Gut, wenn das Handy mitläuft: „Hände auf den Rücken. Die Scheißhände auf den Rücken. Ich brech‘ Dir den Scheißarm, Du Wichser!“

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.02.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht6|7057 Aufrufe

Diese Polizeikontrolle der Polizei Essen ist gründlich aus dem Ruder gelaufen. Aber: Gut, dass es Handys gibt, die Menschen mit Aufnahmen entlasten können. Das etwas eigenartige Polizeiverhalten mit bösartigen Beschimpfungen und sogar Tritten gegen die kontrollierten Personen nämlich führte prompt zu einer straffen Strafverfolgung der eigentlichen Opfer! Das LG hat so dann glücklicherweise auch die Lügen der Polizeizeugen enttarnen können und freigesprochen. Nicht gut, was man da so lesen muss:

 

Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

 Die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.

 Gründe: 

 Das Urteil beruht nicht auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO.

 I.

 Das Amtsgericht Essen hat die Angeklagten mit Urteil vom 05.01.2021 von den Vorwürfen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (L) bzw. des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (Q) freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Essen form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

 II.

 1. Der Angeklagte L wurde am … in H geboten. Er ist ledig und bewohnt eine eigene Wohnung in G. Der Angeklagte arbeitet als angestellter Key-Account-Manager.

 Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

 2. Der Angeklagte Q wurde am … in B geboren. Er ist ledig und Vater von zwei Kindern im Alter von elf und fünf Jahren, die bei ihrer Mutter leben und für die der Angeklagte regelmäßig Unterhalt zahlt. Der Angeklagte ist Zeitsoldat; er hat sich für acht Jahre verpflichtet. Der Angeklagte bewohnt eine eigene Wohnung in B.

 Er ist nicht vorbestraft.

 III.

 Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 22.07.2020 wurden die Angeklagten W1. gegen Vollstreckungsbeamt (L) bzw. eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (Q) beschuldigt. Ihnen wurde Folgendes zur Last gelegt:

 Die Angeklagten fuhren am … gegen 02:45 Uhr als Mitfahrer mit dem Zeugen I in einem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen … auf der H1-Straße in F. Im Rahmen einer Standkontrolle wurde durch den H2… und den H2… eine Fahrzeugkontrolle durchgeführt.

 Nachdem der Zeuge I das Fahrzeug verlassen hatte, stiegen auch die Angeklagten aus dem Fahrzeug aus und machten sich lautstark über die polizeiliche Maßnahme lustig. Da die Angeklagten die Maßnahme dadurch erheblich störten, wurden sie von I1 aufgefordert, die Fahrzeugtüren und Fenster zu schließen, um den weiteren Verlauf der Fahrzeugkontrolle im Auto abzuwarten.

 Als der Angeklagte L stattdessen Anstalten machte, die polizeiliche Maßnahme zu filmen, wurde er von E aufgefordert, dies zu unterlassen. Als E die Herausgabe des Telefons verlangte, drohte der Angeklagte den Polizeibeamten körperliche Gewalt an, indem er zu einer Schlagbewegung in Richtung der Polizeibeamten ausholte. Um weitere Widerstandshandlungen zu unterbinden, wurde der Angeklagte L nunmehr von den Polizeibeamten fixiert.

 Zur gleichen Zeit ging der Angeklagte Q wild gestikulierend und mit geballten Fäusten auf die Polizeibeamten zu, um diesen die Nutzung körperlicher Gewalt anzudrohen. Hiervon konnte der Angeklagte durch die Androhung des Einsatzes von Pfefferspray vorerst abgebracht werden. Als der Angeklagte kurze Zeit später abermals mit geballten Fäusten auf die Beamten zuging, wurde ihm durch I1 Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Als der Angeklagte daraufhin durch die Polizeibeamten zu Boden gebracht wurde, schlug der Angeklagte mit seinen Armen um sich und traf hierbei ... im Gesicht. Dieser blieb unverletzt.

 Von diesen Vorwürfen waren die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

 IV.

 Für erwiesen erachtet die Kammer folgenden Sachverhalt:

 Die Angeklagten fuhren in der Nacht des … in dem PKW C Kombi, der dem Angeklagten L gehörte, auf der H1-Straße in Fahrtrichtung C1. Das Fahrzeug wurde durch den Zeugen I gefahren. Der Angeklagte L saß auf dem Beifahrersitz, der Angeklagte Q auf der Rückbank. Der Angeklagte L hatte sich mit der Zeugin L1 verabredet, Treffpunkt sollte der C2 an der H1-Straße sein. Der Zeuge I wollte den Angeklagten L dort absetzen. Anschließend wollten der Zeuge I und der Angeklagte Q weiter fahren. Die Stimmung im Fahrzeug war gut; die Angeklagten und der Zeuge I hörten laut Musik.

 Die Polizeibeamten I1 und T sowie E und L2 führten auf der H1-Straße in Höhe der dortigen T1-Tankstelle eine sogenannte Standkontrolle durch. Dafür hatten sie eine der beiden Fahrspuren mit Marburger Kegeln sowie Signallampen abgesperrt. Ziel der Standkontrolle war die Überprüfung der Fahrzeugführer auf ihre Fahrtüchtigkeit bzw. eine etwaige Aufklärung von Straftaten, insbesondere Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis.

 Der Zeuge I1 hielt das Fahrzeug der Angeklagten an. Er fragte diese barsch, ohne sich zuvor vorzustellen bzw. den Grund des Anhaltens zu nennen, wo die Fahrzeuginsassen herkämen bzw. wo diese hinwollten. Diese barsche Ansprache irritierte die Angeklagten und den Zeugen I. Der Angeklagte L entgegnete sinngemäß, dass sie nicht verpflichtet seien, Angaben zu machen bzw. dass dies den Polizeibeamten nichts angehe. Der Angeklagte Q äußerte sinngemäß, dass er nicht mitbekommen habe, welche Maßnahme gerade durchgeführt werde bzw. warum diese Maßnahme gerade durchgeführt werde.

 Daraufhin forderte der Zeuge I1 den Zeugen I auf, an den rechten Fahrbahnrand zu fahren, was dieser auch tat. Der Zeuge I1 fragte die Fahrzeuginsassen nun, was „dieser Scheiß solle“ und warum sie nicht antworten würden. Der Angeklagte L erwiderte sinngemäß, dass es wohl nicht zu viel verlangt sei, vernünftig angesprochen zu werden. Der Zeuge I1 forderte den Zeugen I daraufhin auf, aus dem Fahrzeug auszusteigen und ihm seinen Personalausweis, seinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere zu zeigen. Dem kam der Zeuge I, der mit dem Zeugen I1 am Heck des C stand, nach. Die Angeklagten L und Q verblieben im Fahrzeug; die Musik lief weiter.

 Der Zeuge L öffnete nun die Beifahrertür und wurde von einem der anwesenden Polizeibeamten aufgefordert, die Tür zu schließen und die Musik im Fahrzeug leiser zu machen bzw. ganz auszuschalten. Dem kam der Angeklagte nach und fragte sodann einen der anwesenden Polizeibeamten, ob er austeigen dürfe. Denn er hatte inzwischen der Zeugin L1 mitgeteilt, dass sie - die Angeklagten und der Zeuge I - in eine Verkehrskontrolle geraten seien und sie gebeten, ihm entgegenzukommen. Der Angeklagte L wollte nun seinerseits der Zeugin L1 entgegengehen. Dem Angeklagten L wurde durch einen der anwesenden Polizeibeamten erlaubt, das Fahrzeug zu verlassen; er wurde allerdings aufgefordert, sich von der Verkehrskontrolle einige Meter zu entfernen, ohne dass ihm jedoch ein Platzverweis erteilt wurde. Der Angeklagte L folgte der Aufforderung und ging in Richtung C2. Dabei gingen zwei Polizeibeamte, die Zeugen E und L2, hinter dem Angeklagten her.

 Unterdessen verblieb der Angeklagte Q im Fahrzeug. Er guckte aus dem Fahrzeugfenster heraus, um zu sehen, was die Zeugen I1 und I machten. Dies erregte die Aufmerksamkeit des Zeugen I1. Er forderte den Angeklagten Q daraufhin lautstark auf, das Fahrzeugfenster zu schließen. Da der Angeklagte Q dieser Aufforderung nicht sofort nachkam, ging der Zeuge I1 nun zum Fahrzeug und versuchte, die Fahrzeugtür aufzureißen. Da ihm dies zunächst nicht gelang, schlug er entweder mit einem Gegenstand oder aber mit seiner Faust laut auf das Fahrzeugdach. Schließlich riss er die Fahrzeugtür auf und schrie den Angeklagten Q an, ob er mit zur Wache kommen wolle. Als der Angeklagte dies verneinte, schlug der Zeuge I1 die Fahrzeugtür wieder zu. Der Angeklagte Q verblieb im Fahrzeug.

 Der Angeklagte L, der sich inzwischen etwa 30 bis 50 Meter von der Verkehrskontrolle entfernt hatte, hörte den Lärm. Er drehte sich um und bekam mit, dass der Polizeibeamte I1 versuchte, die Tür seines Fahrzeugs aufzureißen. Er nahm sein J und versuchte, diesen Vorgang filmen. Der Zeuge L2 forderte den Angeklagten L nun auf, das Filmen zu unterlassen, da die Aufnahme eines nicht-öffentlich gesprochenen Wortes eine Straftat darstellen würde. Dabei stellte er sich mehrfach vor die Kamera des Mobiltelefons. Der Angeklagte L entgegnete, dass er nicht ihn, den Zeugen L2, sondern die Situation an seinem Fahrzeug filme. Nunmehr kam auch der Zeuge E hinzu und schlug dem Angeklagten L das Mobiltelefon unvermittelt aus der Hand, so dass es zu Boden fiel. Der Angeklagte L bückte sich und hob sein Mobiltelefon auf. Er hielt es den Polizeibeamten mit ausgetrecktem Arm hin, um zu zeigen, dass er die Situation nicht weiter filmte. Nunmehr griffen die Zeugen E und der Zeuge L2 den Angeklagten L an und brachten ihn zu Boden. Dort traten und schlugen sie mehrfach auf ihn ein.

 Dieses Geschehen wurde von der Zeugin L1, die mittlerweile eingetroffen war und dem Zeugen L3, der zufällig an der Verkehrskontrolle auf der Gegenspur vorbeifuhr, beobachtet. Der Zeuge L3 setzte daraufhin einen Notruf ab.

 Der Angeklagte L schrie schließlich mehrfach, dass er keine Luft mehr bekomme. Er wurde daraufhin durch die Zeugen E und L2 aufgerichtet und hingesetzt.

 Der Zeuge I bekam mit, dass der Angeklagte L zu Boden gebracht und dort geschlagen und getreten wurde. Er nahm daraufhin sein Mobiltelefon in die Hand und schaltete die Kamera ein, um das Geschehen zu filmen. Daraufhin wurde ihm das Mobiltelefon von dem Zeugen I1 mit dem Bemerken „Handy weg! Kriegen Sie nachher, nach der Kontrolle wieder.“ abgenommen. Der Zeuge I1 steckte das Mobiltelefon in seine Brusttasche. Von sämtlichen Beteiligten unbemerkt, stoppte die Videoaufnahme jedoch nicht. Stattdessen nahm die Kamera das weitere Geschehen auf. Dabei nahm die Kamera lediglich die Äußerungen der Beteiligten bzw. die (Umgebungs-)Geräusche, jedoch keine Bilder auf, da das Mobiltelefon in der Brusttasche steckte.

 Der Angeklagte Q bekam ebenfalls mit, dass der Angeklagte L zu Boden gebracht und dort geschlagen und getreten wurde. Er stieg aus dem Fahrzeug aus und fragte den Zeugen I1 und die Zeugin T, aufgebracht und erregt über das, was er gerade beobachtet hatte, ob sie - die Polizeibeamten - bescheuert seien. Weiter äußerte er: „Na komm, schlagen Sie! Schlagen Sie! Was ist’n das? Fanboy. Der schlägt auf den ein!“. Weiter äußerte er, immer noch aufgebracht und erregt: „Ey Mann, haben Sie Meise? Die schlagen auf den ein! Das ist absolut, ey, das ist absolute Polizeigewalt, was Sie machen. Das ist doch ‚ne absolute Frechheit. Weil der filmt, weilt der filmt, hauen Sie mit Ihrem Schlagstock. Das ist doch eine absolute Schande!“ Ihm wurde von dem Zeugen I1, erwidert: Sie benehmen sich hier wie ne offene Hose. Sie bleiben auch weg, weg. Weg, oder ich sprühe! Weg!“. Der Angeklagte Q äußerte daraufhin, weiterhin aufgebracht und erregt über das, was er gerade beobachtete und erlebte u.a.:“ Ihre zwei Kollegen treten auf den ein!“ Der schlägt mit dem Ellenbogen auf den ein!“ Ihm wurde daraufhin von dem Zeugen I1 erwidert:“ Ja wenn der sich benimmt wie ´ne offene Hose, dann ist das so!“.

 Die Zeugen I1 und T stellen sich nun zwischen den Angeklagten Q und den Angeklagten L bzw. die Zeugen E und L2. Der Angeklagte Q redete nun weiter auf die Polizeibeamten ein, und gestikulierte dabei auch mit seinen Händen. Die Zeugin T forderte nun sowohl den Angeklagten Q als auch ihren Kollegen auf, sich zu beruhigen. Daraufhin lehnte sich der Angeklagte Q mit dem Rücken an die Seite des C und steckte seine Hände in die Taschen seiner Winterjacke, um nicht weiter herum zu gestikulieren und sich zu beruhigen. Die Situation beruhigte sich.

 Nunmehr traf die von der Zeugin T zuvor angeforderte Verstärkung, u.a. die Polizeibeamten G1, T2, T3 und ... ein. Sofort forderten zumindest die Zeugen T2 und ... den Angeklagten Q, der weiterhin mit den Händen in den Taschen seiner Winterjacke am Fahrzeug lehnte, jedoch weiter nichts tat, zweimal innerhalb von zwei Sekunden auf, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Noch bevor der Angeklagte Q reagieren konnte, wurde ihm von dem zeugen I1 Pfefferspray in das Gesicht gesprüht. Gleichzeitig brachten ihn die Zeugen G1, T2, T3 und ... zu Boden, um ihn zu fixieren. Dabei äußert der Zeuge G1: „Hände auf den Rücken. Die Scheißhände auf den Rücken. Ich brech‘ Dir den Scheißarm, Du Wichser!“. Der Angeklagte Q, der wegen des Pfeffersprays nichts mehr sehen konnte und Schmerzen hatte, verhielt sich passiv und rief: „Ey, ich mach doch. Ich wehr mich doch nicht.“ Einer der Polizeibeamten erwiderte daraufhin: „Kommt ein Ding und ich schlag Dir das Genick ein!“.

 Beide Angeklagten wurden schließlich zur Polizeiwache verbracht. Der Angeklagte Q wurde sodann durch einen RTW in ein Krankenhaus verbracht, um wegen der durch das Pfefferspray hervorgerufenen Augenreizungen behandelt zu werden. Im weiteren Verlauf wurden der Angeklagte L und der Angeklagte Q aus dem Gewahrsam entlassen.

 Erst nachdem die Angeklagten vorläufig festgenommen worden waren, wurde der C nach vor Ort durch Polizeibeamte durchsucht. Dort wurden im Kofferraum ein Holzstock und 20 CS-Gas-Flaschen aufgefunden. Diese gehörten dem Zeugen I, der ein eigenes Schlüsselunternehmen, in dem er auch Sicherheitsartikel verkaufte, betrieben hatte, sein Ladenlokal in H3 jedoch geschlossen hatte und die Sachen nun in sein Lager verbringen wollte.

 V.

 Die Angeklagten haben in ihren Einlassungen das Geschehen im Sinne der oben unter Ziffer IV getroffenen Feststellungen teils übereinstimmend, teils einander ergänzend geschildert. Ihre Einlassungen sind glaubhaft.

 Denn die Einlassungen der Angeklagten werden zunächst in erheblichem Umfang durch die - unbeabsichtigt - mit dem Handy des Zeugen I gefertigte Video- bzw. Tonaufnahme, die die Kammer in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen hat, gestützt. Dabei konnte sich die Kammer in der Hauptverhandlung aufgrund der Inaugenscheinnahme auch davon überzeugen, dass das von den Verteidigern angefertigte Wortprotokoll den Inhalt der Aufnahme vollständig und zutreffend wiedergibt.

