Theorieprüfung: Täuschungsversuch mit Minikamera

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.06.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3028 Aufrufe

Eine Kamera im Knopfloch. Bei der theoretischen Prüfung für den Führereschein. Der ertappte Fürerescheinbewerber war da recht uneinsichtig. Das VG Düsseldorf hatte da richtigerweise kein Mitleid:

Die Klage wird abgewiesen.

 Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 Tatbestand: 

 Der ... 1980 geborene Kläger stellte am 9. Juli 2018 bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B.

 Der Kläger trat am 3. September 2018 bei der Technischen Prüfstelle in N. zur theoretischen Fahrprüfung an. Der anwesende Prüfer der TÜV S. L. GmbH (nachfolgend: TÜV S.), Herr N1. I. , teilte der Fahrerlaubnisbehörde am selben Tag mit, dass der Kläger im Rahmen der Prüfung vorsätzlich unerlaubte Hilfsmittel eingesetzt habe. In der Knopfleiste des (grün-weißen) Hemdes des Klägers habe sich eine Kamera befunden. Der Kläger habe immer wieder an seinem Hemd „herumgezupft“. Nachdem er − der Prüfer − ein Schild vor dem Prüfling platziert habe, habe letzterer alle Fragen falsch beantwortet. Die Prüfung wurde daraufhin als nicht bestanden gewertet.

 Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 25. September 2018 mit, dass sie aufgrund des Täuschungsversuchs beabsichtige, dessen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis abzulehnen. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 2018, dass der erhobene Vorwurf inakzeptabel sei. Der Prüfer habe ihm Unrecht getan. Er habe unter einer schlechten psychischen Verfassung gelitten, als der Prüfer ein Holzbrett vor seine Brust gelegt habe. Er sei sehr verärgert gewesen und habe nur aus der Situation entkommen wollen.

 Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis ab. Der Kläger erhob gegen den Versagungsbescheid Klage (6 K 9067/18). Das Gericht schlug unter Hinweis auf den Aufwand und die Unwägbarkeiten einer Beweisaufnahme die Aufhebung des Versagungsbescheides durch die Beklagte und im Gegenzug die Klagerücknahme durch den Kläger vor. Die Beteiligten nahmen diesen Vergleichsvorschlag an.

 Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2019 mit, dass auf seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis die theoretische Fahrerlaubnisprüfung als Einzelprüfung angeordnet werde. Der Kläger teilte daraufhin mit, dass die Anordnung einer Einzelprüfung nicht nachvollziehbar sei und bat um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides.

 Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Februar 2020 den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis (erneut) ab. Sie führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Anordnung der theoretische Fahrerlaubnisprüfung als Einzelprüfung sei zur Verhinderung weiterer möglicher Täuschungshandlungen des Klägers gemäß dem Erlasses III B 2-21-02/4.2.4.2. des Landesverkehrsministeriums vom 25. Juni 2015 angeordnet worden. Dies sei dem Kläger auch mitgeteilt worden. Da dieser jedoch nicht mit dieser Entscheidung einverstanden gewesen sei und einen rechtsmittelfähigen Bescheid verlangt habe, sei die Erteilung der Fahrerlaubnis zu versagen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18. Februar 2020 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

 Der Kläger hat am 20. Februar 2020 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt zur Klagebegründung im Wesentlichen vor: Der Bescheid vom 13. Februar 2020 beruhe auf nicht nachweisbaren und frei erfundenen Vorwürfen. Die Ordnungsverfügung vom 16. Oktober 2018 sei aufgehoben worden, womit sich die Vorwürfe „erledigt“ hätten. Es bestehe zudem keine Rechtsgrundlage für die angeordnete Einzelprüfung. Der Erlass des Landesverkehrsministeriums vom 25. Juni 2015 betreffe völlig andere Fälle und könne daher nicht herangezogen werden. Zudem liege ein Grundrechtseingriff gemäß „Art. 3 ff. GG, Art. 2, 6, 14 EMRK“ vor.

 Der Kläger beantragt,

 die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 13. Februar 2020 zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

 Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.

 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des Prüfers des TÜV S. , Herrn N1. I. . Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte 6 K 9067/18 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe: 

 Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

 Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis durch die Beklagte zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

 Vgl. zur fehlenden Spruchreife: VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2015 - 6 K 5037/14 -, juris, Rn. 15.

 Die Fahrerlaubniserteilung setzt das Bestehen einer theoretischen Fahrprüfung voraus, welche von der zuständigen Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr (nachfolgend: Technische Prüfstelle) nach Beauftragung durch die Fahrerlaubnisbehörde durchgeführt wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG i.V.m. §§ 15, 22 Abs. 4 Satz 1 FeV). Wurde die theoretische Fahrprüfung - wie hier - noch nicht erfolgreich abgelegt, kommt lediglich ein Anspruch auf Beauftragung der Technischen Prüfstelle mit der Fahrprüfung des Bewerbers (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV) in Betracht. Dies setzt voraus, dass alle Erteilungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG, mit Ausnahme der Befähigung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG, vorliegen.

 Vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 11 C 08.889 -, juris, Rn. 69; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2015 - 6 K 5037/14 -, juris, Rn. 15 f. m.w.N.

 Dem Kläger steht kein derartiger Anspruch auf Beauftragung der Technischen Prüfstelle (mehr) zu, weil die Beklagte der Technischen Prüfstelle bereits rechtmäßig einen Prüfauftrag in Form einer Einzelprüfung erteilt hatte, zu der der Kläger aber nicht angetreten ist. Der Kläger durfte die Anordnung der Einzelprüfung nicht verweigern, weil die Anordnung rechtmäßig war.

 Die Befugnis zur Erteilung eines Prüfauftrages in Form einer Einzelprüfung ergibt sich mangels spezieller Rechtsgrundlage aus § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV i.V.m. § 10 VwVfG NRW. Demnach steht die Verfahrensgestaltung - hier die Art bzw. Ausgestaltung des Prüfauftrages gegenüber der Technischen Prüfstelle − im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Die Behörde hat hierbei gemäß § 40 VwVfG NRW ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Das Gericht kann insoweit nur überprüfen, ob die Behörde das Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

 Vorliegend wird das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde durch den Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 2015 (III B 2-21-02/4.2.4.2.) gelenkt und gebunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine innerdienstliche Richtlinie, die keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Bürger begründet. Sie entfaltet im Verhältnis zum Bürger nur deshalb Wirkungen, weil die Verwaltung zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist und sich demgemäß durch die pflichtgemäße Anwendung der Verwaltungsvorschriften selbst bindet. Maßgeblich ist die bestehende Verwaltungspraxis.

 Vgl. insgesamt OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Oktober 2020 - 8 A 2020/20 -, juris, Rn. 4, vom 21. Dezember 2018 - 8 A 2763/17 -, juris, Rn. 4, und vom 23. August 2011 - 8 A 2247/10 -, juris, Rn. 24 ff.

 Hiervon ausgehend hatte die Beklagte ermessensfehlerfrei eine Einzelprüfung angeordnet. Denn die Verwaltungsvorschrift legt fest, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen mit Hilfe Dritter (nicht „Abschreiben“ oder „Spicken“) in der Regel auf dem Prüfauftrag eine Einzelprüfung anordnet. Eine Täuschungshandlung setzt voraus, dass ein Prüfling eine selbstständige und reguläre Prüfungsleistung vorspielt, obwohl er sich bei deren Erbringung in Wahrheit unerlaubter Hilfe bedient hat.

 Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2013 - 14 A 880/11 -, juris, Rn. 32; VG Stade, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 A 3809/17 -, juris, Rn. 63; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 229.

 Dabei kommt es für die Annahme einer Täuschungshandlung nicht darauf an, ob diese tatsächlich gelungen oder lediglich versucht worden ist.

 Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Juni 2009 - 15 K 5332/07 -, juris, Rn. 44; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 230.

 Bereits das Mitführen eines unzulässigen Hilfsmittels (im Prüfungsraum) während der Prüfung reicht grundsätzlich für die Begründung einer Täuschungshandlung aus.

 Vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 5. November 2019 - 2 B 388/18 -, juris, Rn. 12; VG Göttingen, Beschluss vom 29. März 2004 - 4 B 32/04 -, juris, Rn. 22; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 229 m.w.N.

 Nach diesen Maßstäben liegt eine Täuschungshandlung des Klägers mithilfe Dritter vor. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Rahmen der theoretischen Führerscheinprüfung am 3. September 2018 eine Minikamera mitführte, um mittels Funkverbindung die gestellten Prüfungsfragen an Kontaktpersonen außerhalb des Prüfungsraumes zu übersenden.

 Vgl. zur Methodik auch Henseler/Eichhoff, Schummeln als Straf…, NZV 2019, S. 450 ff., abrufbar über beck-online; Focus online; Bericht vom 1. Oktober 2018: Immer mehr Hightech-Schummeleien bei Führerscheinprüfung; abrufbar über: https://www.focus.de/panorama/welt/kriminalitaet-immer-mehr-hightech-sch... Die Welt, Bericht vom 16. Oktober 2016: Das lukrative Geschäft mit der Führerscheinprüfung, abrufbar über: https://www.welt.de/regionales/nrw/article158763671/Das-lukrative-Gescha....

