitik liegt auf der Hand: Soll nationale Medienregulierung zu "Hass und Hetze" in Sozialen Netzwerken  oder zum Jugendschutz überhaupt einen Effekt haben, muss sie auch für die großen marktrelevanten Anbieter wie Google, Facebook, Twitter, TikTok, Netflix und Amazon gelten. Andernfalls wäre der praktische Anwendungsbereich von NetzDG, MStV und JuSchG gleich Null - und deutsche Mediengesetzgebung nahezu überflüssig. Damit bleibt Medienpolitiker*innen in Deutschland eigentlich nichts anderes übrig, als daran zu glauben, dass abstrakt-generelles deutsches (Medien-)Recht auch Unternehmen mit Sitz in Dublin, Amsterdam und Luxemburg binden kann. Die Frage, ob dann nicht auch Diensteanbieter in der Bundesrepublik z.B. ungarische Medienverbote zu beachten hätten und darüber hinaus noch französisches, italienisches, irisches etc. Recht, wird im Dunkel nationaler Scheuklappen eher nicht gestellt. Bund und Länder können aus politischen Gründen nicht anders, als das Herkunftslandprinzip bestenfalls als halbverbindlichen Programmsatz zu bagatellisieren, der für andere gelten mag, hingegen nicht für sie selbst. So wurden die bisherigen Mahnungen aus Brüssel, Deutschland möge doch das Herkunftslandprinzip und andere unionsrechtliche Vorgaben beachten, mit einer atemberaubenden Konstanz ignoriert.

Nun verschärft die Kommission im Rahmen der Notifizierung der untergesetzlichen Satzung der Landesmedienanstalten nach § 96 MStV die Gangart. In seiner Mitteilung 315 (Notifizierung: 2021/0159/D) verfasst die Kommission eine "ausführliche Stellungnahme" (Art. 6 Abs. 2 RL 2015/1535). Nach Prüfung des notifizierten Entwurfs, welche "auch im Lichte des Medienstaatsvertrags" erfolgt ist, gelangt die Kommission zu der Auffassung, "dass einige der in diesem Entwurf enthaltenen Maßnahmen eine unangemessene Beschränkung der im Binnenmarkt geschützten Dienstleistungen der Informationsgesellschaft darstellen und des Weiteren nicht gerechtfertigt und verhältnismäßig zur Erreichung des Schutzes des Medienpluralismus sind. Insbesondere enthält der notifizierte Entwurf zahlreiche Verpflichtungen für Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, unabhängig von ihrem Niederlassungsort".

Neu ist u.a., dass die Kommission aufgrund der Vielzahl der deutschen Regulierungsansätze wie u.a. dem NetzDG aufgrund einer "kombinierten Wirkung" von einem schwerwiegenden Eingriff in die in die Dienstleistungsfreiheit der Informationsgesellschaft ausgeht. Im Wortlaut wird in der KOM Mitteilung ausgeführt:

Schließlich stellt die Kommission fest, dass die derzeitige Notifizierung nicht nur im Lichte der Notifizierung
2020/26/D, sondern auch anhand anderer neueren Mitteilungen im Zusammenhang mit dem Vertrag über
staatliche Medien und dem Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG), d. h. den Notifizierungen 2020/813/D, 2021/39/D,
2021/45/D, 2021/204/D und 2021/38/D, zu bewerten ist, was die Kommission veranlasste, den deutschen
Behörden Bemerkungen zu übermitteln, die ihre Vorbehalte und Bedenken geltend machen. Die Kommission ist
der Auffassung, dass jedes einzelne, aber auch die kombinierte Wirkung einer Vielzahl von notifizierten Gesetzen,
die eine gewisse übermäßige Beschränkung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen
darstellen, zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der Informationsgesellschaft führen
kann ohne dass dies durch die Verfolgung des Ziels des Medienpluralismus gerechtfertigt ist.

Wie schon im Rahmen der Notifizierung des Medienstaatsvertrags legt die EU-Kommission abermals ausführlich dar, weshalb die vorgesehenen Bestimmungen das Herkunftslandprinzip nach Art. 3 Abs. 2 ECRL nicht hinreichend beachten und vom deutschen Regulierer auch keine Angaben für das Vorliegen von Ausnahmen nach Art. 3 Abs. 4 ECRL gemacht worden sind. Darüber hinaus legt die KOM dar, dass sich bestimmte Verpflichtungen des Medienstaatsvertrags (insbesondere Transparenzpflichten) mit Artikel 5 der Verordnung (EU) 2019/1150 überschneiden. Die Kommission "erinnert" daher daran, "dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, nationale Vorschriften zu den in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden und abschließend geregelten Fragen zu erlassen, da dies ihre unmittelbare und einheitliche Anwendung beeinträchtigen würde. In diesem Zusammenhang wäre die unmittelbare und einheitliche Anwendung der Verordnung in der Praxis nicht gewährleistet, wenn ein Mitgliedstaat nationale Anforderungen in Angelegenheiten einführen könnte, die in den Anwendungsbereich von Artikel 5 der Verordnung fallen. Die Kommission stellt ferner fest, dass die Überschneidungen zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Recht keine reine Auslegung darstellen, die durch die Anwendung von Erwägungsgründen gelöst werden könnte".

Auf die Folgen ihrer "ausführlichen Stellungnahme" i.S.d. Art. 6 Abs. 2 RL 2015/1535 weist die EU-Kommission deutlich hin:

Aus den oben genannten Gründen gibt die Kommission eine ausführliche Stellungnahme gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2015/1535 ab, wonach der notifizierte Entwurf gegen Artikel 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und gegen Artikel 5 der Verordnung (EU) 2019/1150 verstoßen würde, wenn er ohne gebührende Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen angenommen werden sollte.
Die Kommission weist die deutsche Regierung darauf hin, dass die Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme
nach Artikel 6 Absatz 2 der genannten Richtlinie (EU) 2015/1535 den Mitgliedstaat, der den betreffenden Entwurf
einer technischen Vorschrift verfasst hat, verpflichtet, diesen nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab Notifizierung
anzunehmen.
(...)
Die Kommission weist die deutsche Regierung des Weiteren darauf hin, dass der Mitgliedstaat, an den die ausführliche Stellungnahme gerichtet wurde, nach dieser Bestimmung ebenfalls verpflichtet ist, die Kommission über die von ihm beabsichtigten Folgemaßnahmen zu informieren.
Die Kommission fordert die deutsche Regierung darüber hinaus auf, ihr den endgültigen Wortlaut des betreffenden Entwurfs einer technischen Vorschrift in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2015/1535 unverzüglich nach seiner Annahme mitzuteilen.

De EU-Kommission verdeutlicht schließlich auch die möglichen Konsequenzen einer (neuerlichen) Ignoranz ihrer Einwände:

Sollte die deutsche Regierung den in der Richtlinie (EU) 2015/1535 vorgesehenen Pflichten nicht nachkommen oder sollte der Wortlaut des betreffenden Entwurfs einer technischen Vorschrift ohne Berücksichtigung der obigen Einwände angenommen werden oder auf andere Art und Weise gegen das Recht der Europäischen Union verstoßen, kann die Kommission gemäß Artikel 258 AEUV ein Verfahren einleiten.

 

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Ob mit, oder ohne, oder in EU: Was Typen wie Merkel und Maas wünsche, ist der Einmarsch von Wehrmacht und Waffen-SS in anderen Ländern - es hat DEUTSCH zu gelten. Alles andere ist Hass und Hetze, und was das ist, sagt Maas.

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