 Zwar beginnt die Aufnahme erst zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte L bereits durch die Zeugen E und L2 zu Boden gebracht und dort geschlagen und getreten wurde. Auf der Aufnahme sind jedoch, wenn auch schwach, im Hintergrund die authentisch klingenden Rufe des Angeklagten L, dass er keine Luft bekomme, zu hören. Auch ist zu hören, dass der Angeklagte Q in einer sehr authentischen Art und Weise mit einer deutlich in seiner Stimme wahrzunehmenden Aufregung das gegenüber den Zeugen I1 und T zur Sprache bringt, was er - Q - im Zeitpunkt der Aufnahme gerade sieht und erlebt, nämlich, dass der Angeklagte L am Boden von den Zeugen E und L2 geschlagen und getreten wird. Dabei hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass diese Aufnahme echt ist. Zu Beginn der Videoaufnahme ist, wenn auch infolge der Dunkelheit nur undeutlich, zu erkennen, dass der Zeuge I das Geschehen um den Angeklagten L aufnimmt. Sodann ist die Äußerung des Zeugen I1, dass der Zeuge I sein Smartphone nach der Kontrolle wieder erhalte, zu hören und man kann anhand der Geräusche und dem plötzlichen „Dunkelwerden“ der Aufnahme erkennen, dass das Smartphone in eine Tasche gesteckt wird. Keinem der Anwesenden war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass das Smartphone die Geschehnisse weiter aufnahm. Eine Manipulation der Aufnahme durch Äußerungen der Anwesenden, insbesondere der Angeklagten, die das Erlebte und Geschehene gezielt falsch wiedergeben, ist daher sicher auszuschließen.

 Durch die Aufnahme werden auch die weiteren Geschehnisse, nämlich die Äußerungen des Angeklagten Q, die Äußerungen der Polizeibeamten, die zwischenzeitliche Beruhigung der Situation bis zum Eintreffen der Verstärkung, die - nur zweimal binnen zwei Sekunden - erfolgte Aufforderung, die Hände aus den Taschen zu nehmen, der unmittelbare Einsatz des Pfeffersprays und das Zu-Boden-Bringen des Angeklagten Q belegt. Durch die Aufnahme werden schließlich auch die beleidigenden Äußerungen des Zeugen G1 belegt.

 Gestützt werden die Einlassungen der Angeklagten bezüglich des Geschehens um den Angeklagten L überdies durch die glaubhaften Aussagen der Zeugin L1 und des Zeugen L3. Diese haben das Geschehen um den Angeklagten L, soweit es in ihr Wissen gestellt war, im Sinne der oben unter Ziffer VI. getroffenen Feststellungen teils übereinstimmend, teils einander ergänzend, anschaulich, detailliert und in sich widerspruchsfrei geschildert. Sie konnten sich an das von ihnen Bekundete noch sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das von ihnen Geschilderte, soweit es in ihr Wissen gestellt war, zutreffend wiedergegeben haben.

 Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin L1 hat die Kammer nicht verkannt, dass es sich um eine Freundin des Angeklagten L handelt und sie damit ein Interesse haben konnte, zugunsten des Angeklagten L auszusagen. Die Kammer schließt jedoch auch, dass dies hier der Fall ist. Denn für die Glaubhaftigkeit der Aussage dieser Zeugin sprechen insbesondere die eigenpsychischen Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Geschehen, welches die Zeugin geschildert hat. So hat sie anschaulich, nachvollziehbar und mit einer auch in der Berufungshauptverhandlung noch deutlich spürbaren emotionalen Beteiligung beschrieben, dass sie dagestanden habe, das Geschehen um den Angeklagten L beobachtet und nichts habe machen können. Das sei eine Situation gewesen - eine Person wird von zwei anderen Personen geschlagen -, in der man normalerweise die Polizei rufe. Hier sei es jedoch die Polizei selbst gewesen, die den Angeklagten L geschlagen habe. Sie habe sich schließlich in ihr Auto gesetzt und nur noch geweint.

 Gestützt werden die Bekundungen überdies durch die Aussage des Zeugen L3. Dieser kannte keinen der Beteiligten, sondern kam zufällig im Auto an dem Geschehen vorbei. Auch er schilderte anschaulich und nachvollziehbar, dass der Angeklagte L, der zuvor die Hände mit den Handflächen nach außen in einer Art abwehrenden Geste den Polizeibeamten gezeigt habe, von zwei Polizeibeamten geschlagen wurde. Dabei sei er auch noch geschlagen worden, als er bereits am Boden kniete. Auch hier sprechen die von dem Zeugen geschilderten Gedanken und Überlegungen, die im Zusammengang mit dem Geschehen stehen, für die Glaubhaftigkeit dieser Aussage. Sie bekundete der Zeuge L3 nachvollziehbar, dass er einen Notruf abgesetzt habe, da er etwas gesehen habe, das „außer Kontrolle geraten“ sei und er nicht gewollt habe, dass jemand verletzt werde. Eigentlich habe er das Geschehen auch filmen wollen, sich jedoch dann dagegen entschieden, da er gedacht habe, dass das für ihn „nicht so gut“ sei.

 Gestützt werden die Einlassungen der Angeklagten zum Gesamtgeschehen schließlich durch die glaubhafte Aussage des Zeugen I. Dieser hat das Gesamtgeschehen im Sinne der oben unter Ziffer VI. getroffenen Feststellungen ebenfalls anschaulich, detailliert und in sich widerspruchsfrei geschildert. Er konnte sich an das von ihm Bekundete noch sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass er das von ihm Geschilderte zutreffend wiedergegeben hat. Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen I hat die Kammer ebenfalls nicht verkannt, dass es sich um einen Freund der Angeklagten handelt und er damit ebenfalls ein Interesse haben konnte, zugunsten der Angeklagten auszusagen. Die Kammer schließt jedoch auch hier aus, dass dies der Fall ist. Denn die Aussage des Zeugen I steht in Einklang mit der von seinem Mobiltelefon unbeabsichtigt gefertigten Aufnahme.

 Belastet wurden die Angeklagten hingegen durch die Aussagen der Zeugen I1, T, E, L2, G1, T2, T3 und .... Die Aussagen dieser Zeugen sind jedoch in weiten Teilen nicht glaubhaft. Insbesondere die Aussagen der Zeugen E und L2 widersprechen einander in nicht unerheblichem Umfang. Die Aussagen der Zeugen I1, T, G1, T2, T3 und ... zu den angeblichen Widerstandshandlungen des Angeklagten Q blieben entweder auffallend vage oder widersprechen einander. Auch passten die Aussagen der Zeugen T2 und ..., es sei bereits bei Eintreffen der Verstärkung bekannt gewesen, dass sich in dem Fahrzeug der Angeklagten Pfefferspray und Schlagstöcke befunden hätten, nicht zu den diesbezüglichen Aussagen der Zeugen I1, T, G1, T3 und I, wonach die Kontrolle erst nach der Festnahme der Angeklagten erfolgt sei. Insgesamt gewann die Kammer hier den Eindruck, dass durch die angebliche Kenntnis von gefährlichen Gegenständen im Fahrzeug der Angeklagten im Nachhinein das Vorgehen gegen den Angeklagten Q zur Eigensicherung gerechtfertigt werden sollte. Schließlich sind die Aussagen der Zeugen I1, T, G1, T2, T3 und ... in wesentlichen Teilen auch nicht mit der Tonaufnahme in Einklang zu bringen. Der Tonaufnahme ist zwar zu entnehmen, dass der Angeklagte Q zweimal innerhalb von zwei Sekunden aufgefordert wurde, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Nahezu gleichzeitig, ohne dass der Angeklagte Q reagieren konnte, erfolgte jedoch der Zugriff. Zudem ist der Tonaufnahme zu entnehmen, dass sich die Situation zwischen den letzten Äußerungen des Angeklagten Q und dem Eintreffen der Verstärkung bzw. der Aufforderung, die Hände aus den Taschen zu nehmen, beruhigt hat. Es sind lediglich Umgebungsgeräusche bzw. ruhige Äußerungen des Zeugen I und die barschen Antworten des Zeugen I1 zu hören. Aufgrund dieser Umstände vermochte sich die Kammer nicht von der Zuverlässigkeit der Aussagen der Zeugen I1, E, L2, G1, T3 und ... sowie der Zeuginnen T und T2 zu überzeugen.

