Das Einmaleins der Urteilstenorierung in Betäubungsmittelsachen

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 09.04.2022
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht|6420 Aufrufe

Das Betäubungsmittelrecht hält einige Fallstricke bereit. Dies gilt auch für die Urteilstenorierung, wie sich aus zwei aktuellen BGH-Entscheidungen ergibt:

1. Zur Bezeichnung „unerlaubt“

Die Straftatbestände des BtMG stehen unter einem Erlaubnisvorbehalt. Es ist immer festzustellen, ob für die Tat eine Erlaubnis nach § 3 BtMG bzw. für medizinische Anwendungen § 13 BtMG vorlag oder ob ein Ausnahmefall des § 4 BtMG gegeben ist. Ist dem nicht der Fall, ist die Tathandlung „unerlaubt“. Das Fehlen der Erlaubnis ist ein Tatbestandsmerkmal, gehört aber nicht in den Tenor. Hierzu BGH Beschl. v. 25.1.2022 – 3 StR 464/21, BeckRS 2022, 3468:

Jedoch ist die Urteilsformel auf der Grundlage der zutreffenden rechtlichen Würdigung der Taten durch das Landgericht neu zu fassen. Hinsichtlich des abgeurteilten Delikts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) ist die ausdrückliche Bezeichnung als ʺunerlaubtʺ entbehrlich, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit den dort genannten Stoffen betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - 3 StR 449/20, juris Rn. 3 mwN).

Die Tenorierung ist aber üblich und als solche unschädlich (vgl. BGH Beschl. v. 12.1.2016 – 3 StR 478/15, BeckRS 2016, 2759).

2. Zur Bezeichnung „nicht geringe Menge“ in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

Auch die Bezeichnung „nicht geringe Menge“ in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist nicht in den Tenor aufzunehmen (ebenfalls BGH Beschl. v. 25.1.2022 – 3 StR 464/21, BeckRS 2022, 3468):

Auch bedarf es zur rechtlichen Bezeichnung eines Verbrechens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG des Zusatzes "in nicht geringer Menge" nicht, da der Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (BGH, Beschluss vom 10. November 2020 - 3 StR 355/20, juris Rn. 2 mwN).

Ebenso BGH Beschl. v. 21.12.2021 – 3 StR 339/21, BeckRS 2021, 46342:

Die Urteilsformel ist auf der Grundlage der zutreffenden rechtlichen Würdigung der Tat durch die Strafkammer neu zu fassen. Zur rechtlichen Bezeichnung eines Verbrechens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bedarf es des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ nicht, da der Qualifikationstatbestand der bewaffneten Einfuhr stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2020 - 3 StR 355/20, juris Rn. 2 mwN).

Darüber hinaus sind noch folgende Varianten zu beachten:

3. Zur "Gewerbsmäßigkeit" in § 29 BtMG und § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Die Gewerbsmäßigkeit in § 29 BtMG ist ebenfalls nicht in den Tenor aufzunehmen (BGH Beschl. v. 12.1.2016 – 3 StR 478/15, BeckRS 2016, 2759):

Zwar tragen die Feststellungen ein gewerbsmäßiges Handeltreiben i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BtMG. Doch handelt es sich bei § 29 Abs. 3 BtMG lediglich um Regelbeispiele, deren Benennung in der Urteilsformel unterbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 26 Rn. 82 m.w.N.).

Die Gewerbsmäßigkeit in § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG dagegen schon (zur Unterscheidung von § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG).

4. Zur Bezeichnung „Mitglied einer Bande“ in § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und § 30a Abs. 1 BtMG

Das Merkmal als Mitglied einer Bande in § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und in § 30 a Abs. 1 BtMG muss auch im Urteilstenor genannt werden.

5. Zur Bezeichnung „nicht geringe Menge“ beim Bandenhandel nach § 30a BtMG

Bei § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und § 30a Abs. 1 BtMG muss zwischen dem Bandenhandel mit Betäubungsmitteln und dem Bandenhandel mit nicht geringen Mengen von Betäubungsmitteln unterschieden werden.

6. Zur Bezeichnung „nicht geringe Menge“ bei § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG

Gleiches gilt für die Einfuhr: Der Urteilsformel muss zu entnehmen sein, gegen welche der beiden Einfuhrvorschriften der Angeklagte verstoßen hat, entweder als Vergehen bei Einfuhr (in normaler Menge) gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG oder als Verbrechen bei Einfuhr in nicht geringer Menge gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG.

 

 

 

 

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