Ablehnung der Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen: Wenn sich der Zeuge bei Anwesenheit wohl besser erinnern kann....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.08.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2695 Aufrufe

...dann ist es für das OLG Düsseldorf rechtsfehlerfrei möglich, die Entbindung abzulehnen. Derartige Entscheidungen sind schon deshalb selten, weil die Annahme einer besseren Erinnerung Monate nach der Tat allein durch das Sehen des Gesichts des Betroffenen doch recht spekulativ scheint. Aber: Es gab auch schon Entscheidungen in genau diese Richtung. Eigentlich ist das Erscheinen sonst nur nötig, um die Täterschaft zu klären. Wird diese zugestanden, muss sonst eigentlich immer entbunden werden.

 

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der zulässig gestellte Antrag ist nicht begründet.

Die vom Betroffenen alleine erhobene Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). dringt nicht durch, da die Antragbegründung keine Gehörs-verletzung aufdeckt.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen. Zutreffend hat es aufgrund einer Prognose zur Dienlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen für die durchzuführende Beweisaufnahme entschieden.

Soweit die Entscheidung über einen Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung von der Frage abhängt, ob dessen Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich. ist (§ 73 Abs. 2 OWiG), muss der Tatrichter notwendiger: weise eine Prognose über den zu erwartenden Verlauf der Beweisaufnahme mit und ohne Anwesenheit des Betroffenen anstellen. Nur auf dieser Grundlage kann er seine Entscheidung treffen, ob er auf der Anwesenheit des Betroffenen bestehen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2018, IV-2 RBs 16118 m.w.N.).

Ausgehend hiervon erweisen sich die Erwägungen des Amtsgerichts als rechtsfehlerfrei. Dem Betroffenen wird vorgeworfen, am 16. Juni 2020 als Führer eines Kraftfahrzeugs verbotswidrig bei unklarer Verkehrslage überholt sowie tateinheitlich verbotswidrig über eine Fahrstreifenbegrenzung gefahren zu sein. Die Hauptverhandlung fand am 8. April 2021 statt, also mehr als neun Monate nach der Tat. Die Feststellung, ob der Betroffene verbotswidrig überholt hat sowie verbotswidrig über eine Fahrstreifen-begrenzung gefahren ist, hing maßgeblich davon ab, ob sich der zum Hauptverhandlungstermin geladene Zeuge PHK pp. an den konkreten Einzelfall erinnerte. Eine solche Erinnerung ist regelmäßig an den optischen Eindruck von dem Betroffenen geknüpft. Ausweislich des Bußgeldbescheides vom 22. Juni 2020 hatte der Betroffene am Tattag Gelegenheit, sich zu dem Tatvorwurf zu äußern. Daher konnte der erkennende Richter davon ausgehen, dass es zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem Betroffenen und Zeugen pp. gekommen war. Dieser Umstand rechtfertigte die Annahme des Gerichts, dass die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist und der Zeuge zu zuverlässigeren Bekundungen in der Lage sein werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.07.2021 - IV 3 RBs 74/21

 

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