 Der in der Fahrprüfung anwesende Prüfer des TÜV S. , Herr N1. I. , hat diesbezüglich bei seiner Vernehmung als Zeuge nachvollziehbar geschildert, dass der Kläger sich im Rahmen der Fahrprüfung am 3. September 2018 ausgesprochen auffällig verhalten habe, nämlich dauernd an seinen oberen Hemdknöpfen herumhantiert und seinen Oberkörper nach links und rechts bewegt habe. Er habe den Kläger daraufhin nach ca. drei beantworten Fragen auf diese Auffälligkeiten angesprochen und ein Holzbrett vor dessen Brust gestellt, um zu verhindern, dass der Bildschirm mit den Prüfungsfragen im Erfassungsbereich einer am Oberkörper versteckt getragenen Minikamera liegt. Der Kläger habe daraufhin keine Auffälligkeiten mehr gezeigt und bereits ca. acht Minuten später die Prüfung beendet. Die Auswertung habe eine sehr hohe Fehlerquote von 82 Fehlerpunkten ergeben. Maximal seien 110 Fehlerpunkte möglich. Er gehe deshalb davon aus, dass der Kläger die ersten drei Fragen richtig beantwortet habe und sodann - nach Verdeckung der Kamera durch das Holzbrett - im Wesentlichen nur noch falsche Antworten abgegeben habe. Das Gericht hat nicht ansatzweise Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Insbesondere ist keine Motivation des Zeugen erkennbar, den Kläger grundlos zu belasten.

 Hiervon ausgehend ist das Gericht − auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks − in der Gesamtschau davon überzeugt, dass der Kläger während der Fahrprüfung eine Minikamera in der Knopfleiste seines Hemdes mitführte, um sich der Hilfe Dritter mittels Aufzeichnung der Prüfungsfragen zu bedienen. Das auffällige Herumhantieren des Klägers an seinen oberen Hemdknöpfen sowie das Schwenken des Oberkörpers nach links und rechts diente offenkundig der Ausrichtung bzw. Erweiterung des begrenzten Aufzeichnungswinkels der Minikamera. Hierfür spricht insbesondere, dass der Kläger sein auffälliges Verhalten nach Platzierung des Holzbrettes und der damit verbundenen Verdeckung der Knopfleiste einstellte. Letzteres wäre widersinnig, wenn das Herumhantieren an der Knopfleiste bzw. das Schwenken des Oberkörpers auf andere Ursachen − wie beispielsweise prüfungsbedingte Nervosität - zurückzuführen wäre; zumal der Kläger dies auch nicht glaubhaft dargelegt hat. Der Umstand, dass der Zeuge die Minikamera selbst nicht wahrgenommen hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Angesichts der geringen - mit einem Stecknadelkopf vergleichbaren - Größe von wenigen Millimetern bzw. der Tarnung als Hemdknopf ist offensichtlich, dass derartige Kameras regelmäßig nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind. Für den Einsatz der Minikamera spricht zudem, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts überhaupt nicht dazu in der Lage war, die Prüfung ohne fremde Hilfe erfolgreich zu absolvieren. Dies zeigt sich insbesondere in der auffällig hohen Fehlerquote des Klägers. Die 82 Fehlerpunkte sind nach Einschätzung des Gerichts maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der Zeuge die Minikamera durch das Holzbrett verdeckte und dadurch die Hilfe durch Dritte vereitelte. Hierfür spricht auch, dass der Kläger die ersten drei Fragen in ca. drei Minuten, die restlichen 27 Fragen - nach Platzierung des Holzbrettes - in ca. acht Minuten beantwortete.

 Eine plausible Erklärung für diese auffällige Geschwindigkeitszunahme und die hohe Fehlerquote hat der Kläger nicht erbracht. Im Gegenteil: Soweit der Kläger behauptet, er habe nach Platzierung des Holzbrettes unter einer schlechten psychischen Verfassung gelitten und aus der Situation entkommen wollen, wertet das Gericht dies als Schutzbehauptung. Denn mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 trug der Kläger (sinngemäß) vor, er habe das Platzieren des Holzbrettes als Ungleichbehandlung gegenüber anderen Prüflingen empfunden und die Prüfung nicht (ordnungsgemäß) abschließen können. In Widerspruch hierzu versuchte der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Eindruck zu vermitteln, dass die Prüfung ohne Besonderheiten abgelaufen sei, er vom Täuschungsvorwurf sogar erst nach der Prüfung erfahren habe. Erst auf mehrfache ausdrückliche Nachfrage hat der Kläger sodann geschildert, dass der Prüfer ein Holzbrett vor ihm platziert und ihn angesprochen habe. Insoweit ist nicht plausibel, dass die angeblich schlechte psychische Verfassung des Klägers nach Platzierung des Holzbrettes für das Nichtbestehen der Prüfung ursächlich war. Denn dann wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger ein derart einschneidendes Ereignis nicht erst auf mehrfache Nachfrage schildert.

