Fehldeutung der Geschwindigkeitsbegrenzung? Trotzdem ist Vorsatz möglich!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.09.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2126 Aufrufe

Ein ganz typischer Fall eigentlich. Der Betroffene befuhr eine Strecke mit einem Geschwindigkeitstrichter. Er war zu schnell. Er macht geltend: "Ich habe die Geschwindigkeitsbeschränkungsbeschilderung anders gedeutet. Es war ja noch ein Überholverbot für LKW angebracht. Diese LKW-Beschilderung habe ich auch auf die Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder bezogen." Das OLG meint dazu, dass sogar Vorsatz zu bejahen sei.

 

Auf die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde war lediglich der Urteilstenor des amtsgerichtlichen Urteils abzuändern. Im Übrigen war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf das Rechtsbeschwerdevorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.

 Die Begehungsform war nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf vorsätzlich zu ändern, da das Amtsgericht alle Tatsachen festgestellt hat, die den Vorsatz begründen.

 Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war am ...2019 um 10:37 Uhr auf der von dem Betroffenen befahrenen Bundesautobahn … in Höhe der Gemeinde1 unter Hinweis auf eine Verkehrskontrolle und einem Geschwindigkeitstrichter (beidseitig aufgestellte Begrenzungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h, 80 km/h und dann schließlich 60 km/h) auf 60 km//h beschränkt. Der Betroffene ist an dieser Stelle nach Abzug der Toleranz mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h gefahren.

 Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, führt die vom Amtsgericht festgestellte Fehlinterpretation der Geschwindigkeitsbeschränkung - der Betroffene hatte angegeben, das bei dem gleichzeitig angeordneten Überholverbot angebrachte Zusatzschild für Busse und Lkw dahingehend interpretiert zu haben, dass auch die mit Abstand über dem Überholverbotsschild angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkung nur für Busse und Lkw gelte - zur Umstellung des Schuldspruchs auf eine vorsätzliche Begehungsweise. Beruht das verkehrsordnungswidrige Verhalten auf einem aufgrund mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhenden Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum des Betroffenen über die rechtliche Bedeutung der von ihm optisch richtig und vollständig wahrgenommenen Beschilderung ist regelmäßig von einem vermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen, der den Tatvorsatz unberührt lässt (OLG Bamberg, BeckRS 2015, 20269; Gürtler/Thoma, in: Göhler, OWiG, 18. Auflage, § 11 Rdnr. 30).

 Darüber hinaus kannte der Betroffene seine weit überhöhte Geschwindigkeit, die er trotz der Warnhinweise auf eine Verkehrskontrolle und die sich im Rahmen des Geschwindigkeitstrichters wiederholende doppelseitig angebrachte Beschilderung nicht anpasste.

 Das Verschlechterungsverbot steht der gebotenen Schuldformberichtigung nicht entgegen. Dem Senat ist es lediglich verwehrt, die Geldbuße und ggf. die Dauer des Fahrverbots - wie es eigentlich geboten wäre - entsprechend der vorsätzlichen Begehungsweise zu erhöhen.

OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 3.2.2021 – 2 Ss-OWi 1228/20, BeckRS 2021, 21431

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Durchaus vertretbar, allerdings regelt Randziffer 38 der Verwaltungsvorschrift zu den §§ 39-43 StVO

Vorschriftzeichen für den fließenden Verkehr dürfen in der Regel nur dann kombiniert werden, wenn sie sich an die gleichen Verkehrsarten wenden und wenn sie die gleiche Strecke oder den gleichen Punkt betreffen.

Die Verwaltungsvorschrift hat zwar keine Außenwirkung für den Fahrzeugführer, jedoch ist es gar nicht so fernliegend sich darauf zu berufen, dass man mit dieser Beschilderungskombination nicht gerechnet hat und das der Vorschriftgeber bewusst einen derartigen Irrtum verhindern wollte indem er solche Kombinationen verboten hat.

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