LAG Düsseldorf: Kündigungen eines Kapitäns und eines Co-Piloten wegen Flottenreduzierung rechtsunwirksam

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.03.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1397 Aufrufe

Personalanpassungen im Zuge von Betriebsänderungen stellen hohe Anforderungen, an denen die betroffenen Unternehmen nicht selten scheitern. Das hat dann hohe Zusatzkosten und einen erhöhten Arbeitsaufwand zur Folge. Als besonders gefahrträchtig erweist dabei zunehmend das in § 17 KSchG vorgeschriebene Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen. Das zeigen exemplarisch zwei gerade vom LAG Düsseldorf entschiedene Fälle (Urteile vom 24.03.2022 - 13 Sa 998/21 und 13 Sa 1003/21, PM vom 24.3.2022)

 

Der Kläger des Verfahrens 13 Sa 998/21 war seit dem 4.9.2000 bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft, als Kapitän beschäftigt. Der Kläger des Verfahrens 13 Sa 1003/21 war seit dem 3.9.2018 als Co-Pilot tätig. Am 5.3.2021 schlossen die Beklagte und die GV Bord einen Interessenausgleich. Zu der geplanten Betriebsänderung hieß es dort, dass die Beklagte ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Weiter hieß es, dadurch sei im Bereich des Cockpits und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege - so der Vortrag der Beklagten - aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340. Mit Schreiben vom 11.3.2021 leitete die Beklagte gegenüber der GV Bord das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ein. Sie übersandte dabei den Text eines Sozialplans, der eine Auswahlrichtlinie beinhaltete. Diese sah u.a. ein Punkteschema für die Gewichtung der Kriterien der sozialen Auswahl (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung) vor. Zugleich war vorgesehen, dass Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz (z.B. aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit) nach Einholung der behördlichen Zustimmung gekündigt werde. Am 19.3.2021 fand ein abschließender Beratungstermin mit der GV Bord statt. Mit Schreiben vom 27.3.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Kapitäns außerordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021 und das Arbeitsverhältnis des Co-Piloten ordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021. Mit ihren Kündigungsschutzklagen wenden sich der Kapitän und der Co-Pilot gegen die betriebsbedingten Kündigungen. Die Kläger rügen u.a. die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens.

Das LAG Düsseldorf hat den beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben. Beide Kündigungen seien jedenfalls aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Konsultation der GV Bord rechtsunwirksam. Abweichend von dem der GV Bord in den Beratungen mitgeteilten Informationsstand habe die Beklagte den ca. 80 Beschäftigten des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz unabhängig von dem Punkteschema weder gekündigt noch hierzu eine behördliche Zustimmung eingeholt. Gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hätte die Beklagte der GV Bord die zweckdienlichen Auskünfte erteilen und sie dabei über die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unterrichten müssen. Dies sei hier fehlerhaft erfolgt, weil sich nach dem Abschluss der Beratungen durch den Verzicht auf den Ausspruch von Kündigungen gegenüber ca. 80 Personen des Cockpitpersonals eine wesentliche Änderung in den zuvor mitgeteilten Kriterien der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ergeben habe. Hierüber hätte die Beklagte die GV Bord vor Ausspruch der Kündigungen ergänzend unterrichten müssen. Dieser Fehler im Konsultationsverfahren habe zur Unwirksamkeit der Kündigungen geführt.

 

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