So leicht kommt man nach Unfallflucht um die Regelentziehung herum....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.01.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|2401 Aufrufe

Wie schon vor zwei Tagen ein Fundstück anlässlich einer Rechtsprechungsrecherche: Der Angeklagte war ein lieber Typ. Und dann passiert ihm eine Unfallflucht auf einem Baumarktparkplatz. Schaden 1500 Euro. AG und LG hatten Mitleid. Nur ein einmonatiges Fahrverbot gab es da:

 

 1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Dippoldiswal-de vom 09.08.2019, Az. 7 Cs 151 Js 52896/18 in seinem Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass das dort verhängte Fahrverbot auf einen Monat re-duziert wird.

 2. Die weitergehende Berufung des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

 3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens und seinen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte 85% zu tragen, 15% hiervon fallen der Staatskasse zur Last.

 Angewandte Vorschriften:

 §§ 142 Abs. 1 Nr. 1, 44 StGB

 Gründe: 

 I.

 (Prozessgeschichte)

 Das Amtsgericht Dippoldiswalde verurteilte den Angeklagten am 09.05.2019 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- EUR und verhängte gleichzeitig ein 5-monatiges Fahrverbot.

 Hiergegen richtete sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Ange-klagten, mit der er zunächst einen Freispruch anstrebte. Im Verlauf der Hauptver-handlung vor der Kammer beschränkte der Angeklagte sodann sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch.

 Dieses hatte Erfolg im Hinblick auf die Anordnung der Dauer des Fahrverbots.

 II.

 (persönliche Verhältnisse)

 Auf der Grundlage der glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie der verlesenen Urkunde konnte die Kammer folgende Feststellungen insoweit treffen:

 Nach dem Besuch der polytechnischen Oberschule erlernte der Angeklagte den Be-ruf eines Papiermachers. Er lebt mit seiner Ehefrau in Teplitz/Tschechien; aus einer vorangegangenen Beziehung hat er erwachsene Kinder, für die keine Unterhalts-pflichten mehr bestehen. Der Angeklagte arbeitet derzeit als Nachtportier in der Bavaria Klinik in Kreischa und verdient rund 1.850,- EUR brutto. Diese Arbeitsstelle hat er seit Mitte Februar 2020.

 Während die Auskunft des Kraftfahrtbundesamts in Flensburg bezüglich des Ange-klagten keine Eintragungen enthält, ist er ausweislich des Bundeszentralregisters wie folgt vorbestraft:

 1. 17.08.2006 LG Dresden - 15 KLs 116 Js 64724/01 Rechtskräftig seit: 17.08.2006 Tatbezeichnung: Steuerhinterziehung in 12 Fällen Datum der (letzten) Tat: 00.11.2001 Angewandte Vorschriften: StGB § 25 Abs. 2, § 53, § 54, § 56, AO § 370, UStG § 18 2 Jahr(e) Freiheitsstrafe. Bewährungszeit 4 Jahr(e) . Strafe erlassen mit Wirkung vom 01.10.2010.

 2. 07.04.2017 Bezirksgericht Usti nad Labem, Tschechische Rep. - 27T 120/2015 Rechtskräftig seit: 07.04.2017 Tatbezeichnung: Veruntreuung (Unterschlagung) Da-tum der (letzten) Tat: 09.09.2014 Angewandte Vorschriften: Tschech. STG 40/2009 § 206 Abs. 1-/4D

 2 Jahr(e) 6 Monat(e) Freiheitsstrafe anderer Art. Nebenmaßnahme Aussetzung zur Bewährung auf 4 Jahre. Nebenfolge: Tätigkeitsverbot: Verbot der Vermietung, des Verkaufs oder der Vermittlung mobiler Objekte, von Wohnungen, Häusern oder Gewerberäumen und Verbot der Funktionsausübung in satzungsmäßigen Organen in Handelsorganisationen mit entsprechender Tätigkeit.

 III.

 (Sachverhalt)

 Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenaus-spruch ist der von dem Amtsgericht Dippoldiswalde gefundene Schuldspruch auf der Grundlage folgenden Sachverhalts in Rechtskraft erwachsen:

 "Der Angeklagte fuhr am 31.05.2018 gegen 11.30 Uhr mit dem Pkw KIA Carens mit dem amtlichen Kennz ... auf dem Parkplatz des Toom-Baumarktes in F., S2.straße. Beim rückwärtigen Ausparken seines Fahrzeuges stieß gegen den gegenüberliegend in einer Parklücke abgeparktes Pkw Skoda Superb mit dem amtlichen Kennz ... der Geschädigten M. B., an dem durch Kollision ein Schaden in Höhe von etwa 1.500 Euro, der zwischenzeitlich reguliert worden ist, entstand.