 Im Einzelnen:

 Der Zeuge I1 hat ausgesagt, dass er mit der Zeugin T sowie den Zeugen E und L2 eine Standkontrolle an der H1-Straße durchgeführt habe. Dabei sei ein Fahrstreifen gesperrt und jedes Fahrzeug angehalten worden. Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe wenig Verkehr geherrscht. Er habe die Fahrzeuge angehalten, den Fahrern den Grund des Anhaltens genannt und dann entschieden, ob eine nähere Kontrolle des Fahrzeugs bzw. des Fahrers erfolge. Er habe auch das Fahrzeug, in dem sich die Angeklagten befunden haben, angehalten. Auf Nachfrage sagte der Zeuge I1 dazu aus, dass er nicht mehr wisse, ob er sich vorgestellt habe oder nicht; er räumte jedoch ein, dass er sich „kürzer gefasst“ haben könne. Erstmals in der Berufungshauptverhandlung behauptete der Zeuge I1 nun, dass der Beifahrer - der Angeklagte L - eine Dose Alkohol in der Hand gehalten habe. Außerdem hätten die Fahrzeuginsassen gelacht und Sprüche von sich gegeben. Er habe daher den Verdacht gehabt, dass auch der Fahrer - der Zeuge I - Alkohol konsumiert habe und sich entschlossen, das Fahrzeug näher zu kontrollieren. Auf Nachfrage vermochte der Zeuge I1 jedoch nicht anzugeben, um was für eine Dose Alkohol - Alkoholmischgetränk, Bier, Sekt, Wodka, oder anderes - es sich gehandelt habe bzw. welches Aussehen die Dose gehabt habe. Eine Erklärung, warum dieses wichtige Detail keinen Eingang in die Strafanzeige gefunden habe, konnte er ebenfalls nicht abgeben. Insgesamt hatte die Kammer bereits an dieser Stelle den Eindruck, dass der Zeuge im Nachhinein eine Rechtfertigung für die Durchführung der Kontrolle und das weitere Vorgehen gegen die Angeklagten zu präsentieren versuchte. Ersichtlich war er dabei auch bemüht, die Angeklagten bzw. deren Verhalten in ein schlechtes Licht zu rücken. So gab er an, dass diese gelacht sowie wiederholt die Fahrzeugtüren auf und zugemacht hätten.

 In Einklang mit der Einlassung der Angeklagten und der Aussage des Zeugen I schilderte der Zeuge I1 weiter, dass er den Zeugen I aufgefordert habe, das Fahrzeug zu verlassen und ihm Personalausweis, Führerschein und Fahrzeugpapiere auszuhändigen. Der Zeuge I habe sich dabei normal verhalten. Der Angeklagte L sei sodann ausgestiegen.

 Abweichend von der Einlassung der Angeklagten und der Aussage des Zeugen I schilderte der Zeuge I1 nun, dass sich der Angeklagte L wieder in das Fahrzeug habe setzen sollen oder sich von der Kontrolle entfernen sollte. Hintergrund dieser Aufforderung sei gewesen, dass der Angeklagte L die Kontrolle ins Lächerliche gezogen habe. Ein Platzverweis sei ihm ausdrücklich nicht erteilt worden, jedoch sei er mehrfach aufgefordert worden, sich entweder in das Fahrzeug zu setzen oder wegzugehen. Der Angeklagte L habe sich sodann mit seinem Mobiltelefon in der Hand entfernt. Ab diesem Zeitpunkt seien die Polizeibeamten E und L2 bei dem Angeklagten L gewesen. Es sei dann zu Widerstandshandlungen des Angeklagten L gekommen. Was genau passiert sei, wisse er aber nicht, da sich das Geschehen in seinem Rücken abgespielt habe.

 Abweichend zu der Einlassung des Angeklagten Q bekundete der Zeuge I1 weiter, der Angeklagte Q sei sodann aus dem Fahrzeug ausgestiegen. Er sei sehr aggressiv gewesen und habe in Richtung des Angeklagten L gehen wollen. Es habe dann ein Wortgefecht zwischen dem Angeklagten L und ihm selbst gegeben, in deren Verlauf er - I1 - dem Angeklagten auch den Einsatz des Pfeffersprays und des Schlagstocks angedroht habe; er habe verhindern wollen, dass der Angeklagte Q zu dem Angeklagten L gelangt. Er habe jedenfalls den Schlagstock in der Hand gehalten, mit welchen Worten er dabei dessen Einsatz angedroht habe, wisse er nicht mehr. Da der Angeklagte Q jedoch eine dicke Winterjacke getragen habe und er - I1 - davon ausgegangen sei, dass er mit dem Schlagstock keine Wirkung erzielen könne, habe er seinen Schlagstock wieder weggepackt und stattdessen das Pfefferspray gezogen. Dies sei zu dem Zeitpunkt gewesen, als es zu den Widerstandshandlungen des Angeklagten Q gekommen sei. Auf Nachfragen schränkte der Zeuge I1 ein, er meine, dass er den Einsatz des Pfeffersprays angedroht habe. Auf weitere Nachfrage, wie die angeblichen Widerstandshandlungen des Angeklagten Q ausgehen hätten, gab der Zeuge I1 detailarm und vage an, der Angeklagte sei hin- und hergelaufen und habe einen Schritt nach vorne und zurück gemacht.

 Weiter bekundete der Zeuge, dass nun die in der Zwischenzeit durch die Zeugin T herbeigerufene Verstärkung - die Zeugen T3 und ... - eingetroffen seien. Dann sei alles so schnell gegangen. Er habe aufgrund des vorherigen, aggressiven Verhaltens des Angeklagten Q einmal mit dem Pfefferspray gesprüht. Sodann sei der Angeklagte Q mit mehreren Kollegen zu Boden gebracht worden. Dabei habe es fünf Kollegen gebraucht, um ihn zu Boden zu bringen. Der Angeklagte Q habe sich gewehrt, seinen Körper angespannt und versucht, um sich zu schlagen. Dabei habe der Kollege ... auch einen Schlag abbekommen. Auf Nachfrage ergänzte der Zeuge, dass der Angeklagte Q die Hände mal in die Taschen seiner Winterjacke gesteckt, dann wieder herausgenommen, dann wieder hineingesteckt habe. Seines Erachtens sei der Angeklagte dann mindestens einmal aufgefordert worden, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Dann habe er das Pfefferspray versprüht und die Kollegen hätten ihn zu Boden gebracht.

 Nachdem die Angeklagten fixiert und vorläufig festgenommen worden seien, habe er den Zeugen I gefragt, ob er das Fahrzeug durchsuchen dürfe. Dabei habe er nach seiner Erinnerung Pfefferspray und ein oder mehrere Schlagstöcke gefunden.

 Die Aussage des Zeugen I1 ist in weiten Teilen nicht glaubhaft. Denn der Zeuge I1 hat zum ersten Mal in der Berufungsverhandlung behauptet, dass der Grund des Anhaltens der Verdacht gewesen sei, dass - auchder Zeuge I Alkohol konsumiert habe, nachdem der Angeklagte L eine Dose Alkohol in der Hand gehalten habe. Eine Erklärung, warum dieses wichtige Detail, welches ggf. den Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 316 StGB gegen den Zeugen I begründet hätte, keinen Eingang in die Strafanzeige gefunden hat, vermochte der Zeuge nicht abzugeben. Überdies ist nicht nachvollziehbar, dass bei einem solchen Anfangsverdacht keine weitere Untersuchung des Zeugen I zumindest durch eine Atemalkoholkontrolle erfolgt ist. Auch vermochte der Zeuge I1 das Aussehen der Dose nicht mehr zu beschreiben. Dies ist auch nicht mit einem normalen Vergessensprozess zu erklären. Denn dann ergäbe sich ein Widerspruch dazu, dass der Zeuge I1 sich nun plötzlich in der Hauptverhandlung an ein wichtiges Detail - Dose Alkohol in der Hand des Angeklagten L - erinnert, dann aber andere, dazugehörige Details - Aussehen der Dose - doch vergessen hat. Auch hinsichtlich der angeblichen Widerstandshandlungen des Angeklagten Q blieb die Aussage des Zeugen I1 sehr detailarm. Schließlich ist sie, soweit der Zeuge aussagte, den Einsatz seines Schlagstocks angedroht zu haben, nicht mit der Tonaufnahme in Einklang zu bringen. Darauf ist zwar einmal, zeitlich weit vor dessen Einsatz, zu hören, dass der Zeuge I1 den Einsatz seines Pfeffersprays androht, nicht jedoch, dass er - auch - den Einsatz seines Schlagstocks androht. Aufgrund der zuvor dargestellten Qualitätsmängel der Aussage vermochte sich die Kammer daher nicht von der Zuverlässigkeit der Aussage des Zeugen I1 zu überzeugen.

