LAG Düsseldorf: Corona-Lockdown ist Betriebsrisiko

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 17.08.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrechtCorona|1900 Aufrufe

Wird ein Betrieb nach Maßgabe der CoronaSchV vorübergehend behördlich geschlossen, schuldet der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für die Dauer der Schließung Arbeitsentgelt gemäß § 615 Satz 3 BGB (Betriebsrisikolehre).

Das hat das LAG Düsseldorf entschieden.

Die Beklagte betreibt einen Spielsalon. Die Klägerin ist bei ihr zu einem Stundenlohn von 9,35 Euro brutto (2020) zzgl. Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste beschäftigt. Im März/April 2020 musste die Beklagte ihren Betrieb aufgrund der Corona-Schutzverordnung zeitweise schließen. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, für diese Zeiträume Arbeitsentgelt zu entrichten. Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung blieb ohne Erfolg:

Die Bestimmungen der CoronaSchVO treffen unmittelbar den Arbeitgeber als Betriebsinhaber. Ihm wird die betriebliche Tätigkeit untersagt, nicht dem Arbeitnehmer das Arbeiten (die Beklagte hätte ihren Betrieb auch dann nicht öffnen können, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigte). Nur der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, gegen die behördlichen Maßnahmen rechtlich vorzugehen und gegebenenfalls eine Kompensation über öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche geltend zu machen (...). Staatliche Überbrückungshilfen in der Pandemie wurden und werden allein an Betriebsinhaber und Selbständige geleistet. ... Zudem spricht insbesondere die allein dem Arbeitgeber vorbehaltene Möglichkeit, mittels Einführung von Kurzarbeit und Beantragung von Kurzarbeitergeld das Lohnrisiko auf die Solidargemeinschaft abzuwälzen, entscheidend dafür, dass der Arbeitgeber dieses Risiko im Verhältnis zum Arbeitnehmer zunächst einmal tragen muss (...). Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Gewährung von Kurzarbeitergeld das maßgebliche Instrument zur Bewältigung der Folgen der Coronapandemie dar (...), niemand bestreitet das Vorliegen eines „unabwendbaren Ereignisses“ im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 SGB III als tatbestandliche Voraussetzung für die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Dazu passte es nicht einmal ansatzweise, wenn ein Arbeitgeber wie die Beklagte die Gewährung von Kurzarbeitergeld an ihre Mitarbeiter durch schlichte Passivität unterlaufen könnte, indem sie keine Kurzarbeit anordnete und die erforderliche Anzeige des Arbeitsausfalls (§§ 95 Satz 1 Nr. 4, 99 Abs. 1 Satz 2 SGB III) nicht erstattete. Denn ein wirtschaftliches Eigeninteresse daran hätte der Arbeitgeber bei Nichtanwendung des § 615 Satz 3 BGB im Falle eines Lockdowns zunächst einmal nicht: Er müsste den Arbeitsausfall ja so oder so nicht bezahlen. Betroffene Arbeitnehmer könnten dagegen weder Leistungen ihres Arbeitgebers noch der Bundesagentur für Arbeit beanspruchen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 30.3.2021 – 8 Sa 674/20, BeckRS 2021, 5875

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