 Obwohl der Angeklagten den Unfall bemerkte und erkannte bzw. damit rechnete, dass ein nicht völlig unbedeutender Fremdschaden entstanden war, verließ er die Unfallstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

 Die Tat wurde im Zusammenhang mit Führen eines Kraftfahrtzeuges und unter Ver-letzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen.“

 IV.

 (Strafzumessung)

 Der Strafzumessung war der Strafrahmen des § 142 Abs. 1 StGB zu Grunde zu legen, welcher von Geldstrafe bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe reicht.

 Zu Gunsten des Angeklagten sprach sein Geständnis, welches hier durch die Be-schränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch seine Bestätigung fand, sowie der zwischenzeitlich eingetretene Zeitablauf. Er ist im Straßenverkehr bisher nicht negativ aufgefallen Zu seinen Lasten sprach jedoch, dass er - wenn auch nicht einschlägig - bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Der von ihm verur-sachte, aber von seiner Versicherung regulierte Schaden war erheblich.

 Die Kammer hielt deshalb im Ergebnis hier die Verhängung einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- EUR für tat- und schuldangemessen.

 Die Festsetzung der Tagessatzhöhe beruht auf den §§ 40 Abs. 2 und 3 StGB und konnte angesichts des Verschlechterungsverbots gem. § 331 StPO nicht abgeändert werden.

 Zutreffend hatte das Amtsgericht von einer Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 StGB abgesehen, da der Angeklagte trotz seiner Lebenserfahrung bisher keinerlei Eintragungen im Verkehrszentralregister hat. Der verursachte Schaden ist zwischenzeitlich vollständig reguliert worden. Der Angeklagte hat überdies auf die Kammer auch den Eindruck vermittelt, dass er nunmehr ein ansonsten verantwortungsbewusster Mensch ist.

 Da eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in Betracht kam, schied auch die Verhängung einer Sperrfrist gem. § 69a StGB aus. Die Kammer hatte jedoch gegen den Angeklagten ein 1-monatiges Fahrverbot gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB zu verhängen, zumal die Tat im zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen wurde. Angesichts der Schadenhöhe muss ihm deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Verhalten im Straßenverkehr nicht hingenommen werden kann, auch wenn er ist auch angesichts des zwischenzeitlich eingetre-tenen Zeitablaufs nicht weiter einschlägig aufgefallen und er so bisher durch-weg weiter am Straßenverkehr noch teilnehmen konnte.

 Da der Angeklagte während seiner einwöchigen Dienstzeiten alle 2 Wochen täglich von Teplitz nach Kreischa mit seinem Pkw unterwegs ist, wird ihn die-ses Fahrverbot zwar empfindlich treffen, aber auch künftig von der Begehung ähnlich gelagerter Taten erfolgreich abhalten.

Abweichend von der Entscheidung des Amtsgerichts konnte es angesichts der Höhe der verhängten Geldstrafe und der vorgenannten Erwägungen hier jedoch bei der Dauer eines Fahrverbots am gesetzlich untersten Rand - also einen Monat - verbleiben.

 Das amtsgerichtliche Urteil war daher unter Verwerfung der Berufung im Übrigen abzuändern.

LG Dresden Urt. v. 7.1.2021 – 11 Ns 151 Js 52896/18 (2), BeckRS 2021, 8321 

 

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2 Kommentare

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Der Mann sollte den Zuständigkeitsbereich der bayerischen Gerichte lieber meiden. Da würde er sein blaues Wunder erleben.

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Die Richter in Dresden fanden, der Angeklagte sei ein lieber bzw. verantwortungsbewußter Kerl?

Die Vorstrafen des Angelkagten sprechen wohl eher dagegen.

Die 5 Monate Fahrverbot des Amtsgerichtes waren vielleicht etwas happig, aber ein Monat erscheint etwas dürftig, zumal der Angelkagte wohl keine Gründe vorbrachte, die wenigtens teilweise entschuldigend bzw. schuldmindernd zu werten wären. Jedenfals brauchte er auf einem Parkplatz eines geöffneten Baumarktes wohl keine Furcht zu haben, von den Besitzer des geschädigten Fahrzeuges (möglicherweise ein Bauunternehmer oder Bauarbeiter?) in aller Öffentlichkeit tätlich angegriffen zu werden, und wenn er Angst vor Prügel gehabt hätte, dann hätte ja außerdem doch wohl auch gereicht, wenn er nach einem Anruf bei der Polizei auf die Polizei gewartet hätte, und sich erst bei Eintreffen der Polizei dem Geschädigten zu erkennen gegeben hätte.  

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