BAG zu Massenentlassungsanzeigen: „Soll“ ist doch nicht gleich „muss“!

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 23.05.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2453 Aufrufe

Vor kurzem hatte eine Entscheidung des LAG Hessen (NZA-RR 2021, 598) die Praxis aufgescheucht, hatte das LAG doch entschieden, dass die Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit bei Massenentlassungen nicht nur die Muss-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG, sondern auch die Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG enthalten müsse. Geschehe dies nicht, sei die Kündigung unwirksam. Hierzu kritisch Lembke, Editorial NZA Heft 9/2022.

Nun hat das BAG (Urteil vom 19.5.2022 – 2 AZR 467/21, PM 18/22) erfreulicherweise diesen Weiterungen Einhalt geboten und für Rechtssicherheit gesorgt. In dem entschiedenen Fall beschäftigte die beklagte Arbeitgeberin in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. In der Zeit vom 18. Juni bis zum 18. Juli 2019 kündigte sie insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse. Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, die ihr am 18. Juni 2019 zugegangene Kündigung sei nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe.

Das BAG stellt heraus, dass die streitbefangene Kündigung nicht etwa deshalb nach § 134 BGB nichtig sei, weil die Beklagte nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führe nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Über diese gesetzgeberische Entscheidung dürften sich die nationalen Gerichte nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung hinwegsetzen. Eine solche ist auch nicht geboten. Durch die Rechtsprechung des EuGH sei geklärt, dass die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG vorgesehenen Angaben nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG, in der Anzeige enthalten sein müssen.

 

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