Unfallflucht: Keine Bezugnahme auf Gutachten - Schadenshöhe ist festzustellen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2219 Aufrufe

Richtig viel gibt diese Entscheidung nicht zum Sachverhalt preis. Jedenfalls war eines der Probleme die Frage eines möglicherweise abgegebenen Geständnisses durch die Beschuldigte durch die (sinngemäßen und an die Polizei gerichteten) Worte: "Ich weiß schon, warum Sie da sind!". Ein anderes Problem betraf die Schadensfeststellung:

 

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 29. September 2020 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.   Gründe:   I.   Das Amtsgericht 1 verurteilte die Angeklagte am 29. September 2020 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 40,00 €. Zudem wurde ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, welches bereits abgegolten war. Gegen das dem Verteidiger der Angeklagten am 29. Oktober 2020 mit den schriftlichen Gründen zugestellte Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrem am 06. Oktober 2020 eingelegten Recht, mittel, welches mit Verteidigerschriftsatz vom 30. November 2020 (Montag) als Revision bezeichnet und begründet wurde. Eine ergänzende Begründung wurde mit Schriftsatz vom 04. Dezember 2020 abgegeben. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.   Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 29. September 2020 durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.   II.   Der Revision kann ein (gegebenenfalls vorläufiger) Erfolg nicht versagt werden.   Die Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.   1. Die Beweiswürdigung muss eine erschöpfende Würdigung der in der Hauptverhandlung fest-gestellten Tatsachen enthalten, soweit sich aus ihnen bestimmte Schlüsse zu Gunsten oder auch zu Ungunsten der Angeklagten herleiten lassen. Sie darf keine Lücken aufweisen, muss für das Revisionsgericht nachvollziehbar sein und insbesondere erkennen lassen, auf welchem Wege das Gericht zu den Feststellungen gelangt ist, welche Grundlage der Entscheidung geworden sind (vgl. nur BGH, NStZ 1985, 184). Diesen Anforderungen werden die Aus-führungen des Urteils nicht ausreichend gerecht.   2. Die Angeklagte wurde verurteilt ausschließlich auf der Grundlage ihrer eigenen Angaben. Diese enthalten jedoch - soweit sie umfassend dargestellt sein sollten - kein Geständnis. Die Angeklagte soll gesagt haben, sie haben einen Anstoß beim Rückwärtsfahren bemerkt, sei je-doch davon ausgegangen, eine Warnbake angefahren zu haben.   Auch wenn die Bemerkung, diese Angaben „dürfte(n) eine Schutzbehauptung darstellen" im Gesamtzusammenhang als Überzeugung des Gerichts ist und nicht nur eine Mutmaßung verstanden werden kann, ist diese nicht tragfähig begründet.   Das Urteil stützt sich auf die Angabe der Angeklagten, sie habe, nachdem die Polizei bei ihr zu Hause geklingelt habe, gesagt, „dass sie schon wisse, weshalb die Beamten da seien". Das Amtsgericht hat jedoch vorschnell daraus den Schluss gezogen, dass sie demnach erkannt haben müsse, dass sie „einen nicht unerheblichen Schaden verursacht" hatte (und also den Anstoß an das Fahrzeug der Geschädigten bemerkt habe) und andere Erklärungsmöglichkeiten nicht erkennbar bedacht. So liegt es etwa bei einer pp.-jährigen, bis dahin mangels entgegenstehender Feststellungen auch verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten nicht fern, dass sie schon in einem kleineren Unfall wegen der Beschädigung einer Warnbake hinreichenden Grund für ein Tätigwerden der Polizei gesehen haben könnte.   Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung.   3.   Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Urteil bzgl. der Feststellung des entstandenen Schadens lediglich pauschal auf ein Sachverständigengutachten „zu Blatt 84 d. A." verweist. Bezugnahmen auf Aktenteile, wie beispielsweise Gutachten, sind jedoch unzulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63, Aufl. 2020, § 267 Rdnr. 2 m.w.N.). Die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigengutachtens - das wenn nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit b) StPO so ggf. mit Einverständnis der Beteiligten nach § 251 Abs. 1 StPO verlesen worden sein dürfte - finden sich im Urteil nicht. Damit kann das Revisionsgericht die Tauglichkeit des Gutachtens für den Beweis des festgestellten Schadens nicht prüfen. Die Beweiswürdigung ist auch insoweit mithin lückenhaft (vgl. insoweit nur BGHSt 34, 29, 31).
 

 OLG Dresden, Beschl. v. 01.03.2021 - 6 OLG 27 Ss 28/21, BeckRS 2021, 6844

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