 Die Zeugin T sagte aus, dass sie mit dem Kollegen I1 auf der H1-Straße eine sogenannte Standkontrolle durchgeführt habe. Sie hätten mit Pylonen und Warnlichtern eine Spur abgesperrt. Ziel dieser Kontrolle sei die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit der jeweiligen Fahrer gewesen. Sie selbst sei bei einem anderen Fahrzeug gewesen, als der Zeuge I1 das Fahrzeug der Angeklagten angehalten habe. Sie sei erst hinzugekommen, als der Zeuge I bereits aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei und mit ihrem Kollegen I1 gesprochen habe. Die beiden Angeklagten hätten sich zu diesem Zeitpunkt noch im Fahrzeug befunden und sich verbal provokativ verhalten. So hätten sie gefragt, wieso sie denn angehalten worden seien. Der Angeklagte L sei dann mit den Worten, dass er sich aufhalten könne, wo er wolle, aus dem Fahrzeug ausgestiegen. Er sei aggressiv und angespannt gewesen und habe sich dann entfernen sollen, was er auch gemacht habe. Er habe dann sein Mobiltelefon in der Hand gehalten und gefilmt und es sei zu Widerstandshandlungen gekommen. Das sei aber in ihrem Rücken passiert, weshalb sie dazu nichts sagen könne. Insgesamt hätten die Angeklagten die Kontrolle gestört. Sie hätten gelacht und sich provokativ verhalten. Sie habe dann ihr Pfefferspray gezogen und verbal auf den Angeklagten Q eingewirkt. Dieser habe sich mit dem Rücken an das Fahrzeug gelehnt und die Hände in die Taschen seiner Jacke gesteckt. Er sei dann aufgefordert worden, die Hände aus den Taschen zu nehmen. In diesem Moment sei die Verstärkung eingetroffen. Der Angeklagte Q sei aggressiv und angespannt gewesen und durch die Verstärkung zu Boden gebracht worden. Erinnerung an Einzelheiten habe sie nicht; sie selbst habe nicht dabei mitgewirkt, den Angeklagten zu Boden zu bringen. Von dem Angeklagten Q sei eine Gefahr ausgegangen. In ihrem Rücken habe sich eine dynamische Situation um den Angeklagten L abgespielt und der Angeklagte Q habe vor ihnen gestanden. Auf Nachfrage zu den konkreten Details der Widerstandshandlungen wurden die Angaben der Zeugin vage: Der Angeklagte Q habe einen Schritt nach vorne gemacht. Sie habe ihn aufgefordert, sich zu beruhigen. Der Angeklagte habe dann einen Schritt zurück gemacht. Im Übrigen wisse sie nicht mehr. Er sei aggressiv gewesen, dies habe sich in seiner Haltung und Körperspannung ausgedrückt. An irgendwelche verbalen Äußerungen habe sie keine Erinnerung. Sie habe die Vermutung, dass der Angeklagte Q das Geschehen in ihrem Rücken beobachtet habe, jedenfalls sei sein Blick dahingegangen. Sie selbst habe sich jedoch nicht umgedreht, um zu sehen, was da passiere. Ob einer ihrer Kollegen, insbesondere der Zeuge I1, Pfefferspray eingesetzt habe, wisse sie nicht. Sie selbst habe kein Pfefferspray eingesetzt. Die beiden Angeklagten seien sodann zur Wache verbracht worden. Das Fahrzeug sei durchsucht worden. Dabei seien ein Schlagstock gefunden worden. Die Durchsuchung sei nicht während der Fahrzeugkontrolle erfolgt sondern danach. Sie wisse jedoch nicht, ob einer der Kollegen zuvor im Fahrzeug schon irgendwelche Gegenstände wahrgenommen habe.

 Auch der Aussage der Zeugin T vermochte die Kammer nicht zu folgen. Denn die Aussage blieb in den entscheidenden Fragen, etwa zu konkreten Widerstandshandlungen sehr detailarm und vage oder die Zeugin konnte sich daran nicht erinnern.

 Der Zeuge E bekundete, er sei mit dem Kollegen L2 ebenfalls an der Standkontrolle beteiligt gewesen. Ziel der Kontrolle sei die Überprüfung der Autofahrer auf Alkohol- und Drogenkonsum gewesen. Er sei zu der Kontrolle des Fahrzeugs der Angeklagten erst dazu gekommen, als es lauter geworden sei. Der Zeuge L2 sei dann auch dazu gekommen. Die Angeklagten seien auf Konfrontation aus gewesen. Der Angeklagte L habe sich dann entfernen wollen. Ob das Wort „Platzverweis“ gebraucht worden sei, wisse er - E - nicht mehr. Der Angeklagte L habe sich dann erst entfernt, wie weit wisse er nicht mehr. Er sei dann jedoch zurückgekommen, und habe gefilmt. Er - E - habe den Angeklagten sodann mehrfach aufgefordert, das Filmen zu unterlassen. Daraufhin habe der Angeklagte L erwidert, dass er machen könne, was er wolle. Er - E - habe dann das Mobiltelefon zur Seite schieben wollen. Der Angeklagte habe dann die Hand, in der er das Mobiltelefon gehalten habe, zu seinem Körper gezogen und mit der anderen Hand ausgeholt. Zunächst gab der Zeuge dazu an, er - E - habe den Angeklagten L zu Boden gebracht. Er sei erst allein gewesen, der Zeuge L2 sei dann sofort dazu gekommen. Im späteren Verlauf sagte er aus, er wisse nicht mehr, ob der und/oder der Zeuge L2 den Angeklagten zu Boden gebracht hätten. Dem Angeklagten L seien dann die Hände auf dem Rücken fixiert worden. Der Angeklagte L habe dann über Luftnot geklagt. Sie hätten ihn dann zunächst aufgesetzt und ihn sodann, da er weiter über Luftnot klagte, hingestellt. Dabei habe der Angeklagte nicht etwa deshalb nicht atmen können, weil sie - E und L2 - auf ihm gekniet oder gesessen hätten. Vielmehr sei er „außer Puste“ gewesen, weil er sich gewehrt habe. Er selbst - E - sei auch nicht mehr der Jüngste und ebenfalls „aus der Puste“ gewesen. Er sei es gewohnt, als Polizeibeamter im Einsatz von anderen gefilmt zu werden. Hier sei es jedoch so gewesen, dass der Angeklagte L die Verkehrskontrolle und damit auch das nicht-öffentlich gesprochen Wort des Zeugen I gefilmt habe. Im Polizeigewahrsam habe er in dem Mobiltelefon des Angeklagten nachgesehen, ob und was der Angeklagte L gefilmt habe. Er habe jedoch kein Video gefunden. Der Angeklagte L habe dazu angegeben, dass die Speicherkapazität seines Mobiltelefons erschöpft gewesen sei.

 Demgegenüber bekundete der Zeuge L2, er sei dem Dienstgruppenleiter, dem Zeugen E, unterwegs gewesen. Sie hätten dann über Funk mitbekommen, dass die Kollegen I1 und T an der H1-Straße eine Standkontrolle aufgebaut hätten und sich entschlossen, auch dorthin zu fahren. Sie seien dann relativ von Beginn an bei der Standkontrolle dabei gewesen. Der Zeuge E und er hätten ein anderes Fahrzeug kontrolliert, als er - L2 - hinter sich eine laute Diskussion mitbekommen habe. Er habe sich dann umgedreht und mitbekommen, dass einer der anderen Kollegen dem Angeklagten L einen Platzverweis für den Bereich der Fahrzeugkontrolle erteilt habe. Er habe zwar nicht gehört, was der Kollege gesprochen habe. Er persönlich sei aufgrund des Verhaltens des Angeklagten und des Verhaltens seiner Kollegen der Ansicht, dass sein Kollege dem Angeklagten L einen Platzverweis erteilt habe. Der Angeklagte L habe sich dann zielstrebig entfernt und sei dabei in seine - L2 - Richtung gegangen. Der Angeklagte L habe denn sein Mobiltelefon herausgeholt und gefilmt. Er - L2 - habe genau gesehen, dass der Angeklagte L auch tatsächlich gefilmt habe. Denn der Angeklagte L habe sein Mobiltelefon einmal so gehalten, dass er das Display habe sehen können. Er habe dann den pulsierenden roten Punkt gewesen, der anzeige, dass mit dem Mobiltelefon eine Videoaufnahme gemacht werde. Er selbst - L2 - sei dabei auch gefilmt worden. Er habe nicht gewusst, was der Angeklagte L habe aufnehmen wollen. Er habe jedoch für sich den Schluss gezogen, dass der Angeklagte L die Standkontrolle habe aufnehmen wollen. Er habe dann dem Angeklagten L gesagt, dass die Aufnahme des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes eine Straftat darstelle. Der Angeklagte L habe erwidert, dass ihn dies nicht interessiere und er machen könne, worauf er Lust habe. Er - L2 - sei daraufhin zu dem Zeugen E gegangen, habe ihm berichtet, was gerade geschehen sei und gefragt, wie man dagegen vorgehen solle. Gemeinsam habe man dann den Entschluss gefasst, dem Angeklagten L das Mobiltelefon wegzunehmen. Er habe denn keine Erinnerung mehr daran, wer zuerst was zu dem Angeklagten L gesagt habe. Jedenfalls habe der Zeuge E nach dem Mobiltelefon gegriffen. Für ihn - L2 - habe es dann so ausgesehen, als ziehe der Angeklagte L die Hand, in der er das Mobiltelefon gehalten habe in Richtung seines Körpers und hole mit der anderen Hand zu einer Schlagbewegung aus. In dem Moment hätten sie den Angeklagten L zu Boden gebracht und gefesselt. Der Angeklagte L habe denn gesagt, dass er keine Luft mehr bekomme, woraufhin sie ihn aufgerichtet hätten. Er - L2 - habe dann mehr oder weniger mitbekommen, was um den Angeklagten Q geschehen sei. Er habe mitbekommen, dass vier oder fünf Kollegen mit dem Angeklagten Q „zugange“ gewesen seien. Es sei eine körperliche Auseinandersetzung, ein Tumultgeschehen gewesen. Die Angeklagten seien dann zur Polizeiwache verbracht worden, um sie zur Verhinderung weiterer Straftaten in Gewahrsam zu nehmen. Der Angeklagte L habe such dann beruhigt. Er - L2 - habe sich dann mit dem Angeklagten L unterhalten und versucht, ein „lockeres Gespräch“ zu führen, Der Angeklagte L habe dann ihm gegenüber eingeräumt, gefilmt zu haben. Er habe dann sein Mobiltelefon unter Aufsicht entsperrt. Dabei sei jedoch festgestellt worden, dass das Video nicht gesichert worden sei. Er - L2 - sie sich aber trotzdem ganz sicher, dass der Angeklagte L gefilmt habe. Denn der Angeklagte L besitze ein J. Bei diesem pulsiere ein roter Punkt auf dem Display, wenn eine Videoaufnahme gemacht werde. Genau diesen pulsierenden roten Punkt habe er gesehen, als der Angeklagte L sein Smartphone einmal so gedreht habe, dass er - L2 - das Display habe sehen können. Auf Vorhalt bekundete der Zeuge L2, er sei sich nicht sicher, ob einer der Kollegen einmal zur Probe ein Video mit dem Smartphone des Angeklagten L gefertigt habe und festgestellt habe, dass der Speicher des Smartphone voll gewesen sei. Auf weitere Nachfrage gab er an, er wisse nicht mehr, ob er oder der Zeuge E oder beide gemeinsam den Angeklagten L zu Boden gebracht hätten.

 Auch den Aussagen der Zeugen E und L2 vermochte die Kammer nicht zu folgen. Diese widersprechen sich in erheblichem Umfang. Während der Zeuge E angibt, er habe den Angeklagten aufgefordert, das Filmen zu unterlassen, bekundet der Zeuge L2, er habe dies getan. Weiter bekundet dieser Zeuge, er sei dann zu dem Zeugen E gegangen, habe berichtet was geschehen sei und man habe gemeinsam den Entschluss gefasst, dem Angeklagten L das Mobiltelefon wegzunehmen. Dieses Vorgehen schildert der Zeuge E nicht. Widersprüchlich sind die Aussagen auch dazu, wer zuerst den Angeklagten L zu Boden brachte und wer dann hinzukam.

 Der Zeuge ... bekundete, er sei mit dem Kollegen T3 Streife gefahren. Über Funk hätten sie dann erfahren, dass ihr Kollege I1 Unterstützung brauche. Sie seien dann abgedreht und unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten zur H1-Straße gefahren. Zuvor hätten sie noch bei der Leitstelle nachgefragt, wo genau sie hinmüssen und dabei erfahren, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer, der an der Kontrollstelle vorbeigefahren sei, einen Notruf abgesetzt habe. Sie seien dann zeitgleich mit der Kollegin T2 und einem weiteren Kollegen, von dem er nicht mehr in Erinnerung habe, welcher Kollege es gewesen sei, an der Kontrollstelle eingetroffen. Sie seien dann von ihrem Kollegen I1 in die Lage eingewiesen worden. Sie hätten ein Auge auf den Angeklagten Q haben sollen, da dieser den Anweisungen nicht nachkomme. Der Angeklagte Q habe aggressiv und aufgebracht vor ihnen - den Polizeibeamten - gestanden und es sei zu einer Diskussion gekommen. Zwischendurch habe er - ... - auch mal probiert, auf eine lockere Art und Weise mit dem Angeklagten zu sprechen. Bei der Diskussion sei es darum gegangen, fass der Angeklagte Q seine Hände aus den Taschen habe nehmen sollen. In dem Gewusel sei auch bekannt geworden, dass es in dem Fahrzeug der Angeklagte Holzstöcke und Reizgaskartuschen gebe; es daher um die Eigensicherung gegangen. Er - ... - habe den Angeklagten mehrfach aufgefordert, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Dies habe der Angeklagte jedoch nicht gemacht, sondern diskutiert, sinngemäß mit den Worten: „das macht ihr nur, weil ihr cool seid!“. Er - ... - habe dann den Unterarm bzw. den Jackenärmel des Angeklagten Q ergriffen, um die Hand aus der Tasche zu ziehen. In diesem Augenblick habe der Angeklagte Q die Hand aus der Tasche hochgerissen. Die Hand sei dabei in Richtung seines - ... - Gesichts gegangen. Dann habe sich der Angeklagte Q in Angriffshaltung, ähnlich wie ein Boxer vor die Polizeibeamten gestellt. Ob er dabei die Hände zu Fäusten geballt oder die flachen Hände hochgehalten habe, weise er nicht mehr. Ein Kollege habe dann einen sogenannten Blendschlag durchgeführt. Dann habe es geheißen, „Achtung zur Seite“ und es sei Pfefferspray gesprüht worden. Der Angeklagte Q sei dann zu Boden gebracht worden. Dabei habe er - ... - durch den Angeklagten einen Schlag abbekommen. Es sei jedoch kein gezielter Schlag gewesen. Vielmehr habe der Angeklagte Q herum gerudert, weil er durch die Kollegen aus dem Gleichgewicht und zu Boden gebracht worden sei und ihn dabei getroffen. Er - ... - sei dann zunächst zur Seite, da seine Lippe geblutet habe. Der Angeklagte und seine Kollegen seien dann zu Boden gegangen. Auch am Boden habe sich der Angeklagte gegen seine Festnahme gewehrt, in dem er sich gewunden habe. An Äußerungen des Angeklagte Q, etwa, dass er nichts mache, erinnere er sich nicht; auch nicht an irgendwelche Beleidigungen.

 Auf Vorhalt des Wortprotokolls sagte der Zeuge ..., dem dies ersichtlich schwer fiel, aus, dass es der Kollege G1 gewesen sei, der den Angeklagten mit den beleidigt habe. Er betonte jedoch zugleich, dass solche Beleidigungen nicht üblich seien. Vor Ort habe er diese auch nicht mitbekommen, sondern erst im Nachhinein vom Hörensagen davon erfahren.

 Von der Situation um den Angeklagten L habe er nichts mitbekommen.

 Auch dieser Aussage vermochte die Kammer nicht in vollem Umfang zu folgen. Zwar ist die Aussage glaubhaft, soweit der Zeuge ... im Einklang mit dem Inhalt der Tonaufnahme und der noch darzustellenden Aussage des Zeugen G1 selbst aussagt, der Zeuge G1 habe den Angeklagten Q beleidigt. Anderseits lässt sich die Aussage des Zeugen ...mit dem Inhalt der Tonaufnahme im Übrigen nicht in Einklang bringen. Zwar belegt die Tonaufnahme, dass der Angeklagte Q zweimal innerhalb von zwei Sekunden aufgefordert wurde, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Irgendeine Diskussion zwischen dem Angeklagten Q und den Polizeibeamten oder gar der Versuch des Zeugen ...durch eine lockere Ansprache auf den Angeklagten einzuwirken, ist darauf jedoch gerade nicht zu hören. Vielmehr wird der Angeklagte Q offenbar, noch bevor er reagieren kann, zu Boden gebracht. Auch soweit der Zeuge ... bekundete, dass bereits während der Kontrolle bekannt gewesen sei, dass sich im Fahrzeug der Angeklagten Holzstöcke und Reizgaskartuschen befinden, steht dies in Widerspruch zu den diesbezüglichen Aussagen des Zeugen I1, T3 und der Zeugin T sowie des Zeugen I. Denn diese haben - insoweit übereinstimmend - bekundet, dass das Fahrzeug erst nach der Festnahme der Angeklagten durchsucht worden sei.

 Der Zeuge T3 bekundete, er wisse nicht mehr, mit wem er an dem fraglichen Abend unterwegs gewesen sei. Jedenfalls seien sie auf Weisung des Einsatzleiters unter Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten zu der Standkontrolle gefahren, wobei ihnen zunächst noch eine falsche Straße genannt worden seien. Sie hätten dann über Funk nachgefragt und der Kollege I1 habe ihnen die H1-Straße genannt. Insgesamt sei es eine sehr dynamische Situation gewesen; die Kollegen T sei über Funk nicht zu verstehen gewesen. Es habe auch einen Notruf über die Leitstelle gegeben, wonach Kollegen angegriffen worden seien. Sein Kollege und er seien an der Standkontrolle eingetroffen. Das Fahrzeug der Angeklagten habe entweder auf der rechten Fahrspur oder in einer Parkbucht am rechten Fahrbahnrand bestanden. Der Angeklagte Q habe mit dem Rücken zum Fahrzeug gestanden und die Hände in den Taschen seiner Jacke gehabt. Bei dieser Jacke habe es sich um eine dicke Winterjacke gehandelt. Der Angeklagte Q habe aktiv nichts gemacht, jedoch aufgrund seiner Körperhaltung angespannt gewirkt. Sein Kollege und er und hätten den Angeklagte Q aufgefordert, die Hände aus den Taschen seiner Jacke zu nehmen. Der Angeklagte Q sei dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen; es habe keinerlei körperliche Reaktion gegeben. Der Zeuge ... und die Zeugin T2 hätten sodann versucht, die Arme des Angeklagten Q festzuhalten. Der Angeklagte Q habe dann eine Bewegung mit seinem rechten Arm gemacht. Es habe so ausgesehen, als wolle er sich dem Griff entziehen. Dann sei alles ganz schnell gegangen. Mehrere Polizeibeamte, nämlich er selbst, die Zeugen ..., die Zeugin T2 und noch zwei weitere Kollegen, seien auf den Angeklagten Q „drauf gegangen“. Er selbst habe den Kopf des Angeklagten ergriffen und ihn durch diesen Griff zu Boden gebracht. Der Angeklagte Q sei jedoch nicht geschlagen worden. Als der Angeklagte Q dann am Boden gewesen sei, sei er - T3 - einige Meter zurückgegangen, da so viele Kollegen an dem Angeklagten „dran“ gewesen seien. Der Angeklagte Q sei dann fixiert und gefesselt worden. Im weiteren Verlauf des Geschehens sei dann bekannt geworden, dass sich im Fahrzeug der Angeklagten Knüppel und Pfefferspray befänden. Irgendwelche Äußerungen oder Schreie des Angeklagten Q habe er nicht mitbekommen. Auch den Einsatz eines Pfeffersprays habe er nicht bemerkt.

 Auf Nachfrage bekundete der Zeuge T3, dass das Fahrzeug der Angeklagten im Anschluss, als sich die Situation beruhigt habe, durchsucht worden sei. Weiter präzisierte er, dass sein Kollege und er bei ihrem Eintreffen durch den Zeugen I1 in die Situation eingewiesen worden seien, dass der Angeklagte Q die Hände nicht aus den Taschen nehme. Das habe nur wenige Sekunden gedauert. Sie hätten dann den Angeklagten ebenfalls aufgefordert, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Es habe dann noch einmal ca. zehn Sekunden gedauert, bis der Zeuge ... und die Zeugin T2 eingetroffen seien.

 Auch hier lassen sich die Bekundungen des Zeugen insbesondere zu der mehrfachen Aufforderung, auch durch eine weibliche Kollegin, die Hände aus den Taschen zu nehmen, nicht mit der Tonaufnahme in Einklang bringen.

 Die Zeugin T2 bekundete, sie sei mit dem Kollegen L4 auf der Wache gewesen. Sie habe dann von ihrem Einsatzleiter den Einsatz bekommen, zur H1-Straße zu fahren, da Kollegen dort Unterstützung brauchten. Sie sei dann gemeinsam mit den Zeugen ...und T3 an der Standkontrolle auf der H1-Straße eingetroffen. Es seien bereits einige Polizeibeamte vor Ort gewesen. Der Angeklagte L habe auf dem Grünstreifen am Boden gelegen. Sie habe nicht erkennen können, ob er fixiert gewesen sei. Jedenfalls seien andere Polizeibeamte bei ihm gewesen. Es habe keine Einweisung in die Situation gegeben, jedoch habe es die Information gegeben, dass sich im Fahrzeug der Angeklagten Pfefferspray befinde. Der Angeklagte Q habe mit dem Rücken zum Fahrzeug der Angeklagten gestanden und die Hände in den Taschen gehabt. Die Stimmung sei angespannt gewesen. Aus Gründen der Eigensicherung sei der Angeklagte Q dann mehrfach, auch durch sie - T2 - selbst aufgefordert worden, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Die Hände seien dann irgendwann aus den Taschen heraus gewesen. Es habe ein Angriff durch den Angeklagten Q gedroht; dieser habe sich in Angriffshaltung, in Kampfstellung wie ein Boxer aufgestellt. Die Kollegen und sie hätten dann versucht, den Angeklagten Q zu Boden zu bringen. Dagegen habe der Angeklagte Widerstand geleitet. Sie selbst habe dann mit dem Zeugen ...die Füße des Angeklagten Q gesichert. Sie wisse nicht mehr, was als erstes passiert sei bzw. wer den ersten Schritt gemacht habe, ob der Angeklagte Q oder einer der Polizeibeamten. Auch den Einsatz von Pfefferspray habe sie nicht mitbekommen. Sie selbst habe ihren Schlagstock in der Situation, in der der Angeklagte Q zu Boden gebracht worden sei, eingesetzt und ihm von hinten auf den Körper geschlagen. Wie der Angeklagte Q Widerstand geleistet habe, könne sie nicht sagen. Sie habe auch keine Erinnerung an eine Rektion des Angeklagten. Als der Angeklagte Q später aufgerichtet worden sei, habe sie an den Augen gesehen, dass gegen ihn Pfefferspray eingesetzt worden sei.

 Auch dieser Aussage vermochte die Kammer nicht zu folgen. Sie lässt sich schon nicht, soweit die Zeugin behauptet, auch sie habe den Angeklagten Q aufgefordert, die Hände aus den Taschen zu nehmen, mit der Tonaufnahme in Einklang bringen. Eine weibliche Stimme ist dort an dieser Stelle nicht zu hören. Vage und detailarm blieb die Aussage zu dem angeblich gegen die Fixierung geleisteten Widerstand. Auch behauptet diese Zeugin in Widerspruch zu den diesbezüglichen Aussagen der Zeugen T3 und ..., dass die Hände des Angeklagten Q aus den Taschen heraus gewesen seien und dieser sich in Kampfstellung, wie ein Boxer aufgestellt habe, ohne dass sie jedoch berichtet, dass sie selbst und der Zeuge ... versucht hätten, die Hände aus den Taschen zu ziehen bzw. die Arme festzuhalten. wie es die Zeugen ...und T3 bekundet haben.

 Der Zeuge G1 bekundete, er sei mit seinem Kollegen S auf Streife gewesen. Sie hätten dann über Funk gehört, dass Kollegen Unterstützung brachten. Die Zeugin T hätte am Funk eindringlich gesagt, dass sie unbedingt Unterstützung brachten. Er sei dann mit seinem Kollegen zügig dorthin gefahren. Unterwegs habe die Leitstelle mitgeteilt, dass ein Zeuge einen Notruf abgesetzt habe und mitgeteilt habe, dass Polizeibeamte geschlagen werden würden. Er sei dann mit seinem Kollegen vor Ort eingetroffen und habe die Situation nicht einordnen können. Er sei dann mit mehreren Kollegen an dem Angeklagten Q „dran“ gewesen und es habe lange gedauert, bis er zu Boden gebracht worden sei. Der Angeklagte Q habe massiven Widerstand geleitet. Er habe um sich geschlagen, wobei er - G1 - nicht sagen könne, ob es sich um gezielte Schläge gehandelt habe. Er selbst habe den Kopf und den Arm des Angeklagten Q fixiert. Dieser habe versucht, sich aus der Fixierung zu lösen. Insgesamt habe es lange gedauert, bis er fixiert worden sei. Der Zeuge ... sei durch den Angeklagten Q auch getroffen worden und habe geblutet. Er selbst habe gedacht, dass die Situation ausarte. Es sei ein Riesengeschrei gewesen. Bei der Fixierung der Arme werde ein spezieller Griff angewandt, mit dem man einer Person auch den Arm brechen könne, wenn dieser sich stark gegen diesen Griff wehre. Wichtig sei daher, dass sich die Person nicht zu stark gegen diesen Griff wehre. Er selbst habe keine Erinnerung daran, dass er den Angeklagten Q, so wie es auf der Tonaufnahme zu hören sei, beleidigt habe. Er könne es aber auch nicht ausschließen. Wenn er etwas Falsches gesagt habe, tue es ihm leid und er entschuldige sich dafür. Das sei unprofessionell, jedoch der dynamischen Situation geschuldet gewesen. Er wisse nicht, wann das Pfefferspray eingesetzt worden sei, habe jedoch an seiner eigenen Reaktion - Husten - gemerkt, dass welches eingesetzt worden sei.

 Der Aussage dieses Zeugen lässt sich damit schon nicht entnehmen, warum der Angeklagte Q überhaupt zu Boden gebracht wurde.

 Nach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag die Kammer, auch nach einer Gesamtwürdigung, wie bereits oben ausgeführt, nicht festzustellen, dass die Angeklagten gegen irgendwelche rechtmäßigen Diensthandlungen der Polizeibeamten Widerstand gehandelt haben.

 Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht belegt, dass dem Angeklagten L ein Platzverweis erteilt wurde. Weder der Zeuge I1 noch die Zeugin T haben dies sicher bekundet. Soweit der Zeuge L2 angab, dem Angeklagten L sei für den Bereich der Fahrzeugkontrolle ein Platzverweis erteilt worden, handelt es sich um eine Vermutung bzw. Schlussfolgerung dieses Zeugen, der - wie er selbst aussagte - die Worte des Zeugen I1 nicht gehört hatte, nicht jedoch um die Bekundung einer Tatsache. Überdies hat sich der Angeklagte L von der Standkontrolle entfernt. Selbst wenn es einen - konludent erteilten - Platzverweis gegeben hätte, wäre der Angeklagte diesem damit nachgekommen.

 Auch im Übrigen ist weder eine Widerstandshandlung noch eine rechtmäßige Diensthandlung belegt. Selbst wenn der Angeklagte L tatsächlich das Geschehen um sein eigenes Fahrzeug gefilmt haben sollte, stellt dies keine Straftat im Sinne des § 201 StGB dar. Zwar ist das bei einer Unterredung im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle gesprochene Wort grundsätzlich nicht an die Allgemeinheit gerichtet, also nicht für einen über einen durch persönliche und sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinausgehenden Hörerkreis bestimmt sind. Grundsätzlich unterfallen polizeiliche Personenkontrollen also durchaus dem Schutzbereich des § 201 StGB. Allerdings kann das Vorhandensein einer faktischen Öffentlichkeit der Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes entgegenstehen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden müsste. Denn entscheidend sind die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung. Abzustellen ist dabei auf Umstände, die für diejenigen Personen, deren Kommunikation betroffen ist, auch offen zu erkennen ist (vgl. LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019, 2 Qs 111/19, über juris; LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020, 60 Qs 34/29, über juris; LG Aachen, Beschluss vom 15.01.2021, 60 Qs 52/20, über juris). So liegt der Fall hier. Die Kontrolle fand - wenn auch zur Nachtzeit - auf der H1-Straße und damit einer der am meisten befahrenen Straßen der Stadt F statt. Es handelt sich um die Hauptverbindung zwischen dem F Norden und dem F Süden. Auch waren zu diesem Zeitpunkt andere Verkehrsteilnehmer, beispielsweise der Zeuge L3, unterwegs, die infolge der teilweisen Sperrung der Straße durch die Standkontrolle langsam daran vorbeifuhren. Die zwischen dem Zeugen I1 und dem Zeugen I gesprochenen Worte waren damit faktisch öffentlich.

 Auch hinsichtlich des Angeklagten Q ist weder eine rechtmäßige Diensthandlung noch eine Widerstandshandlung noch eine Tätlichkeit im Sinne des § 114 StGB belegt. Zwar wurde der Angeklagte Q, der zwar gegenüber den Polizeibeamten I1 und T aufgebracht und erregt das zur Sprache gebracht hatte, was er gerade sah, nämlich, dass der Angeklagte von den Polizeibeamten geschlagen und getreten wurde, sich jedoch zwischenzeitlich ruhig verhielt und nichts machte, zweimal aufgefordert, die Hände aus den Taschen seiner Jacke zu nehmen. Noch bevor er allerdings dieser Aufforderung nachkommen konnte, wurde bereits das Pfefferspray eingesetzt und er zu Boden gebracht. Soweit der Zeuge ... im Zuge dieses Zu-Boden-Bringens einen Schlag gegen das Gesicht erhielt, hat der Zeuge selbst klargestellt, dass es sich nicht um einen gezielten Schlag handelte. Auch weitere Widerstandshandlungen des Angeklagten gegen das Zu-Boden-Bringen sind nach den obigen Ausführungen nicht belegt.

 Die Angeklagten waren damit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

 VI.

 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467, 473 StPO.

LG Essen Urt. v. 23.11.2021 – 31 Ns-57 Js 867/19-31/21, BeckRS 2021, 42833

 

 

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6 Kommentare

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Anfang der 1970-er Jahre (die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte lagen da erst ungefähr 25 Jahre zurück) gab es derartig chauvinistisches und rechtswidriges und gewalttätiges Verhalten von Polizisten leider nicht gerade selten.

Inzwischen werden in NRW jedoch nur noch Abiturienten zum Polizeidienst zugelassen, und es wird bei der Polizeiausbildung in NRW inzwischen auch Wert auf die Vermittlung von Bürgerrechten und Ethik sowie von De-Esklationsstrategien gelegt.

Das solches Verhalten bei der Polizei trotzdem auch heutzutage immer noch vorkommt, und zwar nicht bloß gegen Betrunkene, Junkies, Drogendealer, Rocker, steinewerfende Hausbesetzer oder steinewerfende Demonstranten, Nazis, und Hooligans, sondern auch gegen ganz normale rechtstreue Bürger, überrascht.

Erschreckend ist ganz besonders, daß die gewalttätigen Straftäter in Polizeiunformen heute wie vor 50 Jahren immer noch von ihren Kollegen gedeckt werden, obwohl die Polizeibeamten doch eigentlich Straftaten und Straftäter verfolgen sollten, anstatt Strafvereitelungen und Falschauasagen zu begehen.

Das Dunkelfeld derartiges Straftaten könnte womöglich groß sein, da ein anscheinend immer noch vorherrschender Korpsgeist (der zu Strafvereitelungen führt) die Aufklärung erheblich erschweren könnte.

Wenn der Rechtstaat auch in  diesen Bereichen funktionieren will dann braucht es dafür womöglich unabhängig arbeitende Sondereinheiten von Polizei und Staatsanwaltschaft, die um Interessenkonflikte zu vermeiden wohl am besten auf Bundesebene angesiedelt würden.

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Zurzeit wollen einige populistische CDU-Politiker den Strafrahmen für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte erheblich erhöhen, und zugleich auch den Tatbestand ausweiten.

Vielleicht wäre es wenigstens mindestens ebenso angebracht, Körperverletzung im Amt härter zu sanktionieren, und, wie Amnesty International seit Jahren fordert, wirklich unparteiisch und unvoreingenommen aufzuklären.

Die Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaften bezeichnen sich selbst zwar als die angeblich neutralsten Behörden der Welt, aber in der Praxis scheinen nicht wirklich immer unparteiisch und unvoreingenommen zu sein.

Vielleicht lassen sie sich nicht selten sich von Freundschaften und Netzwerken oder Sympathien und Gefühlen leiten, anstatt völlig nüchtern und neutral und unvoreingenommen zu denken und zu handeln.

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Was sind "Marburger Kegel[n]"? Google hat auf den ersten Seiten keine Ergebnisse, die nicht "Kegel(n)" in bzw. gegen "Marburg" meinen. Wikipedia kennt die auch nicht.

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Der Ausdruck ist mir auch unbekannt. Ich denke, das Gericht meint die bekannten Leitkegel der StVO, auch Absperrkegel oder Pylone genannt. Aber warum "Marburger Kegel"? Da muss unbedingt ein Verkehrsrechtler ran!

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Ist etwas bekannt über die strafrechtliche VErfolgung der Täter, nachdem die Opfer freigesprochen wurden?

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