LAG Hamm zur Anrechenbarkeit von Quarantänezeiten auf den Erholungsurlaub

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.03.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3107 Aufrufe

Was gilt eigentlich, wenn der Arbeitnehmer sich während seines Erholungsurlaubs in Quarantäne begeben muss? Zu dieser Problematik sind vor kurzem Urteile des LAG Köln (13.12.2021 – 2 Sa 488/21, NZA-RR 2022, 162) und des LAG Düsseldorf (15.10.2021 – 7 Sa 857/21, NZA-RR 2022, 164) ergangen, über das an dieser Stelle (zu LAG Düsseldorf der Beitrag vom 25.10.2021; zu LAG Köln der Beitrag vom 27.1.2022), auch berichtet worden ist. Beide Gerichte sind unisono zu dem Ergebnis gelangt, dass es keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus gibt.

Dem widerspricht das LAG Hamm (27.1.2022 – 5 Sa 1030/21, BeckRS 2022, 1866) in einer jetzt bekanntgewordenen, neueren Entscheidung. Normativer Ausgangspunkt ist § 9 BUrlG, der bekanntlich besagt, dass im Falle einer Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Im Fall des LAG Hamm wurde über eine Gutschrift von acht Urlaubstagen während einer behördlich angeordneten Quarantäne gestritten. Der Kläger, ein Schlosser mit einem Brutto-Gehalt von 3.000 €, der bei einem größeren Metall-Unternehmen angestellt ist, wurde während seines Urlaubs Ende 2020 durch Ordnungsverfügung der Stadt Hagen unter häusliche Quarantäne gestellt, weil er mit einem bestätigten COVID-19-Fall in Kontakt gekommen war. Das LAG Hamm gibt dem Kläger recht: Im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne sei eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers durchaus gegeben. Zwar schulde der Arbeitgeber tatsächlich keinen „Urlaubserfolg“. Der Arbeitnehmer solle aber nach § 1 BUrlG zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden, um ihm die uneingeschränkte Möglichkeit selbstbestimmter Nutzung seiner Freizeit zu geben. Die Quarantäne-Bestimmungen verhinderten dieses, da sie bestimmten, wo sich eine Person aufzuhalten habe, mit wem sie Kontakt haben dürfe und ob sie sich gegebenenfalls Untersuchungen unterziehen müsse. Die Anordnung einer Quarantäne stehe damit einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber. Das LAG Hamm ist daher im Ergebnis der Ansicht, dass auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG, die eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG (nur) grundsätzlich ausschließe, und im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG im Falle einer Anordnung einer Quarantäne während eines bewilligten Urlaubs die in die Zeit der Quarantäne fallenden Tage auf den Urlaub nicht anzurechnen und in der Folge entfallene Urlaubstage nachzugewähren sind.

Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen. Es dürfte daher in absehbarer Zeit zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser höchst praxisrelevanten Frage kommen. Ob sich der arbeitnehmerfreundliche Standpunkt des LAG Hamm durchsetzen wird, erscheint zweifelhaft. 

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 Beide Gerichte sind unisono zu dem Ergebnis gelangt, dass es keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus gibt.

Dem widerspricht das LAG Hamm (27.1.2022 – 5 Sa 1030/21, BeckRS 2022, 1866) in einer jetzt bekanntgewordenen, neueren Entscheidung. 

Das ist etwas missverständlich formuliert. Im vorliegenden Fall ging es gerade nicht um eine Quarantäneanordnung wegen einer Infektion (während des Urlaubs), sondern um Quarantäne wegen KONTAKT mit einem anderen Infizierten. Der Betroffene selbst war nicht erkrankt. 

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