Elektronischer Rechtsverkehr: Muss auch der Briefkopf durchsuchbar sein?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.10.2021

Schleswig-Holstein hat bekanntlich schon zum Jahresbeginn 2020 die gesamte Arbeitsgerichtsbarkeit auf elektronischen Rechtsverkehr umgestellt (hier im BeckBlog). Und so kommen nun auch die ersten Judikate zu den technischen Details überdurchschnittlich häufig aus dem echten Norden. Das ArbG Kiel fragt sich, ob eine Klage wirksam erhoben ist, wenn der Anwaltsschriftsatz nicht vollständig elektronisch durchsuchbar ist, im konkreten Fall: der Briefkopf mit Logo, Name und Adresse der Prozessbevollmächtigten nicht.

Nach § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG (ebenso für die ordentliche Gerichtsbarkeit: § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO) muss ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Eignung wird konkretisiert durch die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung-ERVV vom 24.11.2017, BGBl. I S. 3803). § 2 ERVV verlangt, dass das elektronische Dokument, soweit technisch möglich, in durchsuchbarer Form zu übermitteln ist.

Das Gericht gelangt zu einer salomonischen Lösung: An sich muss auch der Briefkopf elektronisch durchsuchbar sein. Ein etwaiger Mangel ist aber unschädlich, wenn das komplette Rubrum einschließlich der Anschriften der Prozessbevollmächtigten noch einmal im - durchsuchbaren - Text auftaucht:

§ 2 ERVV unterscheidet in Bezug auf die Durchsuchbarkeit nicht zwischen wichtigen und weniger wichtigen Teilen des Schriftsatzes. Aus dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit wäre es vorzuziehen, wenn der gesamte Schriftsatz einschließlich des Briefkopfes durchsuchbar sein müsste. Die Zulässigkeit der Schriftsatzeinreichung würde dann nicht von Wertungen des Gerichts abhängig sein. Für die Parteien und für Gerichte in verschiedenen Instanzen wäre objektiv klar, ob der Schriftsatz durchsuchbar ist oder nicht. Hiergegen spricht, dass der Briefkopf jedenfalls dann, wenn die Kanzleiadresse im Aktivrubrum in durchsuchbarer Form vorhanden ist, rechtlich völlig überflüssig ist. Die Angabe der Kontoverbindung oder der Sprechzeiten ist für die Zulässigkeit einer Klageerhebung erkennbar ohne Belang. Dies gilt, anders als bei der Frage der Bearbeitbarkeit, für alle Gerichte unabhängig vom Digitalisierungsgrad. Im Übrigen dürfte es ohnehin immer einen Restanteil von Wertungen geben, da die Briefbögen oft den Namenszug der Kanzlei in lesbarer, aber grafisch-künstlerischer Weise umgestalteter Form enthalten. Diese Anteile sind ohnehin nicht durchsuchbar, da sie digital als Bild dargestellt werden. Insofern spricht aus Gründen des Übermaßverbots viel dafür, den nicht durchsuchbaren Briefkopf in Gänze als Grafik ohne zu lesenden bzw. zu durchsuchenden Inhalt zu behandeln. Dies hätte allerdings jedenfalls für bestimmende Schriftsätze zur Folge, dass im zu lesenden Teil des Schriftsatzes das volle eigene Rubrum in Bezug auf den Prozessvertreter erforderlich wäre, was vorliegend der Fall war.

ArbG Kiel, Urt. vom 11.3.2021 - 6 Ca 1912c/20, NZA-RR 2021, 335

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