 Liegt mithin eine Täuschungshandlung vor, kommt es auf den Einwand des Klägers, die Anordnung der Einzelprüfung lasse sich nicht auf einen bloßen Täuschungsverdacht stützen, nicht an. Es besteht - wie zuvor dargelegt − die volle richterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und nicht lediglich ein Verdacht, dass der Kläger im Rahmen der Fahrprüfung eine Minikamera mitführte.

 Die Täuschungshandlung mittels Minikamera ist schließlich auch als „schwerwiegend“ im Sinne der Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren. Denn grobe Täuschungsmanöver, wie der aufwändige Einsatz technischer Hilfsmittel - hier das Mitführen einer Minikamera −, stellen einen besonderen schweren Fall das Erschleichen einer Prüfungsleistung dar, weil hierdurch in besonders hohem Maße die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt werden.

 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2021 - 6 B 1868/20 -, juris, Rn. 2 ff.; VG Gießen, Urteil vom 19. Februar 2008 - 5 E 3970/07 -, juris, Rn. 36; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 244; Henseler/Eichhoff, Schummeln als Straf…, NZV 2019, S. 457, abrufbar über beck-online.

 Die Verwaltungsvorschrift verweist in der Einleitung zu „Maßnahmen bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen“ auch ausdrücklich auf Prüfungsmanipulationen mittels des Einsatzes einer (Funk-)Minikamera unter Zuhilfenahme einer Kontaktperson von außerhalb. Insoweit ist offenkundig, dass die Verwaltungsvorschrift gerade den Einsatz einer Minikamera als schwerwiegende Täuschungshandlung qualifiziert.

 Es sind im Falle des Klägers auch keine atypischen Besonderheiten ersichtlich oder vorgetragen, die ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift rechtfertigen könnten.

 Insbesondere rechtfertigt das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe die ursprüngliche Ablehnung des Fahrerlaubnisantrags mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 aufgehoben, keine andere Bewertung. Der diesbezüglich geschlossene gerichtliche Vergleich beinhaltet - entgegen der Ansicht des Klägers − weder eine „Erledigung“ noch einen „Verbrauch“ der zugrunde liegenden Täuschungshandlung des Klägers. Die Beklagte hat insbesondere keine dahingehende Erklärung abgegeben, sondern lediglich den ursprünglichen Ablehnungsbescheides vom 16. Oktober 2018 aufgehoben. Dies lässt bereits nicht den Schluss zu, dass der zugrunde liegende Vorwurf der Täuschungshandlung fallengelassen wurde.

 Der weitere Einwand des Klägers, durch die Einzelprüfung liege ein Verstoß gegen Grundrechte bzw. die EMRK vor, dringt ebenfalls nicht durch. Insbesondere der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das hieraus resultierende prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit bleiben durch die Einzelprüfung gewahrt.

 Vgl. zur Chancengleichheit bei Einzel- und Gruppenprüfungen: BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1971- VII C 5.71 -, juris, Rn. 29 f.; zum Gebot der Chancengleichheit allgemein: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 402 ff.

 Es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, welche Nachteile der Prüfling einer Einzelprüfung im Rahmen der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung gegenüber der - rein aus organisatorischen Gründen - in der Praxis regelmäßig durchgeführten Gruppenprüfung erleidet. Insbesondere bestehen keine Unterschiede hinsichtlich der in § 16 Abs. 2 u. 3 i.V.m. Anlage 7 Teil 1 zur FeV festgelegten Prüfungsanforderungen. Einwände gegen eine etwaig höhere Gebührenbelastung können im Gebührenverfahren geltend gemacht werden.

 Ein allenfalls in Betracht kommender Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot liegt ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn die Entscheidung zur Anordnung einer Einzelprüfung aus keinen sachlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. Wird vom Prüfling - wie hier - eine schwerwiegende Täuschungshandlung begangen, ist es hingegen sachlich gerechtfertigt, durch eine Einzelprüfung sicherzustellen, dass der Prüfling ausreichende theoretische Kenntnisse zum Führen von Kraftfahrzeugen - ohne unerlaubte Hilfsmittel - nachweist und nicht erneut einen Täuschungsversuch begeht. Insoweit werden durch die alleinige Aufsicht des Prüflings im Rahmen der Einzelprüfung etwaige (erneute) Täuschungshandlungen jedenfalls erschwert.

 Da der Kläger die angeordnete Einzelprüfung abgelehnt und einen rechtsmittelfähigen Bescheid gefordert hat, hat die Beklagte rechtsfehlerfrei (erneut) den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis mangels Befähigungsnachweis zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG) abgelehnt.

VG Düsseldorf Urt. v. 26.4.2021 – 6 K 957/20, BeckRS 2021, 11533 

 

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