Referentenentwurf zur Umsetzung der RL 2019/1152/EU

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.02.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3022 Aufrufe

Bis zum 1.8.2022 muss der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in nationales Recht umsetzen. Angesichts der vielen unklaren Formulierungen in der Richtlinie hatte der Verfasser dieser Zeilen vorgeschlagen, von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie Gebrauch zu machen und nach dem Muster der Verbraucher-Informationen und Widerrufsbelehrungen (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2, Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB) ein gesetzliches Vertragsmuster zu formulieren (Rolfs ZfA 2021, 283 ff.).

Nunmehr liegt der Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie vor, der diesen Vorschlag erwartungsgemäß nicht aufgreift. Stattdessen wird in Art. 1 das NachwG um die neuen Informationspflichten der Richtlinie erweitert. Zu dem besonders komplexen und streitanfälligen Art. 4 Abs. 2 lit. j RL 2019/1152/EU, der dem Arbeitgeber auferlegt, im Vertragsnachweis über "das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen, oder, falls die Kündigungsfristen zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden können, die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen" zu informieren, zieht sich der RefE auf eine salomonische Formel zurück:

Der Vertragsnachweis muss informieren über "das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Erfordernis der Schriftform der Kündigung und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage".

Mit dem hübschen Wort "mindestens" spielt der deutsche Gesetzgeber den Schwarzen Peter in die Hände der Arbeitgeber und letztlich nach Luxemburg: Gehört zur Information das gesamte (potenzielle) Verfahren bei einer Kündigung - vom betrieblichen Eingliederungsmanagement über die Anhörung des Betriebsrats und der Zustimmung des Integrationsamts bis zur Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur? Und wenn ja, welche Folgen hat es, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsabschluss nicht über diese Verfahren informiert, von denen er ja selbst gar nicht weiß, ob er sie jemals wird einhalten müssen?

Bleibt zu hoffen, dass im Gesetzgebungsverfahren noch eine anwendungsfreundlichere Regelung getroffen wird.

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