HandyOWi: Nur vorsätzlich denkbar - keine Regelgeldbußenerhöhung wegen Vorsatzes

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.12.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1344 Aufrufe

Na, die Rechtsbeschwerde hätte man deshalb nicht zulassen müssen. Man kann es natürlich tun. Eigentlich ist es aber ausgepaukte Rechtsprechung, dass der Hadyverstoß nur vorsätzlich denkbar ist. Er steht ja seit einigen Jahren auch im Vorsatzteil des BKat. Klar, dass dann auch nicht die vorgesehene Regelgeldbuße nochmals wegen Vorsatzes erhöht werden darf:

 

1. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Seesen vom 10. Mai 2021 wird zugelassen, soweit es den Rechtsfolgenausspruch betrifft. In diesem Umfang wird die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter).

 2. Auf die Rechtsbeschwerde wird das genannte Urteil des Amtsgerichts Seesen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Geldbuße auf 100,- € herabgesetzt.

 3. Im Übrigen wird der Zulassungsantrag als unbegründet verworfen (Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter).

 4. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ¼ ermäßigt. Die Landeskasse hat ¼ der dem Betroffenen im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. Mai 2021 wegen vorsätzlichen Benutzens eines Gerätes zur Telekommunikation gemäß § 24 StVG i. V. m. §§ 23 Abs. 1 a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO mit einer Geldbuße von 200, - € belegt. Dabei hat das Gericht § 3 Abs. 4 a BKatVO angewandt, wonach der Regelsatz zu verdoppeln ist, wenn ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirklicht wird.

 Gegen das in Anwesenheit des Betroffenen ergangene Urteil hat dieser mit Verteidigerschriftsatz vom 11. Mai 2021, der dem Gericht am 12. Mai 2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelt worden ist, einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Diesen hat er, nachdem das Urteil sowohl dem Betroffenen als auch dessen Verteidiger am 20. Mai 2021 zugestellt worden ist, mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 - über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingegangen am selben Tag - mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet. Er beantragt, das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufzuheben.

 Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hingegen, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 OWiG lägen nicht vor. Zwar sei die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Fall des § 3 Abs. 4 a BKatVO vorliege, unzutreffend. Das erfordere die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung jedoch nicht. Denn es sei nicht zu besorgen, dass der Tatrichter seine rechtswidrige Praxis fortsetze, wenn er Kenntnis von der irrtümlichen Anwendung des § 3 Abs. 4 a BKatVO erlange.

 II.

 Das Urteil ist nach der gebotenen - teilweisen - Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Geldbuße auf 100,- € herabzusetzen. Soweit es hingegen den Schuldspruch betrifft, wird der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Folge des § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG als unbegründet verworfen, weil insoweit ein Zulassungsgrund im Sinne des § 80 Abs. 1 OWiG fehlt (vgl. zur Zulässigkeit einer Teilverwerfung: OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2018, 2 Ss (OWi) 286/18, juris; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 80 Rn. 58).

 1. Die Rechtsbeschwerde ist im Gegensatz zur Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft (insoweit durch Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Bußgeldsenat gemäß § 80a Abs. 3 OWiG in der Besetzung mit 3 Richtern zu übertragen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Zulassung ist notwendig, weil die Auffassung des Amtsgerichts zur Erhöhung wegen vorsätzlicher Begehung nicht nur gegen die Bußgeldkatalogverordnung, sondern auch gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt (dazu Nr. 2). Dass dem Amtsgericht dieser Verstoß mutmaßlich verborgen blieb, ändert daran nichts. Das erforderliche Sicherungsbedürfnis ist regelmäßig auch bei einer unbewussten Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen (OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 13 f.; Hadamitzky, a.a.O., Rn. 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die sich das OLG Oldenburg in der genannten Entscheidung bezieht, kann die Annahme, ein Fehler werde sich nicht wiederholen, nur auf konkrete tatsächliche Umstände gestützt werden, die diese Prognose rechtfertigen. Allein die bloße Erwartung, das betroffene Gericht werde sich künftig an der zutreffenden Rechtslage orientieren, genügt nicht (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 2015, 2 BvR 3071/14, juris, Rn. 14).

 2. Das angefochtene Urteil war teilweise aufzuheben, weil das Amtsgericht Seesen bei der Bemessung der Geldbuße wegen verbotswidrigen Benutzens eines Gerätes zur Telekommunikation gemäß § 24 Abs. 1 StVG i. V. m. §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO zwar zutreffend von Ziffer 246.1 BKatVO ausgegangen ist, die Regelgeldbuße von 100,- € jedoch rechtsfehlerhaft wegen vorsätzlicher Begehung gemäß § 3 Abs. 4a BKatVO verdoppelt hat. Das war falsch, weil sich § 3 Abs. 4a BKatVO auf Tatbestände des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs bezieht. Ziffer 246.1 gehört indes zum Abschnitt II der BKatVO, der mit den Worten „Vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten“ überschrieben ist, so dass § 3 Abs. 4a BKatVO auf diese Tatbestände nicht anwendbar ist.

 Dieser Einordnung liegt zugrunde, dass die vorsätzliche Begehung bei dem in § 23 Abs. 1a StVO umschriebenen Fehlverhalten gerade keinen Anlass für eine Erhöhung des Bußgeldes gibt. Denn bei dem unzulässigen Benutzen eines Gerätes zur Telekommunikation ist regelmäßig von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen (KG Berlin, Beschluss vom 30. Dezember 2019, 3 Ws (B) 386/19 - 122 Ss 173/19, juris, Rn. 2; OLG Bamberg, Beschluss vom 15. Januar 2019, 3 Ss OWi 1756/18, juris, Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 19. November 2008, 2 Ss OWi 547/08, juris, Rn. 7; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. September 2004, 1 Ss 138/04, juris, Rn. 17).

 III.

 Da somit die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Geldbuße nicht gegeben waren, führt die zugelassene Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Jedoch bedarf es keiner Zurückverweisung. Der Senat kann vielmehr, da Gründe für ein Abweichen von der Regelgeldbuße gemäß Ziffer 246.1 BKatV nicht ersichtlich sind, gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 20) und auf die Regelgeldbuße von 100,- € erkennen.

 IV.

 Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 StPO (anwendbar gemäß § 46 OWiG). Es wäre wegen des Teilerfolgs unbillig, den Betroffenen mit den gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahren zu belasten. Die konkrete Quote ist angemessen, da der Betroffene neben der Höhe der Geldbuße auch den Schuldspruch angegriffen hat (so auch OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 16).

OLG Braunschweig Beschl. v. 8.9.2021 – 1 Ss (OWi) 126/21, BeckRS 2021, 33332

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