Zwangsvollstreckung: Unmöglichkeit der Beschäftigung wegen Corona?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 30.08.2021

1. Macht der Arbeitgeber geltend, ihm sei es unmöglich geworden, den Arbeitnehmer gemäß dem in erster Instanz erstrittenen Titel weiter zu beschäftigen, so muss er dies substantiiert im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO dartun. Der Arbeitgeber trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast.

2. Macht der Arbeitgeber geltend, die Möglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers sei durch die Corona-Pandemie unmöglich geworden, so bedarf es hierzu eines konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Vortrags. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Flugverkehrsgesellschaft ist. Die allseits bekannten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die Luftverkehrsbranche ersetzen keinen konkreten Parteivortrag in Bezug auf das konkrete Arbeitsverhältnis.

Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden.

Die Parteien streiten über die Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Im Hauptsacheverfahren hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben, die Beklagte war verurteilt worden, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als "Traffic Agent" weiter zu beschäftigen. Im Vollstreckungsverfahren hat die Arbeitnehmerin Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gestellt.

Das LAG hat den Einwand der Arbeitgeberin, ihr sei die Beschäftigung im Frühjahr 2020 unmöglich gewesen, nicht durchgreifen lassen. Zwar könne dieser Einwand auch im Vollstreckungsverfahren erhoben werden. Aber:

Nun ist es gerichtsbekannt, dass Deutschland durch das Corona-Virus in dem Zeitraum März/April 2020 stark betroffen wurde. Ferner ist allseits bekannt, dass durch die Pandemie der Reiseverkehr und damit auch die Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen stark zurückgegangen sind. Von diesen - allseits bekannten - Rahmenbedingungen abgesehen, ist für eine Außenstehende nicht ohne weiteres erkennbar, ob eine Beschäftigung bei einer Airline im Einzelfall weiter möglich war oder nicht. Die Schuldnerin hat insoweit nur pauschale Angaben gemacht, sozusagen auf die gesamtwirtschaftliche Lage verwiesen, ohne auf den konkreten Arbeitsplatz der Gläubigerin und auf den eventuellen Rückgang des konkreten Beschäftigungsbedarfs infolge des Pandemiegeschehens einzugehen. Sie trägt im Übrigen auch selbst nicht vor, dass sämtliche Flugbewegungen zum Erliegen gekommen seien. Ein konkreter Sachvortrag wäre auch vor dem Hintergrund angezeigt gewesen, dass jedenfalls ab dem 20. Mai 2020 ein teilweiser Einsatz der Gläubigerin offenkundig wieder möglich war.

Hessisches LAG, Beschl. vom 14.1.2021 - 10 Ta 357/20, BeckRS 2021, 3047

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