Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Bewerbern

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.12.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2602 Aufrufe

Der öffentliche Arbeitgeber, der nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet ist, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn deren fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt, erfüllt seine Pflicht dadurch, dass er den Bewerber in einem einfachem Brief an die von diesem angegebene Anschrift einlädt. Er muss weder für einen gesicherten Zugang (Einschreiben oder gar Postzustellungsurkunde) sorgen noch zusätzliche Kommunikationswege (E-Mail, Telefon) bemühen.

Das hat das BAG entschieden.

Der als Schwerbehinderter anerkannte Kläger hatte sich unter einer Postfachadresse auf die von der beklagten Stadt ausgeschriebene Stelle als Kämmerer (m/w/d) beworben. Die Stadt hatte ihn mit Schreiben an diese Adresse eingeladen. Er war nicht erschienen. Die Stelle wurde mit einem anderen Bewerber besetzt. Seine Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG blieb ohne Erfolg:

Allerdings lässt allein der Umstand, dass eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch der sich bewerbenden schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nicht zugegangen ist, nicht mit der für die Annahme der Kausalitätsvermutung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass zwischen der Benachteiligung und der (Schwer)Behinderung bzw. der Gleichstellung der erforderliche Kausalzusammenhang besteht. Insoweit wirkt sich nämlich aus, dass der mangelnde Zugang eines Einladungsschreibens auf den unterschiedlichsten Gründen – auch solchen außerhalb der Risikosphäre des Arbeitgebers – beruhen kann und damit keinen Rückschluss auf die Einstellung des Arbeitgebers gegenüber (schwer)behinderten Menschen zulässt. Deshalb ist allein der Umstand, dass eine schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch der sich bewerbenden schwerbehinderten oder gleichgestellten Person nicht zugegangen ist iSv § 130 BGB, nicht geeignet, die Kausalitätsvermutung iSv § 22 AGG zu begründen. Anders verhält es sich indes, wenn der Zugang aufgrund von Umständen unterblieben ist, die in der Risikosphäre des Arbeitgebers liegen, weil dieser nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang einer Einladung bei dem/der schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Bewerber/in zu bewirken. Ein solches Verhalten ist geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Einstellung schwerbehinderter oder gleichgestellter Bewerber/innen uninteressiert zu sein.

BAG, Urt. vom 1.7.2021 - 8 AZR 297/20, AP SGB IX 2018 § 164 Nr. 4

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Die LTO-Presseschau:

BAG zu Einladungspflicht: community.beck.de (Christian Rolfs) stellt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Juli dieses Jahres vor. Danach genügen öffentliche Arbeitgeber der aus § 165 Satz 3 Sozialgesetzbuch IX folgenden Verpflichtung, schwerbehinderte Bewerber:innen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, schon dadurch, dass sie die Bewerber:innen in einem einfachen Brief einladen. Es muss weder für einen gesicherten Zugang gesorgt noch müssen zusätzliche Kommunikationswege bemüht werden.

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