OLG Frankfurt am Main: Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern während Übernahmeverfahren („Aareal Bank“)

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 24.02.2022

Mit Beschluss vom 13. Januar 2022 (20 W 5/22, 20 W 9/22; BeckRS 2022, 172) ordnet das OLG Frankfurt am Main ein laufendes Übernahmeverfahren als dringenden Grund ein, um vakante Aufsichtsratssitze in der Zielgesellschaft gerichtlich nachzubesetzen.

Abberufung erfolgreich – Ersatzkandidaten ohne Mehrheit

Eine außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft hatte drei Mitglieder des insgesamt zwölfköpfigen und zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrats abberufen, ohne dass die als Ersatz nominierten Kandidaten in der Wahl die nötige Mehrheit erreichten. Auf die Tagesordnung waren die Abberufung und die Nachwahl durch ein Ergänzungsverlangen eines Aktionärs gelangt. Der Aufsichtsratsvorsitzende beantragte daraufhin die gerichtliche Bestellung von drei Aufsichtsratsmitgliedern bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung und schlug drei Kandidaten vor. Denselben Antrag, jedoch mit abweichendem Kandidatenvorschlag, stellte der Aktionär, auf den das Ergänzungsverlangen zurückging. Im selben zeitlichen Zusammenhang wurde ein an die Aktionäre der Gesellschaft gerichtetes öffentliches Übernahmeangebot veröffentlicht.

Laufendes Übernahmeangebot erfordert dringende Nachbesetzung

In seiner Entscheidung bestellt der Senat die drei vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeschlagenen Kandidaten gemäß § 104 Abs. 2 S. 2 AktG. Nach der Vorschrift können vakante Aufsichtsratssitze auch kurzfristig durch Gerichtsbeschluss nachbesetzt werden, wenn ein dringender Fall vorliegt. Die Übernahmesituation der Gesellschaft ordnet der Senat als typischen dringenden Falls ein, da das Übernahmeangebot von entscheidender Bedeutung für ihre Zukunft sei. Hiergegen spreche auch nicht der Umstand, dass der Aufsichtsrat bereits eine positive Stellungnahme abgegeben habe und der Bieter und die Gesellschaft bestimmte Eckpunkte der Übernahme bereits in einer Investorenvereinbarung geregelt hätten.

Personenvorschlag der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder erfolgreich

Im Rahmen der Personenauswahl komme dem Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden entscheidendes Gewicht zu. Der Vorschlag werde sowohl vom Vorstand als auch von allen neun amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern – einschließlich der Arbeitnehmervertreter – unterstützt. Auf der anderen Seite folge aus dem Abberufungsbeschluss der Hauptversammlung und der in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik des Aktionärs an Vorstand und Aufsichtsrat nicht, dass ein vom verbliebenen Aufsichtsrat stammender Personenvorschlag nicht dennoch im Interesse der Gesellschaft liegen könne.

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