Hessisches LAG: Fahrrad und Handy für Arbeitnehmer im Lieferdienst

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.06.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2210 Aufrufe

Ein Arbeitnehmer, der mit seinem Fahrrad Bestellungen ausliefert und den Kontakt zum Arbeitgeber, den Kunden und den Restaurants mit dem Mobiltelefon halten muss, hat Anspruch darauf, dass Fahrrad und Mobiltelefon vom Arbeitgeber bereitgestellt werden.

Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht in zwei Verfahren entschieden.

Beide Kläger sind Arbeitnehmer eines Lieferdienstes. Arbeitsvertraglich ist vereinbart, dass sie während der Einsätze die Ausstattung (das „Equipment“) des Lieferdienstes benutzen. Zu diesem "Equipment", für das sie aufgrund einer gesonderten Vereinbarung eine Kaution von 100 Euro hinterlegen müssen, gehören weder ein Fahrrad noch ein Mobiltelefon. Die Kläger sind aber nach ihrem Arbeitsvertrag verpflichtet, auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Sie bedürfen zur Ausübung ihres Berufs zudem zwingend eines Mobiltelefons, um die App des Arbeitgebers verwenden zu können, über die ihre einzelnen Einsätze organisiert werden. Die Arbeitgeberin schreibt ihnen je gearbeiteter Stunde bei einem Vertragspartner 0,25 Euro für Fahrradreparaturen gut.

Ein Kläger verlangte von der Arbeitgeberin die Bereitstellung eines Fahrrads und eines Mobiltelefons, der andere Kläger lediglich des Handys. In erster Instanz wurden ihre Klagen vom ArbG Frankfurt am Main abgewiesen (Urt. vom 29.1.2020 - 2 Ca 5722/19, Urt. vom 29.6.2020 - 21 Ca 5470/19).

Ihre Berufungen hatten beim Hessischen Landesarbeitsgericht Erfolg. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es zur Begründung:

Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Revision wurde zugelassen.

Hessisches LAG, Urt. vom 12.3.2021 - 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20, Pressemitteilung hier

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