BAG: Vorabentscheidungsersuchen zur Kündigung wegen Kirchenaustritts

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.07.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1423 Aufrufe

Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH erneut um Vorabentscheidung im Zusammenhang mit der Kündigung durch ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft ersucht. Der 2. Senat möchte aus Luxemburg beantwortet wissen:

1. Ist es mit Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) im Licht von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta), vereinbar, wenn eine nationale Regelung vorsieht,

dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht,

a) Personen als ungeeignet für eine Beschäftigung in ihren Diensten erachten darf, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder

b) von den für sie arbeitenden Personen verlangen darf, dass sie nicht vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder

c) den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen darf, dass eine für sie arbeitende Person, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten ist, dieser wieder beitritt,

wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Religionsgemeinschaft anzugehören?

2. Sofern die erste Frage bejaht wird: Welche gegebenenfalls weiteren Anforderungen gelten gemäß der RL 2000/78/EG im Licht von Art. 21 der Charta an die Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung wegen der Religion?

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus in Dortmund, sie ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Die Klägerin war bis Mitte 2014 dort als Hebamme beschäftigt. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses trat sie aus der katholischen Kirche aus und machte sich selbständig. 2019 bewarb sie sich erneut bei der Beklagten. Im Rahmen des Einstellungsgesprächs wurde ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche thematisiert. Die Beklagte stellte die Klägerin zunächst ein und führte mit ihr Gespräche, um sie zum Wiedereintritt in die Kirche zu bewegen. Als diese fruchtlos blieben, kündigte sie noch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG das Arbeitsverhältnis ordentlich. In dem Krankenhaus sind – auch als Hebammen – auch konfessionslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.

Das ArbG Dortmund hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben (Urt. vom 9.10.2020 – 4 Ca 3024/19, BeckRS 2020, 43368), das LAG Hamm hat sie abgewiesen (Urt. vom 24.9.2020 – 18 Sa 210/20, BeckRS 2020, 43367). Das BAG hält die Auslegung von Art. 21 GRCh und der RL 2000/78/EG für entscheidungserheblich, hat daher das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung ersucht.

BAG, Beschl. vom 21.7.2022 – 2 AZR 130/21 (A), Pressemitteilung hier

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