Nochmals das OLG Düsseldorf: Eichfragen....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.06.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1865 Aufrufe

Vor zwei Tagen war das OLG Düsseldorf bereits im Blog mit dieser Enstcheidung vertreten. Da ging es um die Frage der Rechtsbeschwerde gegen eine Beweisantragsablehnung. Nun soll es um den zweiten wichtigen Bereich der Entscheidung gehen: Das Eichrecht. Das OLG hat nämlich schön einmal "aufgedröselt", wie es sich mit altem/neuen Eichrecht und den Begrifflichkeiten bzw. ihrer Bedeutung verhält:

 

a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung zu dem verwendeten Messgerät zum Beweis der Tatsache beizuziehen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Reihenfolge beim Inverkehrbringen des Messgerätes nicht eingehalten wurde.

 Die Konformitätserklärung des Herstellers hat in der vorgesehenen Reihenfolge nach der Konformitätsbewertung durch die unabhängige Konformitätsbewertungsstelle zu erfolgen (§ 6 Abs. 3 MessEG, § 11 Abs. 2 Nr. 2 MessEV). Der Verteidiger hat geltend gemacht, dass ohne Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung die Nichteinhaltung dieser Reihenfolge „nicht auszuschließen“ sei. Diese Formulierung lässt erkennen, dass die Beweisbehauptung, die vorgeschriebene Reihenfolge sei tatsächlich nicht eingehalten worden, „ins Blaue hinein“ aufgestellt wurde.

 Maßgeblich für die Unzulässigkeit der als Aufklärungsrüge zu behandelnden Beweisantragsrüge ist indes, dass nicht dargelegt worden ist, dass und unter welchem Gesichtspunkt die vermisste Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung und deren Reihenfolge in dem vorliegenden Verfahren mit der Folge einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht relevant sein sollen.

 Zunächst ist festzustellen, dass bei dem Messgerät PoliScan M1 HP Softwareversion 3.7.4, keine Konformitätsbewertung der Bauart (MessEV Anlage 4, Teil B, Modul B) durchgeführt werden musste.

 Denn der Gerätetyp PoliScan M1 HP hat bereits am 21. Februar 2011 die Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) erhalten (Zulassungszeichen Z 18.11/10.02). Die Neufassung dieser Zulassung vom 30. Dezember 2014 umfasst die hier verwendete Messgerätesoftware in der Version 3.7.4. (Daten abrufbar bei www.ptb.de, Measuring Instruments Certificates [MiCert], vgl. auch Senat BeckRS 2021, 476; OLG Koblenz BeckRS 2017, 154190).

 Gemäß § 62 Abs. 2 MessEG kann für die Konformitätsbewertung eine vor dem 31. Dezember 2014 erteilte und noch gültige innerstaatliche Bauartzulassung als Nachweis der Konformität der Bauart (Modul B) genutzt werden. Diese Bauartzulassungen verfügen über Bestandsschutz. Es wird bis zum 31. Dezember 2024 unwiderleglich davon ausgegangen, dass die zugelassene Bauart die für diese Messgeräte geltenden wesentlichen Anforderungen des § 6 Abs. 2 MessEG einhält. Das Vorbringen, mangels der früher erforderlichen Bauartzulassung sei die Anwendung der Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren „kritisch zu hinterfragen“, geht für das über eine Bauartzulassung verfügende Messgerät PoliScan M1 HP schon im Ansatz fehl. Erst recht ergibt sich daraus kein Umstand, der die Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung nahe legen musste.

 Es bedarf bei Geschwindigkeitsmessgeräten, die der Übergangsregelung des § 62 Abs. 2 MessEG unterfallen, nur der Konformitätsbewertung betreffend die Konformität mit der Bauart auf der Grundlage einer Produktprüfung (MessEV Anlage 4, Teil B, Modul F). Diese Konformitätsbewertung ersetzt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 MessEG die vormals vorgesehene Ersteichung. Die Eichfrist beginnt mit dem Inverkehrbringen. Bis zum Ablauf dieser Frist ist keine Eichung notwendig. Danach oder bei vorzeitigem Ende der Eichfrist müssen die Messgeräte geeicht werden (vgl. PTB-Merkblatt für Hersteller zum Inverkehrbringen von Messgeräten nach dem Mess- und Eichgesetz, abrufbar bei www.ptb.de).

 Vorliegend wurde das Messgerät PoliScan M1 HP vor der am 21. Januar 2021 durchgeführten Messung zuletzt am 4. Juni 2020 mit Geltung bis zum 31. Dezember 2021 geeicht. Zum Zeitpunkt der Eichung entsprach das Messgerät den Anforderungen des MessEG und der MessEV. In welcher Reihenfolge im Jahr 2015 die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung erstellt wurden, ist für die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren und die Richtigkeit des Messergebnisses ohne Bedeutung (vgl. OLG Celle BeckRS 2019, 9201). Abgesehen davon, dass für die „ins Blaue hinein“ aufgestellte Behauptung einer vorschriftswidrigen Reihenfolge keine Anhaltspunkte bestehen, ist weder dargetan noch ersichtlich, was den Tatrichter im Rahmen seiner Aufklärungspflicht zur Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung hätte drängen müssen.

 Ein Beweisverwertungsverbot hat der Verteidiger mit Blick auf das behauptete nicht ordnungsgemäße Inverkehrbringen des Messgerätes nicht geltend gemacht. Eine Rüge mit dieser Angriffsrichtung wäre ohnehin bereits an der mangelnden Darlegung gescheitert, dass die verteidigte Betroffene der Verwertung des Messergebnisses in der Hauptverhandlung bis zu dem durch § 71 Abs. 1 OWiG, § 257 Abs. 1 StPO bestimmten Zeitpunkt widersprochen hat. Zur Vermeidung der Rügepräklusion ist die Erhebung und Darlegung eines solchen Widerspruchs auch im Bußgeldverfahren erforderlich (vgl. Senat BeckRS 2019, 25099 = DAR 2020, 209; BeckRS 2022, 4715; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 4261; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 5104).

OLG Düsseldorf Beschl. v. 16.5.2022 – 2 RBs 71/22, BeckRS 2022, 10553

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