LAG Köln bestätigt fristlose Kündigung wegen der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten zu Missbrauchsvorwürfen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 05.01.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2103 Aufrufe

Das LAG Köln (Urteil vom 2.11.2021 - 4 Sa 290/21, PM 1/2022) hat in einem Kündigungsrechtsstreit zugunsten der Arbeitgeberin, einer evangelischen Kirchengemeinde, entschieden. Der Fall ist brisant, da er im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen evangelischen Pastor steht und sich die Frage stellt, welche Rechte Mitarbeiter haben, die hiervon Kenntnis erlangen.

Die Klägerin ist bei der Arbeitgeberin, einer evangelischen Kirchengemeinde, seit 23 Jahren als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt. Soweit für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich, hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. In diesem Dienstcomputer nahm die Klägerin eine E-Mail zur Kenntnis, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau hinwies. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete. Die Klägerin gab an, sie habe die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern wollen. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos.

Vor dem ArbG Aachen hatte die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage noch Erfolg. Das LAG Köln gab indes der Kirchengemeinde recht. Die Kölner Richter sahen das für die Aufgaben der Klägerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Klägerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Klägerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen.

Hinzuzufügen wäre, dass das Verhalten der Klägerin wohl auch nicht als Whistleblowing bezeichnet werden kann. Auch wenn man die Rechte von Hinweisgebern künftig stärken betonen sollte, so wie es die noch nicht umgesetzte Whistleblowing-Richtlinie vorsieht, dürfte eine derart deutlich Verletzung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen nicht zu rechtfertigen sein.

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