Vorlage an den EuGH - Bußgeldhaftung nach dt. OWiG (LG Berlin, Deutsche Wohnen) oder nach EU-DSGVO?

von Prof. Dr. Katrin Blasek, LL.M., veröffentlicht am 05.01.2022
Rechtsgebiete: Wirtschaftsrecht|3542 Aufrufe

Nun ist auch in dieser Angelegenheit so weit: das KG Berlin (3 Ws 250/21 v. 06.12.2021) hat dem EuGH zwei Fragen zur Bußgeldhaftung von Unternehmen nach DSGVO Verstößen vorgelegt.

Es geht um die Frage, ob ein Bußgeld nach Datenschutzgrundverordnung gegen ein Unternehmen verhängt werden kann ohne Feststellung eines konkreten Vorwurfs gegen eine natürliche Person (§ 30 I OWiG).

Im Vorgang hatten das LG Bonn (basierend auf Art. 83 DSGVO) und das LG Berlin (basierend auf § 30 OWiG und Art. 103 II GG; Vorinstanz zum KG) die Frage jeweils konträr beantwortet.

Bezüglich der Argumentationslinien verweise ich auf meinen früheren Beitrag sowie auf den Beschluss des KG, der die Argumentationslinien ebenfalls strukturiert und vollständig zusammenfasst und mit zahlreichen Literaturnachweisen (das KG unterscheidet bei den Literaturmeinungen zwischen „unabhängiger Rechtsliteratur“ und „überwiegend rechtsberatender Literatur“) belegt.

https://community.beck.de/2021/03/10/bussgeldhaftung-nach-dt-owig-lg-berlin-deutsche-wohnen-oder-nach-eu-dsgvo-lg-bonn-11

https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE240662021

Und hier die Vorlage-Fragen:

1. Ist Art. 83 Abs. 4 bis 6 DS-GVO dahin auszulegen, dass es den Art. 101 und 102 AEUV zugeordneten funktionalen Unternehmensbegriff und das Funk-tionsträgerprinzip in das innerstaatliche Recht mit der Folge inkorporiert, dass unter Erweiterung des § 30 OWiG zugrundeliegenden Rechtsträgerprinzips ein Bußgeldverfahren unmittelbar gegen ein Unternehmen geführt werden kann und die Bebußung nicht der Feststellung einer durch eine natürliche und identifizierte Person, gegebenenfalls volldeliktisch, begangenen Ord-nungswidrigkeit bedarf?

2. Wenn die Frage zu 1. bejaht werden sollte: Ist Art. 83 Abs. 4 is 6 DS-GVO dahin auszulegen, dass das Unternehmen den durch einen Mitarbeiter ver-mittelten Verstoß schuldhaft begangen haben muss (vgl. Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln), oder reicht für eine Bebußung des Unternehmens im Grundsatz bereits ein ihm zuzuordnender objektiver Pflichtenverstoß aus („strict liability“)?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen