Zu hohe Geldbuße und falsche Verkürzung des Regelfahrverbotes

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.01.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1648 Aufrufe

Das AG hatte ein langes Regelfahrverbot abgekürzt auf 1 Monat und stattdessen die Regelgeldbuße auf 3600 Euro erhöht. Letzteres geht gar nicht und hätte (wenn es der einzige Urteilsfehler gewesen wäre) wohl als eigene Sachentscheidung durch das OLG geradegezogen werden können. Es hätte also etwa das Maximalmaß von 2000 Euro festgesetzt werden können. Der Betroffene war aber wohl ganz zufrieden damit. StA und OLG aber nicht.

Dem OLG reichten aber auch die Feststellungen zu Härten durch das drohende lange Fahrverbot nicht. Rat an Verteidiger*innen: Ausführlich und belegt vortragen (näher dazu etwa in meinem Buch "Fahrverbot in Bußgeldsachen"), was bei langen Fahrverboten sicher leichter der Fall ist als beim leichter zu kompensierenden 1-Monatsfahrverbot! 

 

 

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

 Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 3.600 Euro verurteilt und ihm insoweit Ratenzahlung bewilligt. Gleichzeitig hat es gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Bewilligung der sog. „Viermonatsfrist“ angeordnet. Der Verurteilung liegt eine vorsätzliche außerörtliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 86 km/h zu Grunde. Im Hinblick auf die berufliche Situation des Betroffenen hat das Amtsgericht lediglich auf ein einmonatiges Fahrverbot erkannt, dafür aber das von ihm an sich für erforderlich erachtete Bußgeld verdreifacht.

 Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

 II.

 Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Amtsgericht Paderborn. Zu einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts bestand kein Anlass (§ 79 Abs. 6 OWiG).

 Das angefochtene Urteil weist bereits insoweit einen auf die Sachrüge hin beachtlichen durchgreifenden Rechtsfehler auf, als eine das nach § 24 Abs. 2 OWiG zulässige Maß überschreitende Geldbuße festgesetzt worden ist, was das erkennende Gericht nachträglich selbst gesehen hat. Dieser Rechtsfehler ist nach § 79 Abs. 3 OWiG, 301 StPO auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hin beachtlich.

 Angesichts der vom Amtsgericht hergestellten Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot war auch die Entscheidung über das Fahrverbot aufzuheben. Auch diese weist einen auf die Sachrüge hin beachtlichen Rechtsfehler auf. Soll vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung des Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalls auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen. Deshalb hat das Amtsgericht eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der es im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen (vgl. nur OLG Hamm Beschluss vom 23.4.2009 - 2 Ss OWi 213/09 = BeckRS 2009, 25877 m.w.N.). Vorliegend hat das Amtsgericht besonders schwere berufliche Folgen, die dem Betroffenen im Falle eines längerfristigen Fahrverbots drohen würden, gar nicht festgestellt. Es hat lediglich eine Einschätzung des Betroffenen hierzu in den Urteilsgründen wiedergegeben, die dahingeht, dass von dem Betroffenen als „Springer“ im Fahrbetrieb des Schienenpersonennahverkehrs ein hohes Maß an Flexibilität verlangt werde und er wegen wechselnder Einsatzzeiten (wobei der Einsatzbeginn häufig zu Zeiten sei, in denen noch keine öffentlichen Verkehrsmittel führen) und wechselnder Einsatzstandorte auf die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs angewiesen sei. Er könne dann seine Dienste nicht wie vom Arbeitgeber verlangt antreten. Für einen Zeitraum von einem Monat könne er dies durch Urlaub etc. kompensieren. Sein „Arbeitgeber werde indes nicht bereit sein, dies für den darüber hinausgehenden Zeitraum zu akzeptieren, sodass er seinen Arbeitsplatz absehbar einbüßen werde“. Damit hat das Amtsgericht noch nicht festgestellt, dass dem Betroffenen schwere berufliche Folgen drohen, sondern lediglich, dass der Betroffene eine entsprechende Einschätzung abgegeben hat. Eine Beweiswürdigung hat es zudem ebenfalls nicht vorgenommen.

OLG Hamm Beschl. v. 17.12.2021 – 4 RBs 278/21, BeckRS 2021, 41048

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