Schadensersatz? Reinigungskosten vor Lackierung?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.08.2022
|2621 Aufrufe

Ein wenig Verkehrszivilrecht. Es geht um die Frage der Erstattungsfähigkeit von Reinigungskosten vor Lackierung:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 Gründe: 

 I.

 Von einer Darstellung des Tatbestands wird gern. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

 II.

 Die zulässige Klage ist nicht begründet.

 Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein restlicher Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht des Geschädigten auf Erstattung der Kosten für eine Reinigung des Fahrzeugs, eine Probefahrt, die Entsorgungskosten beschädigter Fahrzeugteile und allgemeiner Verwaltungskosten aus § 7 Abs. 1,17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 WG, 398 BGB in Höhe von 281,67 € zu.

 1. Die Klägerin steht eine Anspruch auf Schadensersatz nur zu, wenn es sich bei den geltend gemachten Schadenspositionen um erforderliche Kosten zur Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs handelt (§ 249 BGB). Die ist aus nachfolgenden Gründen nicht der Fall.

 a. Die Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Schadenspositionen folgt nicht bereits aus deren Erwähnung in dem Sachverständigengutachten der vom 12.02.2020, das der Geschädigte vor Beauftragung der Reparatur eingeholt hat. Die Klägerin kann sich auch dann nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sogenannten „Werkstattrisiko“ des Geschädigten berufen, wenn sie den Anspruch nicht aus eigenem Recht, sondern aus abgetretenem Recht des Geschädigten geltend macht. Zwar ist zutreffend, dass sich die Forderung durch die Abtretung nicht verändert und der Zessionar die Forderung so erwirbt, wie sie in der Person des Zedenten bestand (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, VI ZR 491/15, beck-online Rdn.22), vorliegend konnte sich jedoch auch der Zedent nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkstattrisiko berufen. Diese besagt, dass wegen der beschränkten Erkenntnismöglichkelten des Geschädigten der vom ihm in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand (ex post gesehen) bei der Ermittlung des Schadens ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen'1 (ex ante zu bemessenden) Betrages i. S. d. § 249 BGB bildet (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2019 - VI ZR 315/18, beck-online Rdn. 16) und setzt damit zwingend voraus, dass die Rechnung durch den Geschädigten bereits beglichen wurde. Dies hat die Beklagte bestritten, Beweis dazu hat die Klägerin nicht angetreten.

 b. Darüber hinaus hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin die Erforderlichkeit sämtlicher geltend gemachter Schadenspositionen nicht dargelegt.

 (1) Reinigungskosten zur Vorbereitung einer Lackierung sind jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn - wie vorliegend - bereits in der Reparaturkostenkalkulation des Gutachters Kosten zur Vorbereitung der Lackierung enthalten sind (vgl Balke, SVR 2020, 460 (462). Dies gilt auch, wenn die Reinigung nicht im Vorfeld, sondern im Nachgang der Reparatur erfolgt. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, wieso - wenn ohnehin im Nachgang einer Lackierung eine Reinigung erfolgen soll - diese nicht bereits gemeinsam mit der im Vorfeld erfolgenden Reinigung vorgenommen wird. Darüber hinaus dient die im Nachgang erfolgende Reinigung der Kontrolle der Werkleistung und erfolgt deshalb - vergleichbar einer Probefahrt - durch den Werkunternehmer im eigenen Interesse. Die dazu anfallenden Arbeiten sind nicht gesondert vergütungspflichtig.

 (2) Die Kosten einer abschließenden Probefahrt sind ebenfalls nicht erstattungsfähig. Dass sich der Unternehmer vor der Rückgabe des Fahrzeugs über den Erfolg seiner Reparatur vergewissert, kann dem Kunden ohne besondere Vereinbarung nicht zusätzlich In Rechnung gestellt werden. Denn der Unternehmer handelt im eigenen Interesse, wenn er seine Arbeit abschließend auf Mangelfreiheit im Sinne des § 634 BGB überprüft (vgl. AG Recklinghausen, Urteil vom 15.10.2018,51 C 232/17, beck-online; Balke, SVR 2020, 460 (462). Dies gilt auch, wenn die Funktionsfähigkeit der elektronischen Systeme überprüft werden soll und die Prüfung darauf zurückgeht, dass sichergestellt werden soll, dass durch die Reparatur kein Schaden an diesen Systemen entstanden ist. Erfolgt die Kontrolle der elektronischen Systeme unabhängig von der Reparatur, steht sie in keinem kausalen Zusammenhang zum Unfallgeschehen und ist deshalb nicht erstattungsfähig.

 Im Übrigen hat die Klägerin weder unter Beweis gestellt, dass überhaupt eine Probefahrt stattgefunden hat, noch zu welchem Zweck genau diese durchgeführt wurde. Ein allgemeiner Verweis darauf, dass zunehmend die elektronischen Betriebssysteme überprüft werden, ersetzt den konkreten Vortrag nicht.

 (3) Gleiches gilt für die Entsorgungskosten und den darüber hinaus geltend gemachten administrativen Aufwand. Auch diese stellen keinen erstattungsfähigen Schaden dar.

 Bezüglich des in Rechnung gestellten administrativen Aufwands hat die Klägerin trotz Rüge der Beklagten nicht substantiiert dargelegt, welcher Kosten sich dahinter verbergen. Es ist davon auszugehen, dass die allgemeine Organisation der Reparaturdurchführung und der dafür erforderliche Verwaltungsaufwand als Teil der unternehmerischen Kalkulation bereits in den in Ansatz gebrachten Reparaturpreisen enthalten sind. Konkreten Vortrag zu erheblichen zusätzlichen administrativen Kosten hat die Klägerin nicht gehalten. Ein pauschaler Verweis auf die Notwendigkeit einer effizienten Planung ist nicht hinreichend.

 Schließlich sind die Entsorgungskosten nicht pauschal erstattungsfähig. Es kann dahinstehen, ob die Hersteller die kostenfreie Rücknahme von Bauteilen aus Unfallfahrzeugen garantieren oder nicht, da nach Auffassung des Gerichts jedenfalls die Abrechnung in Form einer Pauschale angesichts des regelmäßig sich erheblich unterscheidenden Reparaturumfangs der einzelnen Fahrzeuge nicht zulässig ist. Dass im konkreten Fall Entsorgungskosten in streitgegenständlicher Höhe angefallen sind, hat die Klägerin nicht dargelegt.

 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

AG Gotha Endurteil v. 17.6.2022 – 1 C 171/22, BeckRS 2022, 14067

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen