Kappungsgrenze im Sozialplan zulässig

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.02.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3069 Aufrufe

Eine Regelung in einem Sozialplan, die einen Abfindungshöchstbetrag festlegt, bewirkt regelmäßig keine gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßende mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer, wenn die maximal zu zahlende Abfindung die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Nachteile substantiell abmildert und die Regelung in der Sache nur eine Begrenzung der durch die Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Abfindungsberechnung bewirkten besonderen Begünstigung dieser Arbeitnehmergruppe darstellt.

Das hat das BAG entschieden.

Der 1961 geborene Kläger war seit 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Er schied infolge betriebsbedingter Kündigung der Beklagten zum 29.2.2020 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Aufgrund eines zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat vereinbarten Sozialplans konnte er eine Abfindung beanspruchen. Dessen Höhe berechnete sich nach der (üblichen) Formel Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt x Faktor F. Als Faktor F hatten die Betriebsparteien vereinbart:

bis zur Vollendung des 40. Lebensjahrs 0,25, ab einem Alter - am Stichtag 30. Juni 2019 - von 41 bis 50 Jahren 0,35, von 51 bis 55 Jahren 0,75, von 56 bis 58 Jahren 0,95, von 59 bis 60 Jahren 0,85, von 61 Jahren 0,55, von 62 Jahren 0,25 und von 63 bis 66 Jahren 0,15. ... 

Ferner war ein Höchstbetrag vereinbart:

Der sich insgesamt ergebende Abfindungsbetrag (Gesamtabfindung) wird auf einen max. Höchstbetrag von 75.000 € pro Arbeitnehmer beschränkt. Für Mitarbeiter, die 62 Jahre und älter am Stichtag 30.06.2019 sind, beträgt der Höchstbetrag 45.000 €.

In einer weiteren Betriebsvereinbarung war geregelt, dass sich der Faktor F um 0,25 erhöht, wenn der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt.

Die Beklagte zahlte dem Kläger 75.000 Euro Sozialplanabfindung.

Mit seiner Klage macht er weitere rund 28.000 Euro geltend, die sich aus der Sozialplanformel ohne Anwendung der Limitierungsklausel ergeben. Die Begrenzung auf den Höchstbetrag von 75.000 Euro sei unwirksam. Weitere rund 26.600 Euro verlangt er auf der Basis des um 0,25 Prozentpunkte erhöhten Abfindungssatzes, weil er keine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Auch auf diese "Turboprämie" sei die Limitierungsklausel nicht anwendbar.

Beim BAG hatte er mit der letztgenannten Argumentation Erfolg, mit der ersten dagegen nicht. Die Limitierung der "normalen" Sozialplanabfindung auf 75.000 Euro benachteiligt den Kläger nicht entgegen § 75 Abs. 1 BetrVG wegen seines Alters. Sie begrenzt lediglich die Vorteile, die er durch die lange Betriebszugehörigkeit und den erhöhten Faktor F gegenüber jüngeren Arbeitnehmern hat. Die Begrenzung auf 75.000 Euro gilt aber, so der Erste Senat, nur für die eigentliche Sozialplanabfindung, nicht für die in der eigenständigen Betriebsvereinbarung normierte Turboprämie.

BAG, Urt. vom 7.12.2021 - 1 AZR 562/20, BeckRS 2021, 44978

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