Einziehung des Erlangten im OWi-Verfahren: Wie berechnet sich das Erlangte eigentlich?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.02.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3698 Aufrufe

Das BayObLG hatte sich einmal mehr mit der unangenehmen Materie der Einziehung des Erlangten zu befassen. Und mit der Frage: Wie bestimmt man das Erlangte. Zur Bestimmung des erlangten Vorteils i.S.v. § 29a Abs. 1 OWiG sind nach h.M. alle Vermögenswerte heranzuziehen, die einem Tatbeteiligten aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs rein gegenständlich zugeflossen sind, ohne dass es auf eine „unmittelbare“ Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung oder den Schutzzweck der Verbotsnorm ankommt. Nach § 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG sind Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen des Täters abzuziehen, sofern sie in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Tat und dem daraus Erlangten erbracht worden sind. Dabei hat nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG das außer Betracht zu bleiben, was willentlich und bewusst „für“ die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt wird. Jedoch sind Aufwendungen, die zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Tatbeteiligte das Verbotene des Geschäfts aber lediglich fahrlässig verkannt hat, abzugsfähig.

 

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 07.06.2021 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

 II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 Gründe: 

 I.

 Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt hat mit Einziehungsbescheid vom 08.10.2020 gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 94.900 Euro gemäß § 29a Abs. 5 OWiG angeordnet. Dem Bescheid lag die Feststellung zugrunde, dass die Einziehungsbeteiligte im Zeitraum zwischen dem 16.08.2018 und dem 08.08.2019 insgesamt 162 Fahrten im Güterverkehr durch den bei ihr angestellten Fahrer L mit drei verschiedenen Sattelzugmaschinen mit Anhänger im beladenen Zustand vornehmen ließ, obwohl der Fahrer zwar über die erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse CE verfügte, jedoch - wegen Ablaufs zum 17.07.2018 - nicht (mehr) über den Nachweis der Qualifikation nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz (BKrFQG) i.d.F. v. 14.08.2006 (künftig BKrFQG a.F.), sodass der Fahrer Ordnungswidrigkeiten nach §§ 2, 9 BKrFQG a.F. begangen habe. Bestandteil des Einziehungsbescheides ist eine Aufstellung über die von L durchgeführten 162 Fahrten jeweils mit Datum, dem amtlichen Kennzeichen der Sattelzugmaschine und den dabei von der Einziehungsbeteiligten pro Arbeitstag erzielten Vergütungen, die sich insgesamt auf 94.961,14 Euro belaufen. Zur Begründung wurde angeführt, dass nach dem geltenden Bruttoprinzip der gesamte Frachtlohn der Einziehung unterliege und Abzüge nach § 29a Abs. 3 OWiG nach Aktenlage nicht bekannt und auch nicht vorzunehmen seien. Das Verfahren gegen den Fahrer L hat die Verwaltungsbehörde mit Verfügung vom 08.10.2020 gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt, ein Bußgeldverfahren gegen die Einziehungsbeteiligte nicht in die Wege geleitet.

 Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs durch die Einziehungsbeteiligte hat das Amtsgericht mit Urteil vom 07.06.2021 die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro angeordnet. Gegen dieses ihr formlos am 09.06.2021 mitgeteilte Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 23.06.2021, bei dem Amtsgericht eingegangen am 24.06.2021, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach der spätestens am 01.07.2021 erfolgten Zustellung des Urteils unter dem 01.07.2021, bei dem Amtsgericht eingegangen am 09.07.2021, mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

 Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und hat unter dem 17.10.2021 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts vom 07.06.2021 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Erstrebt wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 94.961,14 Euro.

 Die Einziehungsbeteiligte hat mit Schriftsätzen ihres Verteidigers vom 20.07.2021, 05.08.2021 und 22.11.2021 zur Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bzw. zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen.

 II.

 Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß §§ 87 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5, 46 Abs. 1 OWiG, §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 Entscheidet das Tatgericht nach Einspruch der Einziehungsbeteiligten gegen einen selbständigen Einziehungsbescheid durch Urteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung, sind für deren Durchführung nach §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 Satz 1, Hs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG die in §§ 71 ff. OWiG enthaltenen Vorschriften über die Hauptverhandlung sinngemäß heranzuziehen. Folglich ist gegen ein ergangenes Urteil die Rechtsbeschwerde entsprechend § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG statthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 18.06.2020 - 1 StR 95/20 = NStZ-RR 2020, 322 = wistra 2020, 472 = ZfS 2021, 50 m.w.N.). Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG ist die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil dann zulässig, wenn der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG lässt sich der gesetzgeberische Wille entnehmen, dass eine für den Staat negative Entscheidung von der Staatsanwaltschaft dann angefochten werden kann, wenn der beantragte Geldbetrag - im selbständigen Einziehungsverfahren der beantragte Einziehungsbetrag - über 600 Euro lag. Für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde spricht insbesondere, dass bei einer Entscheidung des Amtsgerichts durch Beschluss im selbständigen Einziehungsverfahren - als dem vom Gesetzgeber gewollten Regelfall - sowohl die positive als auch die negative Einziehungsentscheidung stets mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§§ 87 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5, 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 436 Abs. 2, 434 Abs. 2 StPO), sofern die Wertgrenze von 250 Euro (§ 87 Abs. 5 OWiG) überschritten wird (vgl. BGH a.a.O.). Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb die negative Einziehungsentscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil demgegenüber nicht anfechtbar sein sollte (grundlegend hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.12.2020 - 2 Rb 21 Ss 699/20 bei juris im Anschl. an BGH a.a.O.).

 III.

 Der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist der Erfolg nicht zu versagen, weil das angefochtene Urteil durchgreifende Rechtsfehler sowohl zulasten (§ 301 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) als auch zugunsten der Einziehungsbeteiligten aufweist.

 1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde der Fahrer L am 09.08.2019 bei einer gewerblichen Fahrt auf der A8 einer Kontrolle unterzogen. Er ist als Berufskraftfahrer bei der Einziehungsbeteiligten angestellt und führte eine mit Getränken und Leergut beladene Sattelzugmaschine mit einer zulässigen Gesamtmasse von 40 t, für die zum Führen die Fahrerlaubnisklasse CE erforderlich ist. Er legte zwar bei der Kontrolle die gültige Fahrerlaubnis vor, die erforderliche Berufskraftfahrerqualifikation war aber bereits am 17.07.2018 abgelaufen und nicht verlängert worden. Eine bei der Einziehungsbeteiligten durchgeführte Durchsuchung hat ergeben, dass der Fahrer im Zeitraum vom 16.08.2018 bis 08.08.2019 insgesamt 162 Fahrten in beladenem Zustand durchgeführt und dadurch jeweils eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz verwirklicht hat, wobei das Verfahren gegen den Fahrer eingestellt wurde. Die Einziehungsbeteiligte hat aus den Fahrten des Fahrers L „Frachten“ in Höhe von 94.900 Euro erlangt. Nach Auffassung des Amtsgerichts liege darin aber nicht der erlangte Vorteil. Die „erlangten Frachten“ stünden nämlich nicht in der erforderlichen „spiegelbildlichen Korrelation“ zur begangenen Ordnungswidrigkeit. Der Einziehungsbeteiligten könne nur vorgeworfen werden, dass sie für die Fahrt einen nicht ausreichend qualifizierten Fahrer eingesetzt habe. Dadurch sei aber nicht die Fahrt als solche rechtswidrig geworden, sondern hätte ohne Weiteres durch einen ausreichend qualifizierten Fahrer vorgenommen werden können. Der erlangte Vorteil sei daher lediglich in der Ersparnis der Weiterbildungskosten für den Fahrer in Höhe von 1.500 Euro zu sehen.

 2. Die Urteilsgründe erweisen sich schon deshalb als lückenhaft (§ 267 Abs. 3 StPO i.V.m. § 79 Abs. 1 OWiG), weil die dem selbständigen Einziehungsverfahren zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeiten nicht ausreichend dargestellt werden.

