Hessisches LAG: Gebot fairen Verhandeln beim Aufhebungsvertrag

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.02.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1986 Aufrufe

2019 hat das BAG ein "Gebot fairen Verhandelns" entwickelt, dessen Verletzung zur Folge haben soll, dass ein Aufhebungsvertrag im Wege der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution (§ 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB) beseitigt werden kann (BAG, Urt. vom 7.2.2019 - 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688). Diese Rechtsprechung ist zu Recht kritisiert worden, weil sie unterhalb der zur Anfechtung berechtigenden Willensmängel, insbesondere der arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Bedrohung (§ 123 BGB), ein Reuerecht ermöglicht, noch dazu mit längeren Fristen (§ 195 BGB: regelmäßige Verjährung) als die Anfechtung (§ 124 BGB: ein Jahr).

Das Hessische LAG hat dazu entschieden:

Gegen das Gebot des fairen Verhandelns wird nicht dadurch verstoßen, dass Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt werden. Gegen eine unfaire Verhandlungsführung sprach im konkreten Fall, dass sich die Verhandlungen über mehrere Wochen hinzogen, dem Kläger eine Überlegungsfrist von mehreren Tagen gesetzt worden ist, dass er diese Zeit auch nutzte, um den Entwurf des Arbeitgebers einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorzulegen und er jederzeit auf den Inhalt des Aufhebungsvertrags Einfluss nehmen konnte und auch Einfluss ausgeübt hat.

Hessisches LAG, Urt. vom 11.6.2021 - 10 Sa 1221/20, BeckRS 2021, 21456

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