BAG: Arbeitgeber kann Corona-Testpflicht anordnen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.06.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1495 Aufrufe

Das BAG (Urteil vom 1.6.2022 – 5 AZR 28/22 PM 21/22) hat eine mit Spannung erwartete Grundsatzentscheidung zu der Frage getroffen, ob der Arbeitgeber von seinen Beschäftigten einen Corona-Test verlangen kann.

Im Ausgangsfall ging es um eine Flötistin an der Bayerischen Staatsoper Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts eine Teststrategie entwickelt. Vorgesehen war die Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen und je nach Gruppe die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Als Orchestermusikerin sollte die Klägerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Sie hat sich geweigert, PCR-Tests durchführen zu lassen. Der beklagte Freistaat hat die Klägerin daraufhin in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 freigestellt und die Gehaltszahlungen eingestellt. Mit ihrer Klage hat sie für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Das BAG gibt indes dem Arbeitgeber recht. Denn dieser sei nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes konkretisierten den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer oblägen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen könne der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen werde im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.

Hiervon ausgehend sei die Anweisung des beklagten Freistaats zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig gewesen. Die Bayerische Staatsoper habe mit Blick auf die pandemische Verbreitung von SARS-CoV-2 mit diffusem Ansteckungsgeschehen zunächst technische und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken ergriffen, diese aber als nicht als ausreichend erachtet. Sie habe sodann – auch um den Vorgaben der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung zu genügen – mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das Institut für Virologie der Technischen Universität München und das Klinikum rechts der Isar ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vorsah. Hierdurch sollte der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin hätten billigem Ermessen iSv. § 106 GewO entsprochen. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mache die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt werde. Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig gewesen sei, habe der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt (§ 297 BGB), dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin, die die Durchführung von PCR-Tests verweigert habe, nicht bestehen.

Aus der Entscheidung wird man nicht ableiten können, dass die einseitige Anordnung einer Testpflicht stets ohne weiteres zulässig ist. Das wird immer von der konkreten Gefährdungslage abhängen (Pandemiegeschehen, betriebliche Umgebung etc.). Außerdem betont das BAG, dass die Anordnung auf der Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts erfolgen muss.

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