 a) Im Ansatz zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass ein selbstständiges Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 1, Abs. 5 OWiG in Betracht kommt, wenn der Täter oder ein tatunbeteiligter Dritter, für den der Täter gehandelt hat (§ 29a Abs. 2 Nr. 1 OWiG), durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und gegen den Täter eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, da das Verfahren gegen den Fahrer L gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt wurde und ein Verfahren gegen die Einziehungsbeteiligte wegen vorsätzlichen Anordnens oder Zulassens von Fahrten ohne die erforderliche Qualifikation (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG a.F.) nicht eingeleitet worden ist. Da das selbständige Einziehungsverfahren nicht nachrangig gegenüber der Verhängung von Geldbußen nach § 17 Abs. 4 OWiG ist und § 29a Abs. 5 OWiG die Möglichkeit eröffnet, die Frage nach der Vorwerfbarkeit des Handelns durch die Einziehungsbeteiligte offen zu lassen, gleichwohl aber dem Begünstigten das Erlangte zu entziehen, genügt es, wenn ein Bußgeldverfahren gegen die Einziehungsbeteiligte nicht eingeleitet wird (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.08.2019 - 1 OWi 2 Ss Bs 46/19 = NStZ 2020, 427; OLG Oldenburg, Beschluss vom 04.10.2021 - 2 Ss (OWi) 150/21 bei BeckRS 2021, 30235 Rn. 6; BeckOK/Meyberg 32. Ed. [Stand: 01.10.2021] OWiG § 29a Rn. 5).

 b) Die selbstständige Einziehung des Wertes von Taterträgen kommt aber nur in Betracht, wenn die Einziehungsbeteiligte durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat. Demzufolge muss das Urteil nachvollziehbar darlegen, welche Ordnungswidrigkeit(en) der Täter begangen hat. Dies ist hier allerdings nur bezogen auf die anlässlich der polizeilichen Kontrolle festgestellte Tat vom 09.08.2019 erfolgt. Das Einziehungsverfahren umfasst hingegen ausweislich der dem Einziehungsbescheid beigefügten Tabelle die im Zeitraum zwischen dem 16.08.2018 und dem 08.08.2019 begangenen 162 Fahrten. Für diesen Zeitraum aber trifft das Urteil keine ausreichenden Feststellungen. Insbesondere wird nicht dargelegt, dass es sich bei den Fahrten in diesem Zeitraum um Güterverkehr handelte und die Fahrerlaubnis der Klasse CE erforderlich war, sodass der jeweilige Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 2 Nr. 1 BKrFQG a.F. für das Rechtsbeschwerdegericht nicht nachvollzogen werden kann. Allein dieser Darstellungsmangel zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

 3. Das Urteil enthält darüber hinaus keine den Mindestanforderungen der §§ 261, 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG genügende Beweiswürdigung.

 a) Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Dennoch kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten, denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand versetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 71 Rn. 42, 43 m.w.N.). Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt und inwieweit er die Einlassung für widerlegt ansieht. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 71 Rn. 107 m.w.N.; Göhler/Seitz/Bauer a.a.O. Rn. 43 m.w.N.).

 b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die tatrichterliche Beweiswürdigung erschöpft sich in dem Satz, dass der Sachverhalt durch den Einziehungsbeteiligten „nicht bestritten“ worden sei und aufgrund dessen Einlassung feststehe. Ob diese Einlassung eine tragfähige Grundlage für die getroffenen Feststellungen ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht schon deshalb nicht nachvollziehen, weil die Einlassung der Einziehungsbeteiligten nicht mitgeteilt wird.

 4. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Art und Weise, in der das Amtsgericht mit Blick auf § 29a Abs. 1, Abs. 5 OWiG das durch die rechtswidrige Handlung Erlangte bestimmt hat.

 a) Soweit das Amtsgericht darauf abstellt, dass die Einziehungsbeteiligte „spiegelbildlich“ durch die mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt haben muss und hierbei zugrunde legt, welche Aufwendungen die Einziehungsbeteiligte durch Einstellung eines Fahrers ohne die erforderliche Berufsfahrerqualifikation erspart hat, orientiert es sich ersichtlich an der zu § 29a OWiG a.F. ergangenen Rechtsprechung. Zwar hat der BGH unter Geltung des § 73 Abs. 1 StGB a.F. als erlangt nur solche Vorteile angesehen, die nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangt und behalten werden durften, und den dem Verfall unterliegenden Vorteil danach bestimmt, was letztlich strafbewehrt ist. Deshalb war in Fällen, in denen die erforderliche Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz hätte erteilt werden müssen, als Vorteil lediglich die Ersparnis derjenigen Aufwendungen anzusehen gewesen, die für die Erteilung der Genehmigung hätten erbracht werden müssen (BGH, Urt. v. 19.01.2012 - 3 StR 343/11 = BGHSt 57, 79). Jedoch ist diese Rechtsprechung durch die neue Gesetzeslage überholt (BGH, Urt. v. 01.07.2021 - 3 StR 518/19 = StraFo 2021, 477 = StV 2021, 780; Beschluss vom 07.03.2019 - 3 StR 192/18 = NJW 2019, 1891 = wistra 2019, 323; Schönke/Schröder/Eser/Schuster StGB 30. Aufl. § 73 Rn. 13). Für § 29a OWiG gilt dies in gleicher Weise.

 b) Nach der zum 01.07.2017 im Rahmen der Reform zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erfolgten Neufassung des § 29a OWiG ist das erlangte Etwas, dessen Wert der Einziehung unterliegen kann, nunmehr in zwei Schritten zu ermitteln.

 aa) Auf der ersten Prüfungsstufe zur Bestimmung des erlangten Vorteils nach § 29a Abs. 1 OWiG (in den Fällen der Dritteinziehung ggf. i.V.m. § 29a Abs. 2 OWiG) kommt es nicht mehr darauf an, dass der erlangte Vorteil unmittelbar aus der Tat entstanden ist, die Abschöpfung also spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entspricht. Dieser unmittelbare Zusammenhang wurde aus dem früheren Tatbestandsmerkmal „aus“ in § 29a Abs. 1 OWiG a.F. hergeleitet, mit der Änderung dieses Tatbestandsmerkmals in „durch“ aber genügt nach neuer Rechtslage ein rein tatsächlicher Kausalzusammenhang zwischen der Erwerbstat und dem Vermögenszufluss, so dass der Begriff „etwas“ die Gesamtheit des materiell tatsächlich Erlangten erfasst, also die Gesamtheit der messbaren wirtschaftlichen Vorteile, die dem Täter (oder im Falle der Dritteinziehung einem tatunbeteiligten Dritten) durch die Tat zugeflossen sind (OLG München, Beschluss vom 07.06.2018 - 2 Ws 115/18 B = NZWiSt 2019, 275). Mithin gelten als erlangt alle Vermögenswerte, die einem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs rein gegenständlich zugeflossen sind, ohne dass es auf eine „unmittelbare“ Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung ankommt (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 105, 67). Eine weitere Einschränkung, wie etwa eine Betrachtung nach dem Schutzzweck der Verbotsnorm, darf nach neuer Rechtslage nicht (mehr) vorgenommen werden (vgl. BeckOK/Meyberg a.a.O. Rn. 42).

 bb) Nach § 29a Abs. 3 OWiG bestimmt sich in einem zweiten Prüfungsschritt, ob und ggf. in welchem Umfang Aufwendungen des Täters (oder im Falle der Dritteinziehung des Drittbegünstigten) in Abzug zu bringen sind. Nach § 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG sind nunmehr bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen des Täters oder des Dritten abzuziehen, sofern diese in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Tat und dem daraus Erlangten erbracht worden sind, mithin solche, die den einziehungsbegründenden Gegenstandserwerb ermöglicht haben, nicht aber solche, die auch ohne einziehungsbegründenden Gegenstandserwerb entstanden wären (vgl. nur OLG Zweibrücken a.a.O.; BeckOK/Meyberg a.a.O. Rn. 43 ff. m.w.N.). Nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG bleibt jedoch außer Betracht, was willentlich und bewusst für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt wird (OLG Zweibrücken a.a.O.). Diese Aufwendungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers weder dem Täter noch einem Drittbegünstigten im Rahmen der Vermögensabschöpfung mindernd zugutekommen. Mit dem Tatbestandsmerkmal „fürʺ wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 817 Satz 2 BGB sicherstellen, dass das, was in ein verbotenes Geschäft investiert worden ist, unwiederbringlich verloren sein müsse, aber eben auch nur das (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 105, 67 f.). Folglich muss die Handlung oder das Geschäft, das unmittelbar zur Vermögensmehrung führt, selbst verboten sein. Nach dem Willen des Gesetzgebers enthält das Tatbestandsmerkmal „für“ dabei eine subjektive Komponente, sodass nur solche Aufwendungen dem Abzugsverbot unterliegen, die willentlich und bewusst für das verbotene Geschäft eingesetzt wurden (BGH, Urt. v. 01.07.2021 a.a.O.; Urt. v. 30.03.2021- 3 StR 474/19 = StV 2021, 736 = wistra 2021, 360). Hieraus folgt, dass auch solche Aufwendungen bei der Bestimmung des Erlangten abzuziehen sind, die zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Täter das Verbotene des Geschäfts jedoch lediglich fahrlässig verkannt hat (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 18.3.2019 - 2 Rb 9 Ss 852/18 bei juris).

 c) Gemessen hieran erweist sich die Bestimmung des Erlangten durch das Amtsgericht schon deshalb als durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil es verkannt hat, dass auf der ersten Prüfungsstufe zur Bestimmung des von der Einziehungsbeteiligten Erlangten die für die durchgeführten Transporte insgesamt erhaltene volle Gegenleistung abzüglich der Mehrwertsteuer zugrunde zu legen gewesen wäre (vgl. Krenberger/Krumm 6. Aufl. OWiG § 29a Rn. 4; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2019 a.a.O.). Insoweit fehlt es an tragfähigen Feststellungen, in welcher Höhe die Einziehungsbeteiligte jeweils Einnahmen aus den verfahrensgegenständlichen 162 Fahrten ihres Fahrers L erzielt hat. Dasselbe gilt für die im zweiten Prüfungsschritt zu klärende Frage, ob und ggf. in welcher Höhe von der Einziehungsbeteiligten für diese Fahrten erbrachte Aufwendungen - wie etwa Lohnkosten für den Fahrer, Kraftstoffkosten, Aufwendungen für Maut - in Abzug zu bringen sind oder ob diese einem Abzugsverbot unterlagen, sofern gemäß § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG das, was willentlich oder bewusst für die Begehung der Tat aufgewendet wurde, nicht berücksichtigt werden dürfte. Dies erfordert tragfähige Feststellungen zu der zum Abzugsverbot (§ 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG) durch das Tatbestandsmerkmal „für“ vorausgesetzten subjektiven Komponente. Die Frage der Verantwortlichkeit der Einziehungsbeteiligten sowie ihres Fahrers L durfte das Amtsgericht daher nicht - wie geschehen - offenlassen.

 Da vorliegend Gegenstand der Einziehung die bei der Einziehungsbeteiligten aus den ohne die erforderliche Berufsqualifikation des Fahrers L durchgeführten Transportfahrten entstandenen Vorteile sind und sie die Adressatin der Einziehungsanordnung ist, erscheint es naheliegend, bei der Prüfung der subjektiven Komponente des Abzugsverbotes nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG - ebenso wie in Fällen der Überschreitung der zulässigen Fahrzeughöhe bzw. des zulässigen Gesamtgewichts des Fahrzeugs - in erster Linie auf das bei ihr oder bei dem von ihr eingesetzten Personalverantwortlichen bestehende Vorstellungsbild abzustellen, dessen Kenntnisstand sie sich zurechnen lassen muss (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.06.2019 - 2 Ss [OWi] 154/19 = VRS 2020 (Bd. 138), 210 = wistra 2020, 479; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2019 a.a.O.).

 In Bezug auf die Abzugsfähigkeit angefallener Aufwendungen muss sich die Einziehungsbeteiligte nach zutreffender Ansicht jedoch auch den Kenntnisstand ihres Fahrers zurechnen lassen, wenn dieser „bewusst und willentlich“ die Fahrten ohne gültigen Nachweis seiner Berufskraftfahrerqualifikation unternommen hat. Sofern die strikte Anwendung des Abzugsverbots im Einzelfall zu besonderen Härten für die Einziehungsbeteiligte führen sollte, kann diesem Umstand bei der Handhabung des Opportunitätsprinzips Rechnung getragen werden; denn im Rahmen der Entziehungsentscheidung nach § 29a Abs. 1, 2 OWiG liegt es im tatrichterlichen Ermessen, ob und in welcher Höhe die Einziehung angeordnet wird (vgl. hierzu ausführlich OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.03.2019 a.a.O. unter Hinweis auf Köhler NStZ 2017, 497, 508f. und BeckOK/Meyberg a.a.O. Rn. 48 m.w.N; grundsätzlich zur Einziehungsanordnung als Ermessensentscheidung, welche sich nicht lediglich auf die Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde beschränkt BeckOK/Meyberg a.a.O. § 29a Rn. 78 m.w.N.).

 III.

 Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler (§ 337 StPO) ist das angefochtene Urteil mitsamt den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 1, Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

 Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

 IV.

 Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG und in der Besetzung mit drei Richtern, § 80 Abs. 2 Satz 1 OWiG, da eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art im Wert von mehr als 5.000 Euro beantragt worden ist.

BayObLG Beschl. v. 13.12.2021 – 201 ObOWi 1453/21, BeckRS 2021, 42221

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