Beim Aus- und Einparken muss man schon aufpassen und ggf. kommunizieren!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.07.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1866 Aufrufe

Wie Parkplatzunfälle zu regulieren sind, ist gefühlt immer "komisch" für mich. Die StVO soll dort immer irgendwie sinngemäß angewendet werden. Im vorliegenden Falle parkte der eine Fahrzeugführer aus, während der andere zeitgleich direkt daneben einparkte. Irgendwie "schreit" das nach eine recht mittigen Quotelung. So sieht das auch das OLG Hamm. Es sei auch im Zweifelsfalle eine Kommunikation vor Ort nötig:

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

 Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

 Gründe: 

 Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

 I.

 Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall vom 18.07.2020 in Anspruch. Der Zeuge A fuhr auf einem Parkplatz mit dem Fahrzeug des Klägers - Golf GTI - in eine freie Parklücke. Rechts neben dieser freien Parklücke begann das Fahrzeug der Beklagten zu 2.) - Mercedes Benz Vito -, welches die Beklagte zu 1.) steuerte, mit dem Ausparkvorgang. Hierbei schlug die Beklagte zu 1.) die Reifen dergestalt ein, dass das Fahrzeug beim Zurückfahren in den linksseitigen Parkplatz ragte. Dabei kollidierte das Beklagtenfahrzeug vorne links mit der vorderen rechten Seite des klägerischen Fahrzeugs. Am Fahrzeug des Klägers entstand ein Schaden i.H.v. 4.496,53 €, der zu einer Wertminderung i.H.v. 500,00 € führte. Zudem entstanden Sachverständigenkosten i.H.v. 878,70 €. Diese Kosten hat der Kläger von den Beklagten nebst einer Unfallpauschale i.H.v. 25,00 € nebst Zinsen begehrt.

 Das Landgericht ist nach der Beweisaufnahme und Anhörung der Beklagten zu 1.) von einer Haftung der Parteien i.H.v. jeweils 50% ausgegangen und legt beiden Fahrzeugführern einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO zur Last. Die Beklagte zu 1.) habe beim Rückwärtsfahren ihre sich hieraus ergebenden Sorgfaltspflichten nicht hinreichend beachtet. Der Zeuge A habe das Rücksichtnahmegebot insoweit verletzt, indem er trotz erkennbarem Ausparken des Beklagtenfahrzeugs in die freie Parklücke fuhr, anstatt den Vorgang abzuwarten.

 Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er einen Schadensersatzanspruch in voller Höhe (5.900,23 €) und Zinsen weiter verfolgt.

 Er ist der Auffassung, das Landgericht habe die Aussage des Zeugen A fehlerhaft gewürdigt, der Zeuge habe insbesondere nicht ausgesagt, er habe den Ausparkvorgang erkannt, sondern nur Rücklichter gesehen. Zudem habe das Landgericht § 9 Abs. 5 StVO unzureichend berücksichtigt.

 Die Anschlussberufung der Beklagten begehrt nach ursprünglich angekündigter vollständiger Klageabweisung die Berücksichtigung einer Haftung des Klägers i.H.v. 2/3. Der Zeuge A sei viel zu schnell und rücksichtslos in die Parklücke gefahren, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme darstelle.

 II.

 Die Berufung ist unbegründet.

 Das Landgericht ist zutreffend von einer Haftung des klägerischen Fahrzeugs i.H.v. zumindest 50% ausgegangen. Es wird auf die zutreffenden Feststellungen und Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen.

 Auf einem Parkplatz, insbesondere bei Ein- und Ausparkmanövern, ist das Gesamtgeschehen zu betrachten. Hierbei besteht ein wechselseitiges Rücksichtnahmegebot, insbesondere ist zwischen den Fahrzeugführern in Zweifelsfällen ein Kommunikationsakt nötig, um für beide Fahrzeuge ein unfallfreies Ein- und Ausparken zu ermöglichen. Gegen dieses Rücksichtnahmegebot haben sowohl der Zeuge A als auch die Beklagte zu 1.) verstoßen.

 Der Zeuge A hat in der mündlichen Verhandlung sinngemäß erklärt, er habe aufgrund des Rückfahrlichts erkannt, dass das Beklagtenfahrzeug rückwärts fahren will, er habe jedoch nicht damit gerechnet, dass dies unter Inanspruchnahme der danebenliegenden Parkbox erfolge. Dennoch hat er seinen Parkvorgang fortgesetzt, was einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO darstellt. Der Zeuge durfte nicht ausschließen, dass das große Fahrzeug der Beklagten zu 2.) mehr Platz beim Ausparken in Anspruch nimmt, insoweit war ein langsames Heranfahren und Einparken angebracht. Zumindest wäre ein unfallvermeidendes vorsichtiges Heranfahren unter Beachtung des Beklagtenfahrzeugs geboten gewesen.

 Der Beklagten zu 1.) hat das Landgericht ebenfalls zutreffend einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und dabei zutreffend auch auf den Rechtsgedanken des § 9 Abs. 5 StVO Bezug genommen. Eine weitergehende eine höhere Haftungsquote der Beklagtenseite rechtfertigende Berücksichtigung von § 9 Abs. 5 StVO ist nicht veranlasst, dieser ist in derartigen Gesamtgeschehen bei der wechselseitigen Rücksichtnahmepflicht i.S.v. § 1 Abs. 2 StVO mit inbegriffen.

 Ob hingegen dem Zeugen A - wie die Anschlussberufung meint - noch ein eine höhere Haftungsquote auf Klägerseite rechtfertigender weiterer Vorwurf in Form einer unangepassten Geschwindigkeit zu machen ist und ob die Beklagte zu 1.) beim Einparken des Zeugen A bereits die Reifen eingeschlagen hat, bedarf hinsichtlich der Entscheidung über die Berufung des Klägers zunächst keiner weiteren Entscheidung und Aufklärung.

 Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

OLG Hamm Hinweisbeschluss v. 1.4.2022 – 9 U 221/21, BeckRS 2022, 10924 

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