LAG Baden-Württemberg: anteiliger Bonus bei unterjährigem Ausscheiden

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.03.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3233 Aufrufe

Was gilt eigentlich, wenn ein Arbeitnehmer, der nach einer Zielvereinbarung einen Bonus am Ende des Jahres erwarten darf, unterjährig ausscheidet? Mitunter knüpfen die Bonusregelungen den Anspruch an ein bestehendes Arbeitsverhältnis am Ende des Kalenderjahres. Kann der Arbeitnehmer in diesem Fall zumindest einen anteiligen, seiner absolvierten Zeit im Kalenderjahr entsprechenden Bonus verlangen?

Das BAG (Urteil vom 6.5.2009 - 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783) meinte noch im Jahre 2009: nein! Der zweite Orientierungssatz lautete: „Treffen die Arbeitsvertragsparteien eine entgeltrelevante Zielvereinbarung und vereinbaren sie gemeinsam für jedes Geschäftsjahr Ziele, wird der Arbeitnehmer nicht unangemessen i.S. von § 307 I 1 BGB benachteiligt, wenn der Anspruch auf die Bonuszahlung daran gebunden ist, dass das Arbeitsverhältnis am Ende des Geschäftsjahres noch besteht.“

Dieses schon damals zweifelhafte Judikat dürfte heute angesichts neuerer Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln (Schlagwort: erdienter Lohn darf dem Arbeitnehmer nicht genommen werden) überholt sein. Auch die Instanzgerichtsbarkeit geht hier andere Wege, wie eine neuere Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.10.2021 – 9 Sa 19/21, BeckRS 2021, 47740) zeigt. Hier lautet der Leitsatz wie folgt: „Eine formularmäßige Regelung, nach der ein Anspruch auf eine Bonuszahlung, die ausschließlich vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt, nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer am 31.12. beschäftigt ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB unwirksam.“ In den Entscheidungsgründen (Rn. 60 ff.) liest man hierzu: „Die Regelung, nach der ein Anspruch auf die Bonuszahlung nur dann besteht, wenn der Kläger am 31.12. beschäftigt ist, benachteiligt den Kläger unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB unwirksam. Sie entzieht dem Kläger rückwirkend die für die Arbeitsleistung versprochene und anteilig verdiente Vergütung. (…) Die Stichtagsklausel steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611a Abs. 2 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können, ist nicht ersichtlich. Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist auch uneingeschränkt auf Ansprüche auf Bonuszahlungen anzuwenden. Auch Sonderzuwendungen, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt. Auch ein Bonus ist in diesem Sinne eine Sonderzahlung, die Vergütung für geleistete Arbeit darstellt und für die die vorbeschriebenen Regelungen gelten. Der Anspruch auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2019 steht dem Kläger im Hinblick darauf, dass er zum 30.9.2019 ausgeschieden ist, jedoch nur anteilig pro rata temporis zu. Dies ergibt sich aus dem Vergütungscharakter der Bonuszahlungen für ein ganzes Jahr einerseits und dem Umstand, dass der Kläger andererseits seine versprochene Arbeitsleistung nur anteilig, … erbracht